# taz.de -- Spitzenpolitikerin zieht sich zurück: Baerbock hat keinen Bock mehr
       
       > Nochaußenministerin Annalena Baerbock will keine Führungsrolle in der
       > Grünen-Fraktion einnehmen. Nach intensiven Jahren geht's einen Schritt
       > zurück.
       
 (IMG) Bild: Und tschüss: Annalena Baerbock, hier bei einem Wahlkampfauftritt Ende Februar in Hamburg
       
       Berlin dpa |/afp/taz | Annalena Baerbock möchte aus persönlichen Gründen
       keine Führungsrolle in der Grünen-Bundestagsfraktion einnehmen. Das geht
       aus einem Schreiben an die Fraktion und den Grünen-Landesverband
       Brandenburg hervor. Darüber berichtet der Spiegel, der Brief liegt auch den
       Nachrichtenagenturen dpa und afp vor. Baerbock war als neue
       Co-Fraktionschefin gehandelt worden.
       
       „Nach Jahren auf Highspeed“ habe sie ein paar Tage nachdenken wollen, „was
       dieser Moment für meine Familie und mich bedeutet“, so Baerbock.
       
       ## „Immer alles gegeben“
       
       Seit 2008 habe sie bei den Grünen politische Verantwortung getragen,
       schreibt die 44-jährige Baerbock. „In all dieser Zeit habe ich immer alles
       gegeben.“ Und weiter: „Zugleich hatten diese intensiven Jahre auch einen
       privaten Preis. Daher habe ich mich aus persönlichen Gründen entschieden,
       erst einmal einen Schritt aus dem grellen Scheinwerferlicht zu machen und
       mich für kein führendes Amt in der Bundestagsfraktion zu bewerben.“ Ihren
       Sitz im Bundestag hat Baerbock bereits angenommen. Beim Parteivorstand
       steht keine Wahl an. Baerbock betont: „Auch wenn die Rollen sich ändern,
       ist dies kein Abschied.“
       
       Im November hatten Baerbock und ihr Ehemann Daniel Holefleisch ihre
       Trennung bekanntgegeben. Für die beiden Töchter, die heute 9 und 13 Jahre
       alt sind, möchten beide weiter gemeinsam sorgen. Auch im gemeinsamen
       Zuhause in Potsdam wollte die Familie weiter wohnen.
       
       Derzeit ist Baerbock Außenministerin in der scheidenden rot-grünen
       Minderheitsregierung – ein Amt, das sie sehr gerne behalten hätte. Noch am
       Wahlabend war sie als wahrscheinliche neue Grünen-Fraktionschefin gehandelt
       worden, neben der amtierenden Katharina Dröge vom linken Flügel. Nun
       dürften Dröge und ihre Co-Vorsitzende Britta Haßelmann, die gerade erst
       kommissarisch im Amt bestätigt wurden, die Fraktion gemeinsam weiter
       führen. Beide stehen Baerbock nahe. „Mit zwei starken Frauen an ihrer
       Spitze beginnt jetzt ein neues Kapitel für unsere Fraktion“, schreibt sie.
       
       ## Baerbock und Habeck prägten die Grünen
       
       Bereits [1][am Tag nach der Bundestagswahl hatte Grünen-Kanzlerkandidat
       Robert Habeck seinen Rückzug aus der ersten Reihe angekündigt]. Baerbock,
       die ihn als Spitzenkandidatin unterstützt hatte, ließ sich mehr Zeit. Mit
       Habeck als Co-Parteichef hatte Baerbock die Partei zwischen 2018 und 2022
       breiter aufgestellt: Die Grünen sollten zu einer Art Volkspartei mit
       mehreren möglichen Koalitionspartnern werden.
       
       Auch nach ihrem Wechsel in Ministerämter blieben Baerbock und Habeck die
       dominierenden Köpfe ihrer Partei. „Wir haben heute fast 100.000 Mitglieder
       mehr als Anfang 2018, dem Zeitpunkt, an dem Robert Habeck und ich als
       Bundesvorsitzende gewählt wurden. Wir regieren weiter erfolgreich in sieben
       Bundesländern“, schreibt sie.
       
       ## Die erste Kanzlerkandidatin der Grünen
       
       Als erste Kanzlerkandidatin ihrer Partei hatte Baerbock die Grünen 2021 in
       den Bundestagswahlkampf geführt. Auf einen verpatzten Wahlkampf folgte ein
       Ergebnis, das im Vergleich zu den Umfragen einige Monate zuvor bescheiden
       ausfiel. Ihr Buch wurde nach Plagiatsvorwürfen schließlich nicht mehr
       gedruckt. In der Ampel-Regierung mit SPD und FDP wurde Baerbock
       Außenministerin und setzte auf feministische Außenpolitik, zum Stolz vieler
       Parteifreunde. Bei Parteitagen stritt sie für die von vielen Grünen
       kritisierte EU-Asylreform und setzte sich durch.
       
       Nach dem enttäuschenden Ergebnis von 11,6 Prozent bei der Bundestagswahl
       diskutieren die Grünen über Konsequenzen. Vertreter des linken
       Parteiflügels fordern unter Verweis auf Verluste an die Linkspartei eine
       liberalere Migrationspolitik und einen stärkeren Fokus auf soziale Themen.
       Realos hingegen betonen, dass gerade Habeck mit seinem Mitte-Kurs, der auf
       frühere Wähler von CDU-Kanzlerin Angela Merkel zielte, der Partei noch im
       Wahlkampf einen Mitgliederboom beschert habe. Zudem hätten die Grünen auch
       Stimmen an die Union verloren.
       
       ## Zum Abschied ein Ratschlag
       
       In ihrem Schreiben zählt Baerbock Punkte auf, die sie als Erfolg der Grünen
       in der ungeliebten Ampel-Regierung verbucht, darunter die Sicherung der
       Energieversorgung und Lockerungen beim Staatsbürgerschaftsrecht. „Und bei
       all dem sind wir anständig geblieben im Ampelstreit – trotz all der
       Zumutungen, die das Regieren uns als Partei abverlangt hat. Mein
       unendlicher Dank gilt Euch allen dafür, dass wir immer in der Sache hart
       gestritten und dennoch loyal und freundschaftlich miteinander sein
       konnten.“ Das Wahlergebnis und die Tatsache, dass die Grünen nicht mehr
       regierten, schmerzten. „Noch mehr treiben mich die rechtsextremen
       Ergebnisse um und der Backlash gegenüber allem Progressiven.“
       
       Den Grünen gibt Baerbock mit, sie würden die aktuellen Herausforderungen
       meistern, wenn sie auf ihren Erfolgen aufbauten und dazulernen wollten.
       „Denn in einer sich so rasant verändernden, ruchloseren Welt werden die
       Rezepte von gestern die heutigen Herausforderungen nicht lösen. Wir werden
       den Weg fortsetzen, die Sicherung unserer Freiheit vor Parteitaktik zu
       stellen. Wir werden uns immer wieder schütteln und uns klarmachen, dass in
       dieser turbulenten Welt unsere Rolle größer ist als wir selbst.“
       
       5 Mar 2025
       
       ## LINKS
       
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