# taz.de -- Angriff auf Oscar-Regisseur: Erst Siedlergewalt, dann Siedlerfinanzierung
       
       > Im Westjordanland greifen Extremisten den palästinensischen Filmemacher
       > Hamdan Ballal an. Tags darauf beschließt Israel einen weiteren Etat für
       > neue Siedlungen.
       
 (IMG) Bild: Der israelische Sicherheitsapparat wird ausgebaut, unwahrscheinlich jedoch das damit gegen rechte Extermist*innen und illegale Siedlungen vorgegangen wird
       
       Jerusalem taz | Rund ein Dutzend vermummter israelischer Siedler nähern
       sich nach Einbruch der Dunkelheit am Montagabend einem Auto in Susia
       südlich von Hebron im Westjordanland. Ein Mann, dessen Gesicht von einem
       weißen Tuch verdeckt wird, schleudert einen Stein auf die Frontscheibe,
       dann bricht das Video ab. Laut mehreren US-amerikanischen Aktivisten vor
       Ort galt der Angriff dem Haus des palästinensischen Regisseurs und
       [1][Oscar-Preisträgers Hamdan Ballal.]
       
       Dieser sei an Bauch und Kopf verletzt worden. Die Angreifer hätten die
       Scheiben seines Autos und sein Haus beschädigt. „Wir haben die Armee
       gerufen, doch als die Soldaten kamen, standen sie nur da und haben nichts
       unternommen“, sagt Jenna, eine der Aktivistinnen der NGO Center for Jewish
       Nonviolence, die das Video aufgenommen hat, am Telefon.
       
       Wenig später nehmen die Sicherheitskräfte den verletzten Ballal fest. „Er
       wurde die ganze Nacht an den Händen gefesselt und mit verbundenen Augen auf
       einem Armeestützpunkt festgehalten, während zwei Soldaten ihn
       verprügelten“, schreibt Ballals israelischer [2][Filmemacher-Kollege Yuval
       Abraham] am Dienstagmorgen. Am Nachmittag teilte Ballals Anwältin laut
       Medienberichten mit, er solle freigelassen werden.
       
       ## Gewaltsame Siedlerüberfälle an der Tagesordnung
       
       Die israelische Armee gab an, drei Palästinenser wegen mutmaßlicher
       Steinwürfe festgenommen zu haben, ebenso wie einen an der Konfrontation
       beteiligten israelischen Zivilisten.
       
       [3][Gewaltsame Siedlerüberfälle] sind im von Israel besetzten
       Westjordanland mittlerweile an der Tagesordnung. Der Angriff auf Ballal
       aber sorgt international für Aufmerksamkeit: Der Filmemacher hat erst
       Anfang März mit Abraham und zwei weiteren Kollegen den Oscar für den besten
       Dokumentarfilm gewonnen. „No Other Land“ erzählt von der schrittweisen
       Vertreibung der Gemeinden in Massafer Yata durch Siedlergewalt und die
       israelische Armee.
       
       Nach dem Hamas-Massaker am 7. Oktober 2023 und dem darauf folgenden Krieg
       im Gazastreifen hat die Gewalt extremistischer Siedler nie gekannte Ausmaße
       angenommen. Im August 2024 warnte der Chef des Inlandsgeheimdienstes Schin
       Bet, Ronen Bar, in einem Brief an Regierungschef Benjamin Netanjahu vor
       „jüdischem Terrorismus“. Eine Reihe von Sanktionen, die der vorige
       US-Präsident Joe Biden gegen einzelne Siedler verhängt hat, nahm sein
       Nachfolger Donald Trump mittlerweile zurück.
       
       Trotz dieser Entwicklungen will Israel künftig deutlich mehr Geld für
       Siedlungen ausgeben. Am Dienstag verabschiedete das Parlament den
       Staatshaushalt für das Jahr 2025, in dem der Etat des Siedlungsministeriums
       um mehr als das dreifache auf 391 Millionen Schekel (rund 100 Millionen
       Euro) steigt.
       
       ## Neuer Haushalt mit hohem Etat für Siedlungen
       
       Die Verabschiedung des mit 756 Milliarden Schekel (190 Milliarden Euro)
       größten Haushaltes in Israels Geschichte sichert zudem bis auf weiteres die
       politische Zukunft der in Teilen nationalistischen und ultrareligiösen
       Regierung. Die Zustimmung aller Koalitionsmitglieder aber hat seinen Preis:
       Neben dem Geldsegen für die Siedler ist auch ein zusätzliches Budget von
       rund einer Milliarde Schekel (250 Millionen Euro) für ultrareligiöse
       Thora-Schulen vorgesehen.
       
       Einsparungen soll es bei Geldern für Beschäftigte im öffentlichen Sektor,
       Projekte für LGBTQ und gefährdete Jugendliche geben. Den größten Posten
       bilden mit 110 Milliarden Schekel die Verteidigungsausgaben, das sind etwa
       4,9 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Mit großem Abstand folgen Bildung
       und Gesundheit. Oppositionsführer Jair Lapid nannte den Haushalt „den
       größten Diebstahl in der Geschichte des Landes“. Die Regierung raube „das
       Geld und die Zukunft der israelischen Mittelschicht“.
       
       Vor dem Parlament demonstrierten während der Abstimmung wie bereits in den
       vergangenen Tagen Tausende Menschen. Laut Medienberichten kam es zu
       Zusammenstößen mit der Polizei, die sechs Demonstranten festnahm. Das Land
       ist in Aufruhr, seit die Regierung binnen einer Woche zuerst den
       Waffenstillstand im Gazastreifen aufgekündigt und kurz darauf die Absetzung
       der Generalstaatsanwältin Gali Baharav-Miara und des Schin Bet-Chefs Bar
       eingeleitet hat.
       
       Die geplanten Entlassungen aber scheinen nur der Auftakt, den von der
       Regierung seit mehr als zwei Jahren vorangetriebenen und durch den Überfall
       der Hamas am 7. Oktober 2023 kurzzeitig unterbrochenen Justizumbau wieder
       aufzunehmen. Für Donnerstag ist zudem ein Parlamentsentscheid geplant, der
       der Regierung mehr Mitsprache bei der Besetzung der Richterposten am
       Obersten Gerichtshof des Landes gibt. Der Plan bedroht laut Kritikern die
       Gewaltenteilung und die Demokratie in Israel.
       
       25 Mar 2025
       
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