# taz.de -- Müll in Buenos Aires: Mit Zitronenduft durch den heißen argentinischen Sommer
       
       > In Argentiniens Hauptstadt Buenos Aires wird versucht, Müllgestank mit
       > Duftstoffen zu überdecken. Dazu hört unser Autor bei der Hunderunde
       > Gespräche.
       
 (IMG) Bild: Von der sommerlichen Frische der Zitrone ganz überwältigt, oder doch der Sonne erlegen
       
       Neulich zieht mich meine Hündin Pinky beim Gassigehen mit aller Kraft in
       Richtung des Müllcontainers am Straßenrand. „Na, duftet er schon nach
       Zitrone?“, ruft jemand uns von hinten zu. Es ist das Herrchen mit dem
       Boxer-Rüden aus der Parallelstraße, der Pinky freudig begrüßt.
       
       „Warum sollte er?“, frage ich erstaunt zurück. Nun, weil der Bürgermeister
       angeordnet habe, dass alle 33.000 Müllcontainer in der Stadt mit
       Zitronenduft behandelt werden sollen, erklärt er mir. „Ab sofort soll
       Buenos Aires im Sommer nach Zitronen duften“, meint das Boxer-Herrchen.
       
       „Wir wissen, dass in den heißen Sommermonaten der Geruch von Müll
       intensiver sein kann als zu anderen Zeiten des Jahres. Deshalb ergreifen
       wir diese Initiative, um mögliche schlechte Gerüche aus den Müllcontainern
       zu neutralisieren“, erklärte der Minister für öffentlichen Raum und
       Stadthygiene.
       
       ## Intensives städtisches „Desodorierungsprogramm“
       
       Im Rahmen des „intensiven Desodorierungsprogramms“, wie es offiziell heißt,
       werden die städtischen Hygienemitarbeitenden mit einem
       16-Liter-Sprührucksack unterwegs sein, um die geruchshemmende Flüssigkeit
       Odormatic auszubringen, die zugleich einen frischen Zitronenduft verbreite,
       heißt es in der Verlautbarung.
       
       Er habe das gleich gegoogelt, sagt das Boxer-Herrchen und zeigt auf sein
       Handydisplay. „Die geruchshemmende Flüssigkeit basiert auf einer
       kombinierten Formel aus Enzymen, die die geruchsbildenden Bedingungen
       aufgrund der Zersetzung von organischen Verbindungen verändert“, liest er
       vor. Und fragt dann skeptisch: „Sollen wir ernsthaft glauben, dass der
       Bürgermeister dieses teure Zeug gekauft hat? Für mich ist das
       Wahlkampfgeklingel, der Jorge Macri greift doch nach jedem Strohhalm, um
       sich zu profilieren“.
       
       ## Machtkampf rechts der Mitte
       
       In der Hauptstadt Buenos Aires ist rechts von der politischen Mitte ein
       heftiger Machtkampf entbrannt. Der [1][Aufstieg des Libertären Javier
       Milei] hat das Gefüge im rechten Lager erschüttert. Der autonome Stadtstaat
       ist immer noch die politische Hochburg des konservativen Ex-Präsidenten
       Mauricio Macri und seiner Partei PRO. Aber es ist auch seine einzige
       verbliebene Bastion. Mauricio Macri war von 2007 bis 2015 Bürgermeister und
       sein Cousin Jorge Macri ist seit 2023 im Amt. Wenn im Juli die Hälfte der
       60 Abgeordneten des Stadtparlaments gewählt wird, könnte [2][Mileis Partei
       La Libertad Avanza] stärkste politische Kraft werden. Es wird der erste
       wichtige Urnengang vor den Teilwahlen zum Kongress im Oktober sein und ein
       landesweites Signal aussenden.
       
       Damit den Macris die Wähler nicht weglaufen, gibt sich der Bürgermeister
       nun das Image des obersten Saubermanns der Stadt. „Zuerst hat er die
       Obdachlosen vertrieben“, meint das Boxer-Herrchen. Vor Monaten wurden die
       Obdachlosen nachdrücklich aufgefordert, die Nacht in den Notunterkünften
       der Stadt zu verbringen oder die Stadt zu verlassen. Dann wurden die
       fliegenden Händler mit Razzien von den großen Plätzen vertrieben, und jetzt
       soll alles nach Limonen duften. „Es kommt noch so weit, dass er unseren
       Hunden wegen Geruchsbelästigung das Pipimachen verbietet“, schimpft er.
       
       „Das kann er gar nicht“, wirft ein Frauchen mit Pudel ein und gesellt sich
       zur Runde am Müllcontainer. Hundebesitzer seien ja auch Wähler, und
       [3][Präsident Javier Milei habe vier Hunde in der Präsidentenresidenz]. Und
       überhaupt – dieser charismafreie Stadtregierungschef könne sich neben dem
       Hans-Dampf-in-allen-Gassen-Präsidenten doch gar nicht profilieren, sagt
       sie. „Macri kann sich bei uns nicht den kleinsten Fehltritt erlauben, sonst
       wählen wir Mileis Kandidaten“, fügt sie hinzu.
       
       Es scheint, als habe Pinky genug von unseren Analysen und zieht in Richtung
       des kleinen Vorgartens an der Straßenecke. Dort blühen stets einige Blumen,
       es riecht nicht nach Müll oder falschem Zitronenduft. Dort schnüffelt sie
       gerne. Ich vermute, das liegt daran, dass hier geruchsmäßig jeder
       Vierbeiner aus unserem Viertel Pipi macht.
       
       10 Feb 2025
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jürgen Vogt
       
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