# taz.de -- Deutsche DFB-Auswahl vor der EM: Verlieben, verloren, vergessen, verzeihn
       
       > Bundestrainer Christian Wück hat einige Änderungen im DFB-Team der Frauen
       > vorgenommen. Es bleibt abzuwarten, ob sie die Euphorie von 2022
       > zurückholen.
       
 (IMG) Bild: Der EM-Kader der DFB-Frauen kurz vor dem großen Turnier in der Schweiz
       
       Es war einer der größten Tage für den Fußball der Frauen in Deutschland.
       Bis zu 22 Millionen Menschen wollten an jenem 31. Juli 2022 sehen, wie sich
       das DFB-Team im EM-Finale gegen England im vollbesetzten Wembley-Stadion
       schlägt. Deutschland war plötzlich Frauenfußballland. Das Finale ging zwar
       verloren, doch das Team wurde nach dem Turnier in Frankfurt von Fans voller
       Dankbarkeit empfangen.
       
       Die deutschen Auswahlspielerinnen dieser Tage würden wohl nur allzu gern an
       diesen Hype anknüpfen beim Turnier in der Schweiz, das für sie am Freitag
       in St. Gallen mit dem Spiel gegen Polen beginnt (21 Uhr, ARD). Doch da ist
       kein Hype mehr.
       
       Die Euphorie war nur ein Jahr nach der EM verflogen. Bei der WM in
       Australien und Neuseeland 2023, die das Team mit einer doch arg ungesunden
       Arroganz angegangen war, schieden die Deutschen nach der Vorrunde sang- und
       klanglos aus. Die Abwehr war anfällig, das Spiel mit Ball wenig
       strukturiert und die immer wieder auch hoch nach vorne fliegenden Bälle in
       die Sturmspitze wurden in der Hoffnung geschlagen, dass die
       durchsetzungsstarke Totalfußballerin Alexandra Popp es irgendwie schon
       richten würde.
       
       Im DFB hat man die Mängel nicht erkannt. DFB-Präsident Bernd Neuendorf
       hatte sich erst fürs Achtelfinale einen Flug nach Australien buchen lassen.
       Ein Vorrundenaus in einer Gruppe mit Südkorea, Kolumbien und Marokko hatte
       er sich nicht vorstellen können.
       
       ## Die Stimmung im Trainingslager ist bestens
       
       So etwas soll ihm nicht mehr passieren. In diesem Jahr möchte er das Team
       von Anfang an begleiten. Persönlich verabschiedete er dieses aus dem
       Vorbereitungscamp am Sitz des DFB-Ausrüsters in Herzogenaurach. Nun
       residieren die Deutschen in einem Nobelschuppen über Zürich, das sich
       selbst als „Zurich’s Hottest Luxury Resort“ bezeichnet. Natürlich heißt es
       aus dem Team, dass die Stimmung, die sich im Trainingslager aufgebaut hat,
       bestens sei.
       
       Wie kann das auch anders sein nach dem Auftritt von Schlageropa Wolfgang
       Petry bei einem Teamabend in Herzogenaurach? Das gab schöne Bilder für die
       Social-Media-Accounts der Spielerinnen. Und niemand redete mehr darüber,
       dass Bundestrainer Christian Wück, der die DFB-Bubis zu U17-Weltmeistern
       gemacht hatte und nun in [1][sein erstes Turnier als Cheftrainer der Frauen
       geht,] noch vor ein paar Wochen nicht unbedingt als großer Kommunikator
       aufgefallen war.
       
       Felicitas Rauch, über Jahre eine verdiente Spielerin, hatte sich öffentlich
       darüber beklagt, dass ihr Wück nicht mitgeteilt hat, warum er sie aus dem
       Kader für die zwei letzten Spiele vor der EM gestrichen hat. Als das Team
       unter Deutschlands Lieblingsauswahltrainer Horst Hrubesch im vergangenen
       Jahr Bronze bei den Olympischen Spielen holte, war sie noch dabei. Zur EM
       darf sie nicht.
       
       [2][Es ist eben einiges anders unter Christian Wück.] Hrubeschs Aufgabe war
       es, die Scherben zusammenzukehren, die seine Vorgängerin Martina
       Voss-Tecklenburg hinterlassen hat. Jetzt geht es um den Aufbau eines
       erfolgreichen Teams für die kommenden Jahre. Das muss ohne [3][die
       zurückgetretene Alexandra Popp] auskommen, ohne die langjährige
       Mittelfeldstrategin Lina Magull und ohne die langjährige Abwehrchefin
       Martina Hegering. Die Abwehrzentrale sollen nun Janina Minge und Rebecca
       Knaak bilden.
       
       ## Kapitänin in der Verteidigung
       
       Im Vorbereitungscamp hat Wück viel an den Abstimmung der beiden gearbeitet.
       Die ist wichtig, denn die schnellsten sind beide nicht. Und allzu oft war
       es in der Vergangenheit ein Pass in die Spitze, der reichte, um die
       Deutschen in Bedrängnis zu bringen. Umso glücklicher dürfte der
       Bundestrainer gewesen sein, dass es in den letzten beiden Partien vor der
       EM, den Nations-League-Erfolgen gegen die Niederlande (4:0) und gegen
       Österreich (6:0), mal kein Gegentor gegeben hat.
       
       Wie wichtig für ihn die Defensive ist, zeigt auch seine Entscheidung für
       Giulia Gwinn als Kapitänin. Die Rechtsverteidigerin, an deren Qualität es
       keinen Zweifel gibt, soll von hinten Einfluss auf das Spiel und das
       Engagement ihrer Kolleginnen nehmen und wird gewiss oft auch weit vorne
       auftauchen.
       
       Vor der Abwehr spielen die stabile Sjoeke Nüsken von FC Chelsea und Elisa
       Senß, die einen großen Anteil daran hat, dass sich Eintracht Frankfurt in
       der Elite des deutschen Frauenfußball etabliert hat. Wenn die beiden gut
       harmonieren, wird am Ende des Turniers vielleicht niemand mehr über Lena
       Oberdorf sprechen. Für die vielleicht beste Fußballerin des Landes kommt
       das Turnier nach einer Verletzung noch zu früh.
       
       Nach den zwei hohen Nations-League-Erfolgen macht sich wohl kaum einer
       Sorgen um die Offensive. Bayern Münchens Klara Bühl ist in einer Art
       Dauerhochform und Vereinskollegin Lea Schüller braucht zwar viele Chancen,
       weil ihr die aber in hoher Zahl geboten werden, trifft sie in beinahe jedem
       Spiel. Dass Jule Brand, die 22-Jährige, die schon 60 Länderspiele
       absolviert hat, viel am Ball kann, ist ebenso unbestritten, wie es keine
       Zweifel gibt ob der Spielmacherinnenqualitäten von Linda Dahlmann und Laura
       Freigang, für die auf der 10er-Position eine Art Jobsharing vereinbart ist.
       Weil dahinter eine Handvoll herausragender Ergänzungsspielerinnen stehen,
       gilt die Offensive als Prunkstück des Teams.
       
       Ob es glänzen kann, zeigt sich ab Freitag. Nach dem Spiel gegen Polen
       trifft Deutschland in der Vorrunde noch auf Dänemark und das
       Dauerspitzenteam aus Schweden.
       
       2 Jul 2025
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Andreas Rüttenauer
       
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