# taz.de -- Sensation im niederländischen Fußball: Triumph der Provinz
       
       > In den Niederlanden staunt man über den Pokalsieg der Go Ahead Eagles aus
       > Deventer. Im tiefen Osten des Landes kennt der Jubel kaum Grenzen.
       
 (IMG) Bild: Freude pur: Spieler der Go Ahead Eagles nach dem Pokalsieg
       
       Amsterdam taz | Das Wort „historisch“ ist im niederländischen Fußball
       strukturell fehl am Platz. Die Eredivisie wird in wechselnden Perioden von
       [1][Ajax Amsterdam] und der PSV Eindhoven dominiert, alle Jubeljahre
       durchbrechen Feyenoord Rotterdam oder [2][in ganz seltenen Fällen AZ
       Alkmaar] die Eintönigkeit. Auch den Pokal des Königlich-Niederländischen
       Fußball-Bundes hatten seit 2017 nur noch die großen Drei (Ajax, PSV,
       Feyenoord) gewonnen.
       
       Kaum etwas, das sich in diesem Wettbewerb ereignet, schafft die Aufnahme in
       die gerne zitierten „Geschichtsbücher“. An diesem Ostermontag war das
       anders: Beim Cup-Finale, traditionell im Rotterdamer Stadion De Kuip
       ausgetragen, gewannen im 123. Jahr ihrer Vereinsgeschichte erstmals die Go
       Ahead Eagles aus Deventer.
       
       Als nach dem Match gegen AZ Alkmaar, immerhin das, was man hierzulande
       einen „subtopper“ nennt und daher häufiger Gast in europäischen
       Wettbewerben, rotes und gelbes Konfetti in den Nachthimmel über
       Rotterdam-Süd geschossen wurde, bekamen sich die Kommentatoren schier nicht
       mehr ein über die „historische“ Leistung der Eagles: nach einer vergebenen
       Riesenchance in der 95. Minute zwei Minuten später mit der letzten Aktion
       des Spiels per Handelfmeter zum 1:1 ausgeglichen, um dann nach torloser
       Verlängerung das favorisierte AZ im Elfmeterschießen niederzuringen. Im
       Zentrum: der belgische Keeper Jari De Busser, der mit zwei parierten
       Elfmetern hintereinander den Cup nach Deventer holte.
       
       Deventer also. Ein Städtchen von etwas über 82.000 Bewohner:innen, tief im
       Osten der Niederlande, irgendwo zwischen Apeldoorn und der deutschen Grenze
       an den Ufern der Ijssel gelegen, einst zur Hanse gehörend, mit einer
       markanten Zugbrücke über den Fluss und überaus pittoreskem Zentrum. Eine
       Provinzschönheit in diesem Land, dessen metropol geprägter Westen den
       ländlichen Osten beherrscht, wirtschaftlich, politisch, fußballerisch. Die
       Großdemonstrationen der Bäuer*innen forderten diese Ordnung vor ein paar
       Jahren heraus. Die Go Ahead Eagles zogen nun auf dem Fußballplatz nach.
       
       ## „Wie ein WM-Finale“
       
       Am Tag danach feierten auch die Titelseiten den Pokal-Coup als
       „historisch“. Die Regionalzeitung De Stentor, Leitmedium der östlichen
       Niederlande, bot die ihre gar als gerahmte Sonderausgabe zum Kauf an und
       berichtete detailliert, „wie Deventer nach einem Abend voll Unglauben“, an
       dem „kein Bier mehr zu kriegen war“, erwachte. Für den Zustand der Stadt
       findet sie poetische Worte: „Wie ein Boxer, der sich am Rand des Rings von
       einem unerwarteten Sieg erholt. Aber niemand, der sich darum kümmert, denn
       sie haben den Pokal.“
       
       Nun ist es nicht so, als hätte Go Ahead, dessen regionale Aussprache als
       Kowet sich längst auf Spielkleidung und Merchandising der Rot-Gelben
       wiederfindet, nie etwas gewonnen. Die vier Meisterschaften jedoch fielen in
       die frühe Klubgeschichte. Seit 1933 war man titellos und fristete bis zum
       letzten Aufstieg in die Ehrendivision 2021 ein Dasein als
       Fahrstuhlmannschaft – auch wenn im heimischen „Adlerhorst“ genannten
       Stadion öfter Überraschungen gegen favorisierte Gegner gelangen. Höhepunkt
       des Daseins als heißgeliebter, aber peripherer Klub ist gemeinhin das
       Ijssel-Derby gegen das verhasste PEC Zwolle.
       
       Der aus Deventer stammende Schriftsteller [3][Özcan Akyol] setzte dessen
       tagelangen bacchanalischen Auswüchsen vor Jahren mit der Geschichte „Die
       Schlacht um die IJssel“ ein Denkmal in der literarischen Fußballzeitschrift
       Hard Gras. [4][Am Ostermontag veröffentlichte Akyol auf X Fotos von
       gelb-rot geschmückten Straßen], die an die „Oranje-Straßen“ während großer
       Turniere erinnern. „Es ist schwer zu erklären für Leute, die nicht in
       Deventer wohnen“, versuchte er es trotzdem. „Aber wir leben auf ein Spiel
       hin, das sich anfühlt wie ein WM-Finale.“
       
       22 Apr 2025
       
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