# taz.de -- Die Wahrheit: Fesselnde Konfrontation
       
       > Im Monolog mit Schwerverbrechern: Was macht eine gute Gefährder-Ansprache
       > aus? Und warum wird sie nur selten in Gedichtform der Klientel
       > nahegebracht?
       
 (IMG) Bild: Darth und George: Gefährder-Ansprache zwischen Vater und Schöpfer vor Todesstern
       
       Ansprachen sind von Haus aus ein schweres Unterfangen, doch die
       Königsdisziplin aller schwierigen Ansprachen ist zweifellos die
       Gefährder-Ansprache. Gefährder sind Menschen, die mit einem Bein im
       Gefängnis stehen und mit dem anderen im Schlafzimmer. Man nennt sie deshalb
       auch „Schläfer“. Doch wehe, wenn sie aufwachen, dann wird der Gefährder zur
       Gefahr.
       
       Dagegen hilft nur eine gute Gefährder-Ansprache, die dafür sorgt, dass der
       erwachende Schlaftäter nicht zum Straftäter wird. Die Gefährder-Ansprache
       ist sicherlich die intimste Form der Ansprache, denn anstelle einer
       größeren Zuhörerschaft hat sie nur einen Zuhörer, es handelt sich quasi um
       einen Monolog unter vier Augen. Dabei hat der Gefährder selbstverständlich
       zu schweigen, schließlich ist das Ganze ja keine Gefährder-Aussprache.
       
       Aber was ist nun eigentlich genau eine Gefährder-Ansprache? Der Gesetzgeber
       nennt eine Gefährder-Ansprache trocken „einen mündlich vorgetragenen
       Unterlassungswunsch“, angesprochene Gefährder sprechen eher von „nervendem
       Gelaber“. Allerdings „entfaltet eine Gefährder-Ansprache keine
       Bindungswirkung“, mit anderen Worten, der Gefährder muss sich nicht daran
       halten. Aber das muss man ihm ja nicht gerade erzählen in der Ansprache.
       
       So „ein konfrontatives Gespräch“ wird laut MDR aktuell meist unangekündigt
       geführt und bezieht seine eigene Spannung aus dem Überraschungsmoment. Kann
       man so eine Ansprache ablehnen? Ja schon, aber eine gute
       Gefährder-Ansprache ist schon vorbei, ehe der Gefährder dreimal „Ablehnung“
       gerufen hat. Höflich wäre eine Ablehnung auch nicht, schließlich hört man
       ja zu, wenn man angesprochen wird. Hört der Gefährder partout nicht zu,
       kann die Polizei auch auf der Arbeit aufkreuzen oder den Gefährder
       peinlicherweise vor seiner Familie zutakten.
       
       ## Lehrer und Schüler
       
       Irgendwie erinnert das alles an die Situation in der Schule, wo der Lehrer
       ja auch auf eine uninteressierte und ablehnende Zuhörerschaft trifft. Und
       die Schüler können ja ebenfalls die Ansprache genau so wenig ablehnen wie
       der Gefährder. Da heißt es dann, den Kopf nicht in den Sand zu stecken und
       die Zuhörerschaft mit guten Worten zu fesseln.
       
       Fesseln? Ist das bei einer Gefährder-Ansprache etwa erlaubt? Verbales
       Fesseln ja, Handschellen anlegen dagegen eher nicht, man sollte so einer
       Ansprache nicht den Zauber der unbeschwerten Zwanglosigkeit nehmen. Dazu
       sollte der Ansprecher auch ein passendes Ambiente suchen, anders gesagt,
       unruhige Menschenaufläufe eher meiden und zur Ansprache diskrete
       Örtlichkeiten wie Séparées oder Gebüsch aufsuchen.
       
       Von der Form her ist man von der anspruchsvoll gereimten
       Gefährder-Ansprache abge-kommen („Hör auf mit dem Gefährden, sonst muss ich
       böse werden“). Zu selten wurde die Ansprache in Gedichtform von der
       Klientel der Angesprochenen wertgeschätzt, zu häufig war höhnisches
       Gelächter die kränkende Resonanz.
       
       Doch wer kommt überhaupt in den wenig gewürdigten Genuss einer
       Gefährder-Ansprache? Dazu muss jemand schon „Straftaten von erheblicher
       Bedeutung begehen im Sinne des § 100a der Strafprozessordnung“! Da reicht
       das gewöhnliche Pöbeln, Meckern und Unruhestiften nicht. Für solche kleinen
       Missetäter wird noch nicht einmal das Ordnungsamt für mahnende Worte
       bemüht.
       
       Es sollte sich also schon um Personen handeln, die mindestens das Grüne
       Gewölbe geplündert haben oder unsere Ordnungshüter anderweitig gründlich
       enttäuscht haben.
       
       Doch Vorsicht, so eine Gefährder-Ansprache kann auch dazu führen, dass der
       Angesprochene sich in seinem Treiben bestätigt fühlt und womöglich stolz
       ist auf seine Ansprache. Da reicht dann auch mal ein strenger Blick oder
       ein drohender Zeigefinger als Warnung anstelle einer langen Ansprache.
       Hauptsache, unser Pappenheimer weiß Bescheid!
       
       Und ein ganz klein wenig sollten wir auch immer dem viel geschmähten
       Gefährder dankbar sein, denn schließlich verdanken wir ihm ja das
       vielschichtige Genre der Gefährder-Ansprache!
       
       1 Aug 2025
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Kriki
       
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