# taz.de -- DFB-Elf ohne Giulia Gwinn: Gwinn bleibt Anführerin
       
       > Schock für die DFB-Auswahl: die eigentlich unersetzbare
       > Außenverteidigerin Giulia Gwinn kann verletzungsbedingt nicht mehr
       > weiterspielen. Was nun?
       
 (IMG) Bild: Giulia Gwinn – direkt verletzt beim ersten EM-Spiel
       
       Zürich taz | Unersetzlich darf der offiziellen Sprachregelung von
       Fußballteams nach natürlich keine Spielerin sein. Aber im Fall von
       [1][Giulia Gwinn] war im Vorfeld dieser Europameisterschaft von Expertinnen
       und Experten dann doch zu häufig zu hören, dass sie als rechte
       Außenverteidigerin eine Position im DFB-Team bekleide, auf der sie
       eigentlich nicht zu ersetzen sei. Nur hier, hieß es, fehle es an einer
       halbwegs adäquaten Alternative.
       
       Insofern kann man sich in etwa vorstellen, mit welch großer Herausforderung
       es die Verantwortlichen im DFB-Lager zu tun haben, um Zuversicht für die
       nächsten Spiele zu verbreiten. Denn seit Samstag ist klar, dass Gwinn bei
       dieser EM nicht mehr spielen wird. Zwar bleibt ihr das Schicksal eines
       dritten Kreuzbandrisses erspart, aber auch die diagnostizierte
       Innenbandverletzung am linken Knie, die sie sich [2][im Auftaktspiel gegen
       Polen zuzog], erfordert eine mehrwöchige Pause.
       
       Und man kann sich vorstellen, welcher Druck nun auf der erst 21-jährigen
       unerfahrenen Carlotta Wamser lastet. Auch wenn sie für ihren ersten
       forschen Einsatz als Gwinn-Stellvertreterin am Freitagabend reichlich Lob
       einstrich. Die große Frage ist, wie die gelernte Stürmerin gegen
       offensivstärkere Teams als Polen besteht.
       
       Nia Künzer, die Direktorin für Frauenfußball beim DFB, war die Erste, der
       die Aufgabe der Beschwichtigung oblag. Sie verkündete am Samstag: „Ich bin
       überzeugt von [3][diesem Team und diesem Team-Spirit]. Und natürlich wollen
       alle jetzt auch noch mal mehr für Giulia spielen.“ Am Sonntag verbreiteten
       Linda Dallmann und Sarai Linder reichlich Optimismus auf der
       DFB-Pressekonferenz.
       
       ## Gwinn jetzt Homeoffice-Kapitänin
       
       Die Stimmung, erklärte Linder gar, sei „an sich gut. Aber klar sind wir
       alle noch erschüttert und traurig was mit Giulia passiert ist.“ Für etwas
       bessere kollektive Laune hat die Nachricht gesorgt, dass sich Gwinn keine
       schlimmere Knieverletzung zugezogen hat.
       
       Eine Abschiedsbotschaft für die nächsten Tage hat die Kapitänin, die erst
       einmal ein paar Tage zur Behandlung in München sein wird, nicht formuliert.
       Aus Sicht von Linder ist das auch überhaupt nicht nötig: „Die Aufgabe von
       Giulia ändert sich ja nicht. Sie gehört immer noch dazu. Sie wird uns
       wahrscheinlich noch ganz viel mit auf den Weg geben.“ Das könne sie ebenso
       aus der Ferne machen. „Sie ist immer noch unsere Anführerin.“
       
       Beim DFB-Team hat man sich binnen kürzester Zeit so eine Art neues
       Jobsharing-Modell ausgedacht. Gwinn übernimmt das neue Amt der
       Homeoffice-Kapitänin. Janina Minge rückt als neue Kapitänin vor Ort in der
       Hierarchie ebenso auf wie Sjoeke Nüsken, welche die Vize-Aufgaben von Minge
       nun übernimmt. Für Mitspielerin Linder eignet sich Minge bestens für die
       Beförderung. „Sie ist eine sehr Ruhige, aber wenn was ist, kommuniziert sie
       mit dem Trainerteam. Sie wird das sehr gut umsetzen können.“
       
       Den schwersten Part aber hat Carlotta Wamser zu schultern. Sie soll Gwinn
       auf der rechten Außenbahn ersetzen. Und beim nächsten Spiel am Dienstag im
       Basler St. Jakob Park gegen Dänemark (18 Uhr) werden Millionen von
       deutschen Fußballfans genau schauen, wie die Spielerin von Bayer Leverkusen
       das meistern wird.
       
       ## Demonstrative Unbekümmertheit
       
       Die linke Außenverteidigerin Linder hat keinerlei Bedenken, dass ihr das
       gelingen wird. Tipps von ihr könne sie haben, bräuchte sie aber nicht. „Sie
       hat das gegen Polen so überragend gemacht, sie soll ihren Stiefel einfach
       weiterspielen. Durch ihre Art und ihren Spielwitz kann sie uns
       weiterhelfen.“ Schon in der Bundesliga habe sie Wamsers Spiel auffällig
       gefunden. „Jetzt ist sie halt von Anfang an dabei, warum nicht?“
       
       Mit demonstrativer Unbekümmertheit versuchen die deutschen
       Nationalspielerinnen Wamser den Druck zu nehmen. Dahinter ist auch eine
       Sehnsucht nach der Leichtigkeit zu spüren, die sich das Team vor der EM
       erspielt hatte. Die intensive Beschäftigung mit der Causa Gwinn hat in den
       vergangenen Tagen alles überschattet, auch den erfolgreichen Start in diese
       EM mit einem Sieg. Einem Fragesteller, der dies zur Sprache brachte, dankte
       Linder sehr.
       
       Am Mittwoch wurde Giulia Gwinn übrigens erstmals wieder mit Krücken und
       einer Bandage auf dem DFB-Trainingsplatz in Zürich-Buchlern gesichtet.
       Zeugen berichteten von Gesprächen mit ihren Mitspielerinnen, einschließlich
       Carlotta Wamser und einer Sonnenbrille.
       
       Linda Dallmann setzt in den nächsten Tagen auf den Effekt der Wagenburg im
       Krisenfall. „Das bringt uns als Team näher zusammen. Das ist vielleicht
       etwas Gutes“ Alle sind jetzt gefordert. Dallmann erklärte: „Wenn man ein
       Mann weniger ist, hat man mehr zu tun.“ Eine Wortwahl, welcher der Macht
       der Sprache, oder besser gesagt der Herrschaft der Sprachgewohnheiten
       geschuldet war. Wenn dem DFB-Team tatsächlich nur ein Mann fehlen würde,
       wäre die Stimmung bestimmt besser.
       
       6 Jul 2025
       
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 (DIR) Johannes Kopp
       
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