# taz.de -- orte des wissens: Ei alian uun a huk
> Die Nordfriesische Wörterbuchstelle bewahrt bedrohte friesische Dialekte.
> Dieses Jahr feiert sie ihr 75-jähriges Jubiläum und blickt in eine
> digitale Zukunft
Wie der Satz: „Bi daans sted de dring ei lung alian uun a huk“ auf Deutsch
lautet, das wissen heute nicht mehr viele, ohne nachzuschauen: „Beim Tanz
stand der Junge nicht lange alleine in der Ecke.“ Denn Fering, den
friesischen Dialekt, der auf Föhr gesprochen wird, können auch dort nur
noch etwa 3.000 Menschen sprechen, von denen rund die Hälfte
Muttersprachler:innen sind – knapp ein Drittel der fast 8.400
Einwohner:innen der Insel. Und ein paar Kilometer weiter, auf dem
Festland, in der Region Bökingharde, Niebüll, Risum-Lindholm und Dagebüll,
lautet der Satz im Frasch- oder Mooring-Dialekt schon wieder ein bisschen
anders: „Bai doons stöö di dräng ai lung åliine önj e jarn.“ Wie viele
Menschen noch aktiv Frasch sprechen, weiß man nicht, grobe Schätzungen
gehen von 2.000 bis 3.000 aus.
Immer weniger Menschen sprechen noch einen der zehn historischen
friesischen Dialekte. Einige sind bereits ausgestorben wie das
Helgoland-Friesisch. Viele, wie das Wiedingharder Friesisch, das nur noch
wenige ältere Menschen sprechen, sind stark gefährdet.
Doch es gibt Bemühungen, die nordfriesische Sprache zu erhalten. In einem
unscheinbaren Büro an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel lagern
deshalb Wörter, aufgestapelt auf rund 920.000 Karteikarten. Die
Nordfriesische Wörterbuchstelle, die dieses Jahr ihr 75-jähriges Bestehen
feiert, dokumentiert dort die Minderheitensprachen. Ihre Arbeit bietet
einen Einblick in die akribische Erforschung sprachlicher Vielfalt, zeigt
aber auch die Herausforderungen, eine bedrohte Sprache in einer
globalisierten Welt zu bewahren.
## KI und Kooperationen
Die 1950 vom Nordistik-Pionier Hans Kuhn gegründete Wörterbuchstelle soll
das Nordfriesische von Beginn an nicht nur erforschen, sondern auch
erhalten. Ihre Karteikarten, gefüllt mit Wörtern, Redewendungen und
Geschichten aus alten Drucken, Handschriften, Tonaufnahmen und Gesprächen
mit Muttersprachler:innen, sind die Basis für Wörterbücher, die die
Vielfalt der Dialekte abbilden. Weil die so divers sind und die Zahl der
Sprecher:innen so gering, ist eine umfassende Dokumentation gar nicht so
leicht.
Die Digitalisierung hat die Arbeit der Wörterbuchstelle verändert. Der
„Thesaurus des Nordfriesischen“ ist Open Access, Tonaufnahmen und
Karteikarten sind digital verfügbar. Das Gesamtnordfriesische
Onlinewörterbuch vereint die Dialekte in einem digitalen Nachschlagewerk.
Das Projekt erweitert den Zugang für Forscher:innen und
Sprachinteressierte. Aber die Umsetzung ist komplex: Die Qualität der
Digitalisate hängt von alten Aufzeichnungen ab, und die Finanzierung der
Vorhaben bleibt unsicher. Dennoch ermöglicht die Technologie, dass nun mehr
Menschen die Sprachdaten breiter nutzen können.
Ein besonderes Element der Sammlung sind die Tonaufnahmen, die Stimmen von
Nordfries:innen bewahren – von Erzählungen über den Alltag bis zu alten
Liedern. Diese digitalisierten Aufnahmen bieten nicht nur linguistische,
sondern auch kulturelle Einblicke. Aber viele der Aufnahmen sind alt, und
ihre Qualität variiert. Das kann die wissenschaftliche Nutzung durchaus
einschränken.
Auch den Austausch fördert die Wörterbuchstelle, durch Workshops und
Seminare, die Sprachwissenschaftler:innen und lokale
Sprecher:innen zusammenbringen. Solche Veranstaltungen beleben die
Diskussion über die Zukunft des Nordfriesischen, etwa durch Projekte in
Schulen oder digitalen Medien. Doch die Umsetzung dieser Initiativen
erfordert Ressourcen, die oft knapp sind, und der Erfolg hängt von der
Beteiligung der Gemeinschaften ab.
Zukunftsprojekte setzen nun auf künstliche Intelligenz, um Unterschiede
zwischen Dialekten präziser zu analysieren, und auf Kooperationen mit
Kultur- und Sozialwissenschaften, um die nordfriesische Identität besser zu
verstehen. Die Wörterbuchstelle steht dabei weiterhin vor der Aufgabe, ihre
wissenschaftliche Arbeit mit den Bedürfnissen einer immer weiter
schrumpfenden Sprechergemeinschaft in Einklang zu bringen – ein Wettlauf
mit der Zeit. Robert Matthies
14 Jul 2025
## AUTOREN
(DIR) Robert Matthies
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