# taz.de -- Deutschlandbild in Japan: Starke Meinung ohne Ahnung
       
       > Oktoberfeste werden gefeiert, wie sie fallen, und deutsche Autos sind
       > immer noch beliebt. Bisweilen aber sind die Deutschen den Japanern zu
       > direkt.
       
 (IMG) Bild: Bier geht immer: Japaner lieben Oktoberfeste
       
       Japanische Zeitungsleser sind gut informiert über Deutschland. Alle großen
       Blätter berichteten vom Asylstreit im Bundestag. Einige japanische
       Korrespondenten in Europa hoben das Ende der deutschen [1][Liebe zu Angela
       Merkel] hervor. Ihre Politik der offenen Grenzen und die Energiewende fand
       das japanische Establishment eigentlich immer riskant, gesteht mir der
       frühere Deutschland-Korrespondent einer konservativen Zeitung. Das
       Wirtschaftsblatt Toyo Keizai suchte die Frauen nach Merkel und fand Alice
       Weidel und Sahra Wagenknecht, die man als politische Rechts- und Linksaußen
       porträtierte.
       
       Abseits der aktuellen Politik haben sich Japaner im letzten Jahrzehnt zwei
       kulturelle Sitten aus Deutschland angeeignet. Oktoberfeste, also auf Bänken
       sitzen, frisch gezapftes Bier trinken, Wurst essen und deutsche Volksmusik
       live oder als Konserve hören, gibt es nicht nur im Oktober. Ein Krug
       deutsches Bier ist dabei für japanische Verhältnisse genauso teuer wie beim
       [2][Originalfest in München]. „Ich liebe Deutschland“, ruft mir mein
       Tischnachbar auf einem Oktoberfest im Juli angeheitert zu.
       
       Auch Weihnachtsmärkte haben sich als Institution etabliert, nachdem viele
       Japaner sie bei Winterreisen nach Deutschland lieben gelernt haben.
       Glühwein heißt auf Japanisch Glühwein, nur eben Guryuuwain ausgesprochen.
       Auch Stollen gehören zu Japans Jahresende fest dazu. Alle besseren
       Bäckereien bieten selbst gemachten Stollen an, allerdings zu Mondpreisen.
       
       Ältere Japaner haben immer noch ein positives Deutschlandbild. Sie lernten
       Deutsch als Fremdsprache an der Universität und kennen noch die deutschen
       Einflüsse auf Japans Modernisierung am Ende des 19. Jahrhunderts. Deutsche
       Lehnwörter wie (Patienten-)Karte und Rucksack zeugen davon. Aber nach 1945
       hat sich das Land amerikanisiert. Jüngere Japaner orientieren sich an
       Kalifornien und in Europa blicken sie eher nach Frankreich als Deutschland.
       
       Das liegt wohl an der Offenheit der Franzosen für japanische Kultur. Vor
       allem teilen Japaner und Franzosen die Liebe zum Essen. Wer in Japan ein
       Restaurant aufmacht, bevorzugt die französische Küche. Der Chef im Lokal
       Lumière bei mir in der Nähe hat das Handwerk in Frankreich erlernt und
       seine Gerichte an den japanischen Gaumen angepasst. Deutsche Lokale gibt es
       in Japan kaum, außer Bier und Wurst fällt Japanern bei deutschem Essen
       nichts ein. „Mir hat eigentlich gar nichts geschmeckt“, berichtete mir eine
       jüngere Bekannte nach einer Deutschlandtour.
       
       „Made in Germany“ zählt aber immer noch viel. [3][Deutsche Autos verkaufen
       sich in Japan trotz hoher Preise sehr gut]. Aber im Geschäftsverkehr höre
       ich immer wieder von Kommunikationsproblemen. „Deutsche sprechen sehr
       direkt, fragen nach privaten Dingen und haben oft eine starke Meinung, ohne
       viel zu wissen“, beschwert sich ein japanischer Importeur. Aber in einem
       Punkt mag er die Deutschen: „Durch den harten Akzent ist ihre englische
       Aussprache so deutlich, dass ich sie viel besser verstehe als Amerikaner.“
       
       13 Feb 2025
       
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