# taz.de -- Kindgerechte Ästhetik bei Waldorf?: Waldorf schafft Wohlfühlräume, allerdings für Erwachsene
       
       > Schön ist es und es riecht auch gut: Wer in Waldorfeinrichtungen kommt,
       > hat meist einen positiven Ersteindruck. Aber wer sorgt eigentlich dafür?
       
 (IMG) Bild: Malen nach Zahlen oder doch richtig kreativ? Aktivität beim Fest der Kulturen2019 in der Rudolf-Steiner-Schule in Witten
       
       Wer Waldorfeinrichtungen betritt, ist [1][meist angetan]. Es ist ordentlich
       geputzt und jahreszeitlich mit Liebe zum Detail dekoriert. Die Abwesenheit
       von Digitalem und die hochwertigen Naturmaterialien suggerieren eine
       heimelige Parallelwelt zu maroden öffentlichen Einrichtungen mit
       vernachlässigten Außenbereichen, stinkenden Klos und kaputter Technik. Der
       Waldorfstandard ist zeitaufwendig, teuer und lässt glauben: Die Kinder,
       sind uns nicht egal.
       
       Das fühlt sich beruhigend an. Wenn man allerdings der Frage nachgeht, wie
       Waldorfeinrichtungen das schaffen, wird es interessant. Denn wo kommen die
       benötigten Ressourcen her? Es ist die Pflicht zu [2][unbezahlter Arbeit]
       der ganzen Gemeinschaft.
       
       Zum einen sind es schlicht viele Stunden Elternarbeit: putzen, Wände
       streichen, Holz- und Näharbeiten, aber auch Kuchen backen und Feste
       organisieren, um zusätzliches Geld einzunehmen. Gleiches gilt für die
       Schüler*innen: Ich habe geputzt, geschliffen, Büsche geschnitten, einen
       Teich angelegt, Lampen zum Verkauf gebastelt, nach jedem Auftritt Spenden
       eingesammelt …Wie viel Familienarbeit in die Gebäude und das Gelände fließt
       – damit wäre jede andere Schule auch schön. Aber welche Eltern können und
       wollen das in dem Umfang leisten? Und wofür bleibt diesen Familien dann
       keine Zeit? Wir waren an Wochenenden oft in der Schule, statt vielleicht
       ins Schwimmbad zu gehen, und wir haben deutlich mehr für die Schule
       gebacken als für uns selbst.
       
       Aber auch [3][Waldorfklassenlehrkräfte] investieren bei oft deutlich
       geringerem Gehalt viel Zeit in die Selbstverwaltung der Schule, Unterricht
       ohne Schulbücher und ästhetische Gestaltung: mehr Konferenzen und
       Elternabende, Tafelbilder, Jahreszeitentische, einstudieren von
       Aufführungen (mit Bitte um Spenden im Anschluss), lange Textzeugnisse, jede
       Epoche inhaltlich vorbereiten, weil man sie nur alle acht Jahre
       unterrichtet …
       
       ## Primat des Ästhetischen
       
       Und wofür bleibt dann keine Zeit? Unterrichtsqualität? Die eigene Familie?
       Erholung? Individuelle Förderung von Kindern? Aber solange die Ästhetik
       stimmt, vermittelt sie Geborgenheit statt Ressourcenknappheit.
       
       Das Primat des Ästhetischen galt auch für meine [4][Epochenhefte]. Wie viel
       Zeit ich damit verbracht habe, die Seiten zu gestalten: Rähmchen,
       Überschrift farbig, Text von der Tafel abschreiben, das Blatt einfärben
       (entweder mit dem Wachsblöckchen oder später mit dem „Spitzerdreck“ der
       Buntstifte). Über Jahre täglich. Und wofür blieb bei so viel Aufwand in der
       Gestaltung keine Zeit? Üben und lernen zum Beispiel.
       
       Abgesehen davon ging es nie darum, was mir gefiel. Mich umgab eine
       Einheitsästhetik, die eigentlich durchgängig vorgegeben war. Und sind die
       Materialien, Formen und Farben überhaupt kindgerecht? Wo kommen Kinder und
       Jugendliche mit ihren ästhetischen Vorstellungen darin vor? Sowohl als
       Kohorte als auch als Individuen? Ich glaube, Waldorfeinrichtungen sind vor
       allem Räume, in denen sich Erwachsene wohlfühlen.
       
       Ich würde mir wünschen, dass wir als Gesellschaft den Räumen, in denen
       Kinder einen Großteil ihres Lebens verbringen, mehr Gestaltungsfreiheit und
       Ressourcen zur Verfügung stellen – egal ob Kita, Schule, Sportverein,
       Musikschule, Jugendclub, Spielplatz oder Park. Alle Kinder und Jugendlichen
       sollten in Räumen aufwachsen, die ihnen sagen: Ihr seid uns wichtig.
       
       16 Jun 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Waldorf-Weleda-Demeter-und-Co/!5638891
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 (DIR) [3] /Jede-Stunde-zaehlt/!6042102&s/
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Frau Lea
       
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