# taz.de -- Umbau von Büros in Hamburg: Leben, wo niemand mehr arbeitet
       
       > Hamburg braucht dringend Wohnungen. Zwei Genossenschaften wollen deswegen
       > ihre alten Büros umbauen. Das schont das Klima, ist aber keineswegs
       > einfach.
       
 (IMG) Bild: Ach, wie viele Sozialwohnungen hier reinpassen würden: Stillgelegte Elbtower-Baustelle in Hamburg im März 2024
       
       Hamburg taz | Der Briefkasten ist schon lange mit braunem Paketband
       zugeklebt, die Jalousie nach unten gefahren und der Haupteingang mit einem
       Gitter versperrt. Bis auf einzelne Aktenschränke und dem grauen
       Teppichboden ist das große Bürogebäude an der Bergedorfer Straße in Hamburg
       komplett leer.
       
       Nur das kleine Firmenschild verrät, was sich im großen Klinker-Haus einmal
       befunden haben muss. Dort, wo die gemeinnützige Baugenossenschaft Bergedorf
       Bille noch bis vor wenigen Jahren ihren Hauptsitz hatte, sollen Menschen
       schon bald schlafen, wohnen und kochen können – denn die Firma plant, ihren
       alten Bürokomplex in ein Mehrparteien-Haus umzubauen.
       
       Hamburg leidet seit Jahren unter einem [1][Mangel an Wohnungen.] Begleitet
       wird dieser von explodierenden Mieten – Hamburg gehört in Sachen
       Mietpreisen schon länger zu den Top-Fünf der teuersten Städte Deutschlands.
       Durch Neubau allein lässt sich das Problem nicht lösen: Auf der einen Seite
       fehlt in attraktiven Wohngebieten der Platz für größere Bauvorhaben. Hinzu
       kommen der enorme CO2-Ausstoß und die [2][gestiegenen Rohstoffpreise beim
       Bauen].
       
       Andererseits stehen in Hamburg rund 850.000 Quadratmeter Bürofläche leer,
       wie aus einer [3][Erhebung der „BNP-Paribas“] hervorgeht. Es läge nahe,
       einen Teil davon in Wohnfläche zu verwandeln.
       
       Ursprünglich sollte das 1965 errichtete Gebäude der „Bergedorf Bille“
       abgerissen und durch einen Neubau ersetzt werden. Doch dann entschied sich
       die Genossenschaft, die Grundsubstanz zu erhalten:
       
       „Die graue Energie ist ja schon da“, erklärt Architekt Holger Diesing, der
       Projektleiter. Gemeint ist damit die Energie, die für den Transport, die
       Herstellung, Lagerung und Entsorgung der Baumaterialien des Gebäudes
       aufgebracht wurde. Sie nicht zu nutzen, wäre unvernünftig. Zumal sich das
       alte Genossenschaftsbüro optimal eigne.
       
       Im Zuge einer Umfrage zum Bauvorhaben unter den etwa 25.000 Mitgliedern
       hatte sich der Großteil der Genossenschaft entschieden, sogenannte
       Clusterwohnungen zu bauen. Demnach werden die alten Büro-Etagen so
       verändert, dass um eine große Gemeinschaftsfläche herum mehrere Wohnungen
       angeordnet werden können.
       
       Jedes dieser Schlafzimmer enthalte eine kleine Teeküche sowie ein eigenes
       Badezimmer, „so dass man sich zurückziehen kann, wenn man mal auf die
       Wohngemeinschaft keinen Bock hat oder krank ist“, sagt Diesing. Für
       Familien seien die Wohnungen mit mehreren Zimmern ausgestattet. Den
       Waschraum, den Aufenthalts- und Arbeitsraum sowie eine große Küche würde
       sich die Wohngemeinschaft allerdings teilen. So könnten acht WGs mit 32
       Wohnungen entstehen. Das Erdgeschoss soll eine teilgewerbliche Fläche
       bleiben.
       
       Um dieses Vorhaben umzusetzen, plant die Genossenschaft, das Gebäude um
       drei Geschosse aufzustocken und neu zu dämmen. Auch dabei wolle man so
       viele Materialien wie möglich erhalten, sagt Diesing. Die abgetragenen
       Klinkersteine sollen für die Aufstockung genutzt werden, auf einer
       sogenannten Bauteil-Börse werden gut erhaltene Baumaterialien sowie Lampen
       verkauft und beim Umbau eingekauft.
       
       ## Bauen belastet das Klima
       
       Denn der klimafreundliche und ressourcensparende Umbau habe für die
       Genossenschaft von Anfang hat Priorität gehabt, sagt Diesing. Der Bausektor
       ist für einen erheblichen Teil der globalen CO2-Emissionen verantwortlich –
       in Deutschland sind es etwa 30 Prozent aller Treibhausgas-Emissionen. Laut
       der [4][Deutschen Umwelthilfe] verbraucht die Gebäude- und Baubranche zudem
       rund 90 Prozent der mineralischen Rohstoffe.
       
       [5][Vor allem bei der Herstellung von Zement], Beton und Kunststoffen
       entstehen viele klimaschädigende Gase. Mit einer solchen Umstrukturierung
       spare man jedoch nicht nur CO2, man könne in diesem Pilotprojekt zudem
       untersuchen, wie sinnvoll ein solcher Rückbau und ökologische Materialien
       für die Baubranche generell seien, sagt Diesing.
       
       Um die Stadt von ihrem Vorhaben zu überzeugen, habe die Genossenschaft bei
       ihren Exkursionen zu ähnlichen Projekten stets das Verwaltungspersonal
       mitgenommen: „Wir hatten deswegen von Anfang an die Unterstützung der
       Behörden“, sagt Diesing. Eine Genehmigung für das eigene Vorhaben solle
       voraussichtlich noch dieses Jahr erteilt werden, sodass bereits im nächstes
       Jahr mit dem Umbau begonnen werden könne.
       
       Auf bestimmte baurechtliche Anforderungen könne auch bei einer Umwandlung
       nicht verzichtet werden, teilt die Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen
       mit. Dies sei etwa beim Brandschutz und Rettungswegen der Fall. Hinzu kämen
       „besondere nutzungsbedingte“ Anforderungen, um die Fläche bewohnbar zu
       machen, wie etwa bei Sanitäranlagen, Belichtung, Barrierefreiheit, oder
       auch dem Bau von Kinderspielflächen. In manchen Fällen ist auch noch eine
       Schadstoffsanierung nötig.
       
       All das koste Geld und Zeit – und mache Umwandlungsprojekte für Investoren
       in der Breite extrem unattraktiv, erzählt ein Projektleiter. Die Kosten pro
       Quadratmeter sind dabei oft genauso hoch wie bei einem Neubau. Dennoch
       arbeitet die Behörde daran, die [6][Genehmigung eines solchen Umbaus zu
       erleichtern].
       
       Im Stadteil Barmbek hat die Hansa Baugenossenschaft diese Möglichkeit
       ergriffen. Ähnlich wie die Bergedorf Bille plante sie anfangs, ihr altes
       Büro abzureißen und durch Neubau-Wohnungen zu ersetzen. Nach langer Planung
       habe man sich dann doch für den Erhalt des Gebäudes entschieden, sagt die
       Projektleiterin Marion Ebel. Auf 1.500 Quadratmetern Fläche sollen 28
       Wohnungen entstehen – der Großteil Sozialwohnungen. Bereits im Oktober 2026
       sollen die ersten Menschen in das ehemalige Bürogebäude einziehen können.
       
       Neben der Grundsubstanz des alten Stahlbeton-Skelettbaus, könne man
       Fenster, Aufzüge und Brandschutztüren erhalten. Einer der mit dem Umbau
       beauftragten Architekten hat Ebel zufolge berechnet, dass sich die
       Genossenschaft durch die Erhaltung etwa 800 LKW-Fuhren spare.
       
       In der Hamburger Politik werden bereits seit einigen Jahren immer wieder
       Forderungen laut, mehr solcher Umbauprojekte zu starten. Ende Juni forderte
       die CDU-Bürgerschaftsfraktion entsprechende Pilotprojekte zu fördern: In
       Großstädten wie Berlin und Frankfurt gebe es bereits einige solcher
       Projekte. Der rot-grüne Senat lehnte ab, schließlich müsse man
       gebäudespezifische Eigenschaften und baurechtliche Vorgaben stets im
       Einzelfall betrachten.
       
       ## Frühere Stadtplanung wird zum Problem
       
       Um sich jedoch zu vergewissern, dass diese Bauprojekte auch in der
       Hansestadt schnell und erfolgreich umgesetzt werden können, braucht es aber
       keine Test-Projekte, es reicht ein Blick in die Bogenallee im Stadtteil
       Harvestehude.
       
       Hier hatte ein Architektenbüro bereits vor 20 Jahren auf etwa 3.000
       Quadratmeter Bürofläche über vier Etagen 15 Wohnungen gebaut. Das
       sanierungsbedürftige Gebäude aus den 70er Jahren wurde binnen eines Jahres
       entkernt und neben einigen Änderungen im Grundriss, mit neuer Haustechnik
       und einer neu gestalteten Fassade in Form eines Mehrfamilienhauses wieder
       aufgebaut.
       
       Trotz solcher Beispiele setzt der rot-grüne Senat immer noch auf den
       Neubau. Die Stadt strebt an, jedes Jahr etwa 10.000 neue Wohnungen zu
       bauen, um dem Bedarf an Wohnungen in Hamburg gerecht zu werden.
       
       Viele leerstehende Büroflächen sind laut der Behörde für Stadtentwicklung
       und Wohnen nicht ohne Weiteres geeignet, in Wohnraum umgewandelt zu werden.
       „Insbesondere in Gewerbegebieten oder an anderen besonders lärmbelasteten
       Standorten sind Wohnungen mitunter weder sinnvoll noch zulässig“, teilt die
       Behörde auf Anfrage mit.
       
       Dieses Problem sei allerdings hausgemacht, sagt Diesing von der Bergedorfer
       Genossenschaft. Bei der Stadtplanung habe man lange Zeit ganze Viertel mit
       großen Bürokomplexen entworfen. Um solche [7][Büroviertel] überhaupt
       bewohnbar zu machen müsse deutlich mehr getan werden, als es zum Beispiel
       für das Projekt der Bergedorfer Genossenschaft nötig gewesen sei, sagt
       Architekt Diesing.
       
       ## Umbau eines alten Parkhauses wird teuer
       
       Eine solches weitaus umfassenderes Projekt der Genossenschaft Gröninger Hof
       zeigt die Grenzen dieser Umbauvorhaben. In einem alten Parkhaus in der
       Hamburger Altstadt sollen schon in zwei Jahren Menschen in etwa 90
       Wohnungen leben können.
       
       Neben Ein- bis Sechs-Personen-Wohnungen sollen, ähnlich wie in Bergedorf,
       mehrere Clusterwohnungen entstehen. Finanziell und ideell unterstützt werde
       der Umbau von der Stadt, dem Bezirk sowie in Form von Förderkrediten, sagt
       die Vorständin der Genossenschaft, Annekathrin Bake. Zudem hat die Stadt
       der Initiative für das Grundstück [8][ein 75jähriges Erbbaurecht gewährt.]
       
       Anders als bei den Projekten in Bergedorf und Barmbek, kann beim Gröninger
       Hof nicht wirklich von einem Umbauprojekt gesprochen werden – zu
       umfangreich ist das Bauvorhaben mittlerweile geworden. Neben dem Fundament,
       dem Keller und einer Brandmauer solle beim Umbau lediglich die
       halbgeschossige Struktur des ehemaligen Parkhaueses erhalten bleiben, sagt
       Bake.
       
       Große Teile des Betons müssen abgetragen werden, da Tau-Salze der Autos die
       Böden über die Wintermonate massiv beschädigt haben. Der mittlere Bereich
       der Parkebenen wird nach derzeitigem Plan herausgerissen, sodass ein von
       den Wohnungen umringter Innenhof entsteht.
       
       „Abreißen und neu bauen, sagt Genossenschaftsvorständin Bake, „wäre
       definitiv billiger gewesen.“
       
       13 Sep 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Hamburger-Wohnungsbau-tief-in-der-Krise/!6067257
 (DIR) [2] /Privat-finanzierter-Wohnungsbau/!6065137
 (DIR) [3] https://www.realestate.bnpparibas.de/marktberichte/bueromarkt/hamburg-at-a-glance
 (DIR) [4] https://www.duh.de/informieren/ressourcen-und-abfall/kreislaufwirtschaft-am-bau/
 (DIR) [5] /CO2-Bilanz-von-Zement-Beton-und-Co/!6092246
 (DIR) [6] /Wohnungsnot-begegnen/!6042670
 (DIR) [7] /Wohnungskrise-in-Berlin/!6095952
 (DIR) [8] https://www.hamburg.de/politik-und-verwaltung/behoerden/bwfg/aktuelles/pressemeldungen/parkhaus-wird-wohnhaus-im-groeninger-hof-koennen-90-oeffentlich-gefoerderte-wohnungen-entstehen-1053378
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Quirin Knospe
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Hamburg
 (DIR) Immobilien Hamburg
 (DIR) Neubau
 (DIR) Wohnraummangel
 (DIR) Wohnungspolitik
 (DIR) Sanierung
 (DIR) Wohnungsnot
 (DIR) Wohnungsbau
 (DIR) Wohnungslosigkeit
 (DIR) Sozialer Wohnungsbau
 (DIR) Wahl in Hamburg 2025
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Wohnungslosigkeit in Hamburg: „Der Dringlichkeitsschein bietet keine Sicherheit“
       
       In Hamburgs öffentlichen Unterbringungen leben tausende Menschen, die
       eigentlich Anspruch auf eine Wohnung haben. Das ergab eine Anfrage der
       Linken.
       
 (DIR) Hamburger Wohnungsbau tief in der Krise: Ziele in weiter Ferne
       
       Angesichts der hohen Nachfrage werden viel zu wenige Wohnungen in Hamburg
       gebaut. Die Politik versucht auf verschiedenen Wegen gegenzusteuern.
       
 (DIR) Privat finanzierter Wohnungsbau: Hamburg will die Baubranche wieder zum Bauen bringen
       
       Wohnungsbau soll um ein Drittel weniger kosten – durch niedrigere Standards
       und schlanke Verfahren. Was bei Mieter:innen ankommt, bleibt fraglich.