# taz.de -- Streit zwischen Algerien und Frankreich: Auge um Auge, Diplomat um Diplomat
       
       > Algerien weist französische Diplomaten aus, Frankreich kündigt
       > entsprechende Gegenmaßnahmen an. Der Grund ist die Entführung eines
       > algerischen Influencers.
       
 (IMG) Bild: Da war die bilaterale Welt noch in Ordnung: Frankreichs Emmanuel Macron und Algeriens Abdelmadjid Tebboue im August 2022 in Algier
       
       Paris taz | Eine nur 48-stündige Frist zur Ausreise haben am Sonntag zwölf
       in Algerien stationierte französische Diplomaten bekommen. Damit reagierten
       die algerischen Behörden auf die Verhaftung von drei algerischen
       Staatsangehörigen in Frankreich, darunter ein algerischer
       Konsulatsangestellter. Wie in solchen Fällen üblich, hat Frankreich eine
       „angemessene“ Antwort auf diesen „bedauernswerten“ Beschluss angekündigt.
       
       „Wenn Algerien weiterhin darauf beharrt, unsere Beamten ausweisen zu
       wollen, bleibt uns nichts anderes übrig, als ähnliche Maßnahmen zu
       ergreifen“, erklärte am Dienstagvormittag der französische Außenminister
       Jean-Noël Barrot im Fernsehen.
       
       Damit entwickelt sich eine seit Monaten andauernde Verstimmung zwischen den
       beiden Ländern wieder zu einem Konflikt, obschon wenige Tage zuvor
       Staatspräsident Emmanuel Macron und Algeriens Staatschef [1][Abdelmadjid
       Tebboune] bei einem Telefongespräch eine Wiederannäherung und eine Einigung
       in gegenseitigen Streitfragen eingeleitet hatten.
       
       Algerien macht dafür den französischen Innenminister Bruno Retailleau und
       dessen Migrationspolitik verantwortlich. Der beschwert sich darüber, dass
       Algerien Staatsbürgern, die Frankreich als illegale Immigranten,
       gerichtlich verurteilte Straffällige oder Gefahr für die öffentliche
       Ordnung abschieben will, nicht die erforderlichen Papiere für die
       zwangsweise Rückführung ausstellt.
       
       ## Entführung eines algerischen Oppositionellen in Frankreich
       
       Anlass der derzeitigen Eskalation ist der Fall einer Entführung eines
       algerischen Oppositionellen in Frankreich vor einem Jahr. Amir DZ ist das
       Pseudonym eines 41-jährigen erklärten Gegners der algerischen
       Staatsführung, der als politischer Flüchtling in Frankreich lebt und dort
       als Influencer tätig ist.
       
       Die algerischen Behörden beschuldigen ihn, Kontakte zu einer
       „terroristischen subversiven Gruppe“ zu unterhalten, er wolle auch (in
       Algerien) „die Bürger zum bewaffneten Kampf gegen die staatliche Autorität
       anstiften“. Zwei Auslieferungsanträge wurden von Frankreich 2022 abgelehnt.
       
       Seiner Darstellung im Fernsehsender France-2 zufolge wurde er am 29. April
       2024 von vier Männern, von denen zwei eine Armbinde mit Polizeiaufschrift
       trugen, angehalten und mit Handschellen gefesselt. Als Erklärung der
       Festnahme habe man ihm gesagt, er werde zu einer Befragung durch einen
       „Offizier der Kriminalpolizei“ erwartet.
       
       Sehr schnell habe er dann aber bemerkt, dass er nicht auf ein Kommissariat
       gebracht wurde, sondern in eine Art Container, in dem er eingesperrt blieb.
       27 Stunden später sei er dann ohne Erklärung unweit einer Autobahn
       freigelassen worden.
       
       ## Einschüchterung oder gar Revanche?
       
       Handelt es sich bei dieser Aktion um einen brutalen Einschüchterungsversuch
       oder eventuell um eine Revanche für die Festnahme des in seiner Kritik an
       Frankreich vehementen Influencers Doualem, den das französische
       Innenministerium im Januar als Sicherheitsproblem erfolglos nach Algerien
       abschieben wollte?
       
       Die mutmaßliche Entführung von Amir DZ hat Konsequenzen. Denn die
       französische Justiz ließ aufgrund ihrer Ermittlungen rund ein Jahr nach dem
       Kidnapping drei mutmaßlich Beteiligte festnehmen. Einer davon war im
       algerischen Konsulat von Créteil bei Paris beschäftigt. Für Innenminister
       Retailleau stand damit fest, dass „die Verbindung mit Algerien belegt“ sei.
       Algerien drohte sofort mit einer diplomatischen Eskalation.
       
       Zu befürchten ist jetzt, dass wegen dieser Eskalation nicht, wie in Paris
       erhofft, der Schriftsteller Boualem Sansal (80) freigelassen wird. Er war
       im November bei einem Besuch in Algerien verhaftet und später [2][in einem
       Scheinprozess zu fünf Jahren Haft verurteilt] worden, weil seine Kritik am
       Regime und Äußerungen zu territorialen Streitpunkten bei der Unabhängigkeit
       Algeriens und Marokkos quasi als Landesverrat Anstoß erregte.
       
       Damit ist er aber nicht der einzige Spielball des Auf und Ab einer Krise
       zwischen Frankreich und Algerien, deren Ausgangspunkt bis auf den
       Kolonialismus und den Unabhängigkeitskrieg zurückgeht.
       
       15 Apr 2025
       
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