# taz.de -- Nach Stand-up-Show in Indien: Comedian soll für Witz büßen
       
       > Nach seiner Comedy-Show in Mumbai kassiert Kunal Kamra eine Strafanzeige.
       > Das wirft Fragen zur Lage der Meinungsfreiheit in Indien auf.
       
 (IMG) Bild: Plakate und andere Utensilien liegen nach der Plünderung vor dem Studio in Mumbai, in dem Kunal Kamra aufgetreten ist
       
       Mumbai taz | Dass im westindischen Mumbai Bulldozer im Auftrag der Behörden
       Gebäude abreißen, ist keine Seltenheit. Vor allem, wenn Baugenehmigungen
       fehlen. Dass aber kürzlich der Anbau eines Hotels, [1][in dem sich der
       Comedy-Club Habitat befand], von der Stadtverwaltung dem Erdboden
       gleichgemacht wurde, überraschte dann doch. Bereits zuvor hatte dort ein
       Mob Räume demoliert.
       
       Denn dort war [2][das Video „Neues Indien“ („Naya Bharat“)] des Komikers
       Kunal Kamra aufgenommen worden. Es sorgt seit seiner Veröffentlichung nicht
       nur für Lacher und Millionen von Klicks, sondern auch für den Teilabriss
       des Gebäudes – und für Strafanzeigen.
       
       Kamra hatte in seiner Show die Lage nach Indiens Parlamentswahlen vom
       letzten Jahr sowie die marode Infrastruktur in der Wirtschaftsmetropole
       Mumbai auseinandergenommen. Dabei nahm er Politiker:innen auf den Arm,
       unter anderem Maharashtras Ex-Ministerpräsidenten Eknath Shinde. Der
       36-jährige Kamra parodierte Shinde mit einem populären Hindi-Lied und
       bezeichnete ihn wegen der Spaltung von dessen hindunationalistischen Partei
       Shiv Sena vor zweieinhalb Jahren als „Verräter“.
       
       Kamra nannte Shinde nicht beim Namen, beschrieb ihn aber treffend als
       bärtigen Mann mit Brille, der einst Rikscha-Fahrer war. Das brachte Shindes
       Anhänger:innen auf die Barrikaden. „Du wirst aus Indien fliehen
       müssen“, drohte ihm ein Shiv Sena-Abgeordneter. Auch Uttar Pradeshs
       Ministerpräsident Yogi Adityanath von der Regierungspartei BJP wetterte:
       „Einige betrachten die Meinungsfreiheit als ihr Recht, das Land zu
       spalten.“
       
       ## Beistand von der Opposition
       
       Kamra erhielt daraufhin Strafanzeigen wegen Verleumdung und übler Nachrede.
       Das Musiklabel T-Series, das Rechte an einem Song hält, der in seiner
       Parodie als Melodie erkennbar ist, versucht, das Video blockieren zu
       lassen. [3][Die Lokalregierung, an der Shindes Shiv Sena beteiligt ist,
       fordert eine Entschuldigung.] „Es gibt Meinungsfreiheit, wir verstehen
       Satire – aber es sollte eine Grenze geben“, sagte Shinde, der heute
       Vize-Ministerpräsident ist.
       
       Teile der Zivilgesellschaft sammeln nun Geld für Kamras Prozesskosten. Auch
       aus der Politik kommt Unterstützung. Die Oppositionsabgeordnete Priyanka
       Chaturvedi meint: „Shindes Schläger haben Kamras Witz auf sich selbst
       übertragen – und ihm damit Recht gegeben.“
       
       In sozialen Medien kursieren zahlreiche Kommentare, die Kamra für seinen
       Mut feiern. „Wir danken Kunal Kamra, dass er sich für die Meinungs- und
       Medienfreiheit einsetzt“, sagte etwa die Journalistin Dhanya Rajendran.
       [4][Die Zeitung The Hindu warnt, der Vorfall sei „nicht nur ein Zeichen für
       wachsende Intoleranz“], sondern zeige, dass Vandalismus und offene
       Einschüchterungen zunehmen.
       
       „Soweit ich weiß, verstößt es nicht gegen das Gesetz, sich über Politiker
       und den Zirkus, den unser politisches System darstellt, lustig zu machen“,
       sagte Kamra. Er wolle mit den Behörden kooperieren, aber das Recht auf
       Meinungsfreiheit diene nicht dazu, Mächtigen und Reichen zu schmeicheln.
       
       Gerade in Mumbai ist Kamra für seine Beobachtungen, Wortspiele auf Hindi
       und pointierten Witze bekannt. Er muss geahnt haben, dass seine Parodie für
       Aufregung sorgen würde. Denn schon in der Vergangenheit waren seine
       Comedy-Shows in Nordindien wegen Drohungen abgesagt worden. Vielleicht ist
       er deshalb nach Südindien gezogen. Nun muss er sich demnächst in Mumbai den
       Behörden stellen. Angst vor einem Mob habe er nicht, sagt er. Stattdessen
       stellte er Drohanrufe online und nahm Kritiker:innen wie gewohnt auf
       die Schippe.
       
       27 Mar 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.hindustantimes.com/india-news/bmc-resumes-demolition-of-mumbais-habitat-studio-where-kunal-kamra-mocked-eknath-shinde-101742889899595.html
 (DIR) [2] https://www.youtube.com/watch?v=2PnbFqm1vUY&t=524s
 (DIR) [3] https://www.thehindu.com/news/national/maharashtra/maharashtra-government-seeks-kunal-kamras-apology-for-his-joke-on-shinde/article69370216.ece
 (DIR) [4] https://www.thehindu.com/opinion/editorial/no-country-for-comedy-on-stand-up-comedian-and-maharashtra/article69373546.ece
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Natalie Mayroth
       
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