# taz.de -- Regierungsvorhaben in Großbritannien: Die Labour-Partei lockt ihre verlorenen Wähler
       
       > Großbritanniens Regierung will wieder Fuß fassen. Finanzministerin Reeves
       > kündigt massive Investitionen in Wohnungsbau, Atomkraft und Militär an.
       
 (IMG) Bild: Bewährungsprobe: Finanzministerin Rachel Reeves verlässt Downing Street auf dem Weg ins Parlament
       
       London taz | Die britische Finanzministerin Rachel Reeves hat am Mittwoch
       ihre [1][neue Ausgabenplanung] im Parlament vorgestellt. Großbritannien
       verändere sich, sagte sie, und „es geht darum, dass Menschen die
       Veränderungen in ihrem täglichen Leben, bei der Arbeit und in den Kommunen
       spüren können“.
       
       Denn elf Monate nach ihrem Wahlsieg steht die Regierung von Premierminister
       Keir Starmer in der politischen Defensive: Labour steht in den
       Meinungsumfragen bei nur noch 22 Prozent, die rechtspopulistische Reform UK
       von Nigel Farage bei 29 Prozent.
       
       Investitionen sollen das ändern. 39 Milliarden Pfund (46 Mrd Euro) sollen
       in das größte Bauprogramm für Sozialwohnungen und erschwinglichen Wohnraum
       seit einem halben Jahrhundert fließen, sagte Reeves. Das zweite größte
       Investitionsprogramm seit einem halben Jahrhundert ist nach ihren Worten
       [2][die Atomkraft] mit 30 Milliarden Pfund, davon 14 Milliarden allein für
       das umstrittene neue Atomkraftwerk Sizewell C.
       
       Das Bahn- und Transportwesen erhält umgerechnet 14 Milliarden Pfund für
       Projekte insbesondere im Norden und der Mitte Englands sowie in Wales. Mehr
       Geld für Wissenschaft und Forschung. Drei neue Haftanstalten mit 14.000
       neuen Gefängnisplätzen. 13.000 Polizeibeamte mehr. Mehr kostenlose
       Schulmahlzeiten. Die [3][Steigerung der Verteidigungsausgaben] auf 2,6
       Prozent des BIP bis 2027. Insgesamt sollen die Staatsausgaben
       inflationsbereinigt um 2,3 Prozent pro Jahr steigen, rief Reeves.
       
       ## Kontroverse Vorhaben, die nicht sofort greifen
       
       Das Problem mit den Investitionen ist, das sagen alle Beobachter:innen,
       dass sie die versprochenen Veränderungen eben nicht schnell spürbar machen.
       Nahezu alle Projekte erzielen ihre Ergebnisse erst später.
       
       Und im Einzelnen sind manche Vorhaben durchaus kontrovers. [4][Der Bau des
       Atomkraftwerks Sizewell C] wird von Umweltschützer:innen und
       Atomkraftgegner:innen seit langem angefochten, nicht nur wegen der
       Wahl eines von Küstenerosion und Flutwasser gefährdeten Ortes, sondern auch
       wegen der möglichen Langzeitkosten, zu denen sich die Regierung nicht
       äußert. Es gibt bis heute kein Endlager für radioaktiven Abfall im
       Vereinigten Königreich, während das Zwischenlager in der ehemaligen
       Wiederaufbereitungsanlage Sellafield leckt.
       
       Die geplante Erhöhung des Verteidigungsetats, das sagte Reeves selbst, wird
       durch Kürzungen des Etats für Entwicklungshilfe gegenfinanziert. Ansonsten
       habe sie im vergangenen Herbst die Steuern erhöht.
       
       Der konservative Schattenfinanzminister Mel Stride geißelte Reeves’
       Ankündigung als unfinanzierbaren „Corbyn-Katalog“ und prophezeite, im
       Herbst werde die Labour-Finanzministerin mit erneuten Steuererhöhungen
       ankommen. Die höheren Verteidigungsausgaben seien „Lug und Trug“, da
       Ausgaben für die Geheimdienste hineingerechnet würden.
       
       Schlagzeilen machte in den vergangenen Tagen bereits die vorab angekündigte
       politische Kehrtwende bezüglich der von Reeves [5][im vergangenen Jahr
       abgeschafften] staatlichen Winterheizkostenbeihilfe für Rentner:innen.
       Nachdem diese Kürzung bei Nachwahlen und Kommunalwahlen Labour immer wieder
       Stimmenverluste eingebracht hatte und Nigel Farage versprach, eine
       Reform-Regierung werde sie kippen, führt Finanzministerin die Zahlung nun
       wieder ein, allerdings nur für drei Viertel der Rentner:innen, deren
       Eigenkapital unter einer Vermögensgrenze liegt. Wo das Geld herkommen soll,
       ist nicht klar.
       
       Unzufrieden wird Innenministerin Yvette Cooper sein. Zahlreiche Vertreter
       der Polizei hatten in den letzten Wochen klar gemacht, dass man deutlich
       mehr Geld benötige. Doch in Reeves’ Plänen steigt Coopers Etat sogar unter
       dem Durchschnitt. So ernst ist die Lage, dass von einem möglichen Rücktritt
       Coopers die Rede ist – eine Veteranin der Ära Tony Blair.
       
       11 Jun 2025
       
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