# taz.de -- Nach der Bundestagswahl: Braucht Deutschland Robert Habeck nicht?
       
       > Seine Politik des Brückenbauens kommt an ihre Grenze, wenn andere
       > Politiker wie Markus Söder die Brücken täglich einreißen.
       
 (IMG) Bild: Hat emsige Hassproduktion ausgelöst, vor allem aber Sehnsüchte geweckt, dass doch noch was gehen könnte: Robert Habeck
       
       Die Krise besteht gerade in der Tatsache, dass das Alte stirbt und das Neue
       nicht zur Welt kommen kann. Sagte der gute alte Antonio Gramsci. Das ist
       eine präzise Analyse der Lage und der Bundestagswahl, wenn wir mit dem
       „Neuen“ eben nicht den rückwärts gerichteten Rechts- und Linkspopulismus
       meinen oder das „Politikwechsel“-Gerede der Union, sondern methodische
       Politik auf Höhe der großen Fragen; und Politiker, die willens und in der
       Lage wären, sich ernsthaft der Realität zu stellen, anders als es
       konservative und progressive Tradition will.
       
       Womit wir bei Robert Habeck sind.
       
       Da ich die 14,7 Prozent der grünen Kanzlerinkandidatin Annalena Baerbock
       2021 stets als „krachende Niederlage“ interpretiert habe, [1][kann ich
       Habecks 11,6 Prozent nun definitiv nicht schönreden]. Das ist, bei allem
       Wissen um die Rahmenbedingungen, ein Horrorergebnis. Die zentrale Frage
       für mich lautet: Ist damit der Versuch gescheitert, die gemütliche
       Politikkultur der alten Bundesrepublik durch eine neue Methode
       herauszufordern, die von den Problemen her denkt und die Lösungen nicht im
       Links-rechts, Entweder-oder und Weiter-so sucht? Geht das Gut-böse-Spiel
       jetzt erst richtig los, von dem am Ende nur die profitieren, die die in
       weiten Teilen liberal-emanzipatorisch vorangekommene Gesellschaft spalten
       und zerstören wollen?
       
       Habeck hat diese Woche bei der Ankündigung seines Rückzugs etwas gesagt,
       was erst mal lapidar oder beleidigt klingt. Aber es lohnt sich, darüber
       nachzudenken. Er sagte, das Angebot sei „top“ gewesen, aber „die Nachfrage
       nicht so dolle“. 700.000 Leute wechselten zur Linkspartei, 460.000 zur
       Union, sie hatten ihre Gründe, aber vielleicht stimmt ja trotzdem beides.
       
       ## Habeck war ein Verantwortungspolitiker
       
       Wie Obama hat Habeck emsige Hassproduktion ausgelöst, vor allem aber
       Sehnsüchte (und Ängste) geweckt, dass hier doch noch was gehen könnte. Er
       hat das eben nicht fundiert mit dem altgrünen „Gut wird’s, wenn alle das
       machen, was wir wollen“, sondern mit der Vorbereitung einer Neujustierung
       von zentralen Grundlagenfragen (Europa, [2][Verteidigung], Wirtschaft,
       Klima) und einer neuen Methode, die für die einen das wirklich
       Vorwärtsgehende ist, für Traditionalisten aber eine Zumutung: Er denkt
       nicht in „Parteiprogramm“, „Idealen“, „Machtworten“, „Disruption“ und so
       weiter, sondern stets in der Beschwörung von Kompromissen und Allianzen der
       Verschiedenen.
       
       Es sind verständliche Impulse, wenn Leute nichts mit Friedrich Merz zu tun
       haben wollen. Aber ein Verantwortungspolitiker, der die Gesellschaft
       zusammenhalten will und muss, kann diesen Gefühlen nicht nachgeben. Der
       Populismus ist nur zu überwinden, wenn schwierige Beziehungen zwischen
       Liberaldemokraten stabilisiert werden. Aber die Methode des Brückenbauens
       kommt halt an ihre Grenze, wenn Vögel wie [3][Markus Söder] ein auf
       kurzfristige Rendite angelegtes Geschäftsmodell daraus machen, die Brücken
       täglich einzureißen.
       
       Der Anspruch Robert Habecks ist es offenbar, durch ernsthafte
       Problembeschreibung und erwachsenes Umgehen mit den Widersprüchen der
       Wirklichkeit zunehmende Teile der Gesellschaft (und der Grünen) auch
       erwachsen zu machen. Dieses Prinzip, das Neue, konnte sich bei der Wahl
       nicht annähernd durchsetzen gegen konservative und progressive Nostalgie.
       Das ist die wahre Niederlage. Aber es hilft nichts: Es braucht dieses
       Prinzip, da wir nicht mehr um persönliche Haltungspunkte, sondern in den
       nächsten paar Jahren um Europas Freiheit kämpfen müssen. Mit Merz und nicht
       gegen ihn. Je wütender die Union dämonisiert wird, desto stärker wird die
       AfD. Das ist die strategisch schwierige Lage, gerade für die Grünen. Wie
       damit umgehen?
       
       Inzwischen merken zunehmend Leute, dass es – warum auch immer – nur einen
       Robert Habeck in der Politik gibt. Und ohne ihn keinen mehr.
       
       1 Mar 2025
       
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