# taz.de -- Nach Merz' Migrationsantrag: Eigentor beim Elfmeter
       
       > Eine kämpferische Zivilgesellschaft statt komatöser Duldungsstarre, Merz
       > zwischen Kamikaze und Akrobat und Trumps unerwartete Zweistaatenlösung.
       
 (IMG) Bild: Friedrich Merz zeigt sich siegessicher. Auch nachdem er die Brandmauer zur AfD eingerissen hat
       
       taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche? 
       
       Friedrich Küppersbusch: Uns drohen [1][insgesamt sieben Wahlduelle],
       Quartelle, ein Septett.
       
       taz: Und was wird besser in dieser? 
       
       Küppersbusch: FDP nur bei einem dabei.
       
       taz: Nach der Chaoswoche im Bundestag, in der Friedrich Merz und die CDU
       gemeinsam mit der AfD abgestimmt und die Brandmauer eingerissen haben,
       [2][gab es bundesweit Massendemos] mit Hunderttausenden Menschen. Macht
       Ihnen das Hoffnung? 
       
       Küppersbusch: Auf eine höhere Wahlbeteiligung, ja. Auf eine andere – nein.
       Nach den neuen Umfragen wollen alle alles wählen, am ehesten noch gewann
       die AfD hinzu. Demos vor Wahlen – 250.000 Menschen am Samstag in München
       etwa – sind eher selten. Immerhin: Vergleicht man die Reaktion der
       deutschen Zivilgesellschaft mit der komatösen Duldungsstarre der Amerikaner
       gegen Trumps Autoputsch, ist hier noch jemand wach.
       
       taz: Am Montag demonstrierte die CDU auf ihrem Parteitag [3][dann große
       Einigkeit] – weil alles andere so kurz vor der Bundestagswahl strategisches
       Kamikaze wäre, oder? 
       
       Küppersbusch: In der Bundestagsfraktion gab’s gerade noch ein dreckiges
       Dutzend unbeirrter Merkelianer – unter anderem bekundete Roderich
       Kiesewetter durch zweimaliges Fernbleiben, dass er eher nicht Merz’
       Verteidigungsminister werden wird. Die große Mehrheit unterstrich den Ruf
       der Union als „Kanzlerwahlverein“, zumal keine personelle Alternative
       drängt. Söder ist noch öder, Wüst nicht wüst genug. Merz wird von seiner
       Partei ins Amt getragen werden, das ist bei denen Tradition, siehe Kohl und
       Merkel.
       
       taz: Das Thema Migration scheint nicht nur CDU und AfD umzutreiben, sondern
       laut Umfragen auch die Bevölkerung hauptsächlich. Wird also alles gut, wenn
       Schwarz und Blau bald koalieren? 
       
       Küppersbusch: Die Union fordert die Streichung des individuellen Asylrechts
       aus dem Grundgesetz. Das teilen aktuell nur AfD und BSW. Im neuen Bundestag
       kann das Höckepack sich erneut einen Gruselspaß draus machen, den Vorschlag
       einzubringen und die Union an sich selbst verschmoren zu lassen. So war es,
       wenig beachtet, auch beim „Zustrombegrenzungsgesetz“ – Merz rannte ins
       Debakel, weil die AfD den Unionsantrag zur Abstimmung bringen wollte. Da
       brachte sich der Briloner Seniorsponti lieber gleich selbst um. Merz hätte
       einfach gar nichts machen müssen bis zur Wahl – und aus diesem Elfmeter ein
       Eigentor zu fabrizieren, ist schon akrobatisch. Jetzt wird er es schwer
       haben, ostdeutsche Begehrlichkeiten nach Rechtskoalitionen
       wegzuargumentieren.
       
       taz: Dann gab es ja noch so ein paar andere Meldungen, dass in Deutschland
       nämlich 550.000 Wohnungen fehlen oder dass sich knapp jeder zehnte
       Elternteil kein gesundes Essen für die Kinder leisten kann – aber wen
       interessiert das schon, oder? 
       
       Küppersbusch: Laut „ZDF-Politbarometer“ waren uns Frieden, Wirtschaft,
       soziale Gerechtigkeit noch vor Wochen wichtiger als das Thema Migration.
       Dann kippte die „Mitte“ gen AfD. Es ist, als würde man jede Woche auswärts
       bei Bayern München spielen, sich jedes Mal eine 5:0-Klatsche abholen, bis
       die eigenen Fans sagen: Ihr müsst halt mehr so spielen wie Bayern München.
       Indiz: Die Linke erfindet sich mit Themen wie „Wohnungsnot“ und „Soziales“
       ein Paralleluniversum – und legt zu. Heimspiel.
       
       taz: Auf globalem Maßstab sorgte US-Präsident Donald Trump für Ärger: Er
       verkündete den Plan, die Palästinenser:innen vom Gazastreifen
       umzusiedeln und dort unter US-Kontrolle die „Riviera des Nahen Ostens“ zu
       errichten. Mir fällt dazu keine Frage mehr ein, was fällt Ihnen ein? 
       
       Küppersbusch: Zweistaatenlösung, endlich. Leider Israel und USA. Trumps
       Landraub in Palästina hat verblüffende Ähnlichkeit mit Putins Ideen für
       mindestens Teile der Ukraine. Ist ein Nebenwiderspruch fürs
       Medienfeuilleton, doch wenn man wahrnimmt, wie das eine und das andere
       kommentiert wird, wäre journalistische Distanz eine jederzeit
       wünschenswerte Allzweckwaffe.
       
       taz: Zum Glück gab es neben dem ganzen Wahnsinn auch etwas Ablenkung: Der
       1. FC Köln hätte im Viertelfinale des DFB-Pokals fast die Sensation gegen
       den Nachbarn aus Leverkusen geschafft. Nach einem Vorsprung mit zwei Toren
       verloren die Ziegenböcke doch noch 2:3 gegen den Titelverteidiger. Woran
       ist das Wunder gescheitert? 
       
       Küppersbusch: Zwischen Derby und Karneval atmet Köln mal eben eine
       Bundestagswahl weg. Hoffe, die sind zwischendurch wach genug, an die Urne
       zu gehen.
       
       taz: Und was macht der RWE? 
       
       Küppersbusch: Ein Punkt zu Hause, zwei Plätze überm Abstieg jetzt. Die
       können alles außer langweilig.
       
       Fragen: Volkan Ağar
       
       9 Feb 2025
       
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