# taz.de -- Die Wahrheit: Wie doch Gemeinschaft wärmt
       
       > Direkt vor Ort im ersten Midlife-Krisenhaus für Männer in den besten
       > Jahren, dem „Haus Kopf hoch“. Der wahre Report.
       
 (IMG) Bild: Auf zur Route 66, direkt nach der Midlife-Therapie!
       
       „Kommen Sie rein, können Sie rausgucken“, begrüßt uns ein etwa 50-jähriger
       Mann mit Henriquatre-Bart und etwas zu engem Camp-David-Shirt, nachdem er
       die „Highway to Hell“ spielende Klingel hat ausdudeln lassen. „Cheffe
       wartet schon.“
       
       Wir folgen „dem Maggus“ durch eine endlose Reihe von Partyräumen, die sich
       nur dadurch zu unterscheiden scheinen, ob unter dem Hirschgeweih eine
       Dartscheibe, ein Pin-up-Girl oder ein Bild der New Yorker Skyline an der
       Wand hängt. Im dritten Stock, hinter einer schweren Eichenholztür mit
       drangeschraubtem „Mein Büro, meine Regeln“-Blechschild, begrüßt uns dann
       endlich der Herr des Hauses: Lutz Müller, Gründer und Betreiber von
       Deutschlands erstem sogenannten Midlife-Krisenhaus.
       
       „Wobei wir hier lieber von Lebensmittekrise sprechen“, erklärt Müller. Der
       oft despektierlich genutzte Begriff Midlife Crisis trage den Gefühlen der
       Bewohner von „Haus Kopf Hoch“ keine Rechnung. „Die Lebensmittekrise ist
       schließlich kein Witz!“, empört sich Müller, während er durch sein Fenster
       einen im Hof auf einer Harley langsame Kreise ziehenden Bewohner
       beobachtet.
       
       „Die Männer, die zu uns kommen, haben oft alles verloren“, erklärt der
       Leiter weiter, während er uns ein „schönes Dunkles“ anbietet. Familie,
       Zuhause, eigenes Klo – alles weg. Freiwillig verlassen natürlich, weg
       nichtsdestotrotz. „Wenn man in Bezug auf jüngere Männer von der ‚male
       loneliness epidemic‘ spricht, könnte man sagen: Hier bei uns lebt Patient
       Zero.“
       
       ## Shiatsu am Bier und Botox für Brüder
       
       Dass die Schutzsuchenden gar nicht so niedergeschlagen wirken, liege am
       einzigartigen Konzept des Hauses, protzt Müller auf dem folgenden Rundgang.
       Angebote wie Shiatsu am Bier, Botox für Brüder oder Wäsche waschen habe er
       über viele Jahre im Austausch mit Männerrechteinitiativen entwickelt.
       
       Allerdings sei er aus Angst vor Spott und politischer Hetze bisher nicht an
       die Öffentlichkeit gegangen. Wo genau das von außen unscheinbare Haus
       steht, das dürfen wir deshalb nicht sagen. Zu oft schon hätten verlassene
       Frauen vor der Einrichtung gestanden und ihren Männern mit finanzieller
       Gewalt durch Unterhaltsforderungen gedroht.
       
       „Aber lassen Sie uns am besten doch einfach durchspielen, was ein Mann in
       schwerer Lebensmittekrisensituation bei uns erlebt“, schlägt Müller vor. Er
       führt uns zu einem Kleiderhaufen. Aus Spenden erhalten die Männer erst mal
       das Nötigste: eine Lederjacke, ein kühles Blondes und von Kleiderwart Lutz
       die Versicherung, dass „die coole Blonde dazu“ bestimmt auch bald komme.
       
       Dann gehe es an die Zimmerzuweisung. „Wir haben die Modelle Hobbyraum,
       Hotelzimmer oder Sofa im Wohnzimmer“, erklärt Müller sichtlich stolz,
       während er uns an den wie aus einem Eigenheim herausgerissenen Zimmern
       vorbeiführt. Wer sich einsam fühle, könne sogar die Soundkulisse via
       Bluetooth bestimmen. Ein endloses „Schaaatz, kommst du mal?“, Staubsaugen
       im Flur oder tratschende Schwiegereltern sollen den Trennungsschmerz
       lindern.
       
       Am zweiten Tag dürfen die Männer dann eine „kaputte“ Waschmaschine im
       Keller reparieren, bei der aber nur der Stecker gezogen wurde.
       „Erfolgserlebnisse schaffen, leistungslos – ganz wichtig!“, ermahnt uns
       Müller. Ansonsten stehe nur endlich mal Ruhe haben auf dem Programm.
       
       ## Midlife Boom ab Tag drei
       
       Ab Tag drei fänden frei wählbare Kurse statt, die aus der Midlife Crisis
       einen Midlife Boom machen sollen: Affäre für Anfänger, Lügen auf dem
       Jahrgangstreffen oder Plauzen, Pech & Pannen – Embracing Body & Soul.
       Hauptsache, die Männer kämen wieder auf die Beine. „Aber nicht nur dahin,
       hehe“, quatscht ein dürrer Endvierziger Müller im Vorbeigehen in den Satz.
       „Sehr gut, Jochen“, erwidert der gelassen und erklärt einige Meter weiter
       stolz: „Jochen war bis vor ein paar Wochen noch ein schüchterner
       Versicherungsvertreter, und jetzt sehen Sie ihn an!“
       
       Das Wichtigste sei aber natürlich, dass die Männer die Lebensmittekrise
       hinter sich lassen. „Und das lernen sie hier – kommen Sie.“ Er zieht uns in
       den Hof, wo einige Männer andächtig um einen meterlangen Weber-Grill
       herumstehen. „Spezialanfertigung“, flüstert Müller.
       
       Ganz ohne Therapeuten dürfen die Männer hier endlich am Grill Gefühle
       zeigen. Da ist vor allem Wut: „Ich hab den Laden doch allein geschmissen!“
       Die anderen stimmen ihm brummend zu. „Wir haben doch alles für den Bengel
       getan!“ Wieder Brummen. „Da wäscht man die Klobürste einmal im
       Geschirrspüler!“ Unsichere Blicke.
       
       Ziel sei es, die Männer ihre Verantwortung auf andere abschieben zu lassen,
       erklärt uns Müller. „Hey! Aufhören!“, geht er plötzlich dazwischen, als bei
       einigen Männern zu selbstgewählten Mantras wie „Zähne zusammenbeißen“ oder
       „Da machste nix“ Tränen kullern. „Verletzlichkeit kommt mir nicht ins
       Haus!“
       
       Bis zu einem Monat verbleiben die Männer im „Haus Kopf Hoch“. Solang
       braucht es, bis sie sich einen Malle-Urlaub oder eine Route-66-Motorradtour
       organisiert haben. Danach kehren die allermeisten zu ihrer Familie zurück.
       „Sind wir mal ehrlich“, lächelt Lutz Müller uns zum Abschied süffisant aus
       der Tür, „das sind Männer. Müssen halt mal ’ne Woche rauskommen.“
       
       6 Aug 2025
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ernst Jordan
       
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