# taz.de -- Meduza-Auswahl 19. – 28. Dezember: Was Datenlecks über Russland verraten
       
       > Moskau schottet das Land ab, dennoch nehmen die Leaks von
       > Staatsdokumenten an Medien zu. Sie behandeln etwa Russlands Umgang mit
       > entführten ukrainischen Kindern.
       
 (IMG) Bild: Trotz allen Abschottens durch Präsident Wladimir Putin: Informationen finden ihren Weg in die Medien – auch in Russland
       
       Das [1][russisch]- und [2][englischsprachige] Portal Meduza zählt zu den
       wichtigsten unabhängigen russischen Medien. [3][Im Januar 2023 wurde Meduza
       in Russland komplett verboten]. Doch Meduza erhebt weiterhin seine Stimme
       gegen den Krieg – aus dem Exil. Die taz präsentiert seit 1. März 2023 unter
       taz.de/meduza immer mittwochs in einer wöchentlichen Auswahl, worüber
       Meduza aktuell berichtet. Das Projekt wird von der [4][taz Panter Stiftung]
       gefördert. 
       
       In der Zeit vom 19. bis zum 28. Dezember 2024 berichtete Meduza unter
       anderem über folgende Themen: 
       
       ## In Russland nehmen Datenlecks an Medien zu
       
       Da die russischen Behörden zunehmend Informationen aus dem öffentlichen
       Bereich zurückhalten, werden Datenlecks wichtiger denn je. In diesem Jahr
       beleuchteten durchgesickerte Dokumente Themen wie Moskaus
       Propagandakampagnen im In- und Ausland, den Tod des Oppositionsführers
       Alexej Nawalny, die bisher geheim gehaltenen Reisen des
       Telegram-Milliardärs Pawel Durow nach Russland, sowie Wladimir Putins
       angebliche Geliebte Alina Kabajewa. [5][Meduza fasst die Enthüllungen auf
       Englisch zusammen].
       
       Alina Kabajewa, Wladimir Putins angebliche langjährige Lebensgefährtin,
       reiste ab 2014 häufig in die Schweiz, wo sie Berichten zufolge das erste
       gemeinsame Kind des Paares zur Welt brachte. Aus denselben durchgesickerten
       Daten geht hervor, dass die ehemalige olympische Turnerin Kabajewa ab 2014
       wiederholt in die Schweiz reiste. Die von Agentstvo Media veröffentlichten
       Dokumente scheinen frühere Berichte des Wall Street Journal und anderer
       Medien zu bestätigen, laut denen Kabajewa 2015 in die Schweiz reiste, um
       Putins Sohn zur Welt zu bringen. Der Kreml bestritt das damals.
       
       Alexey Navalny zeigte in den Stunden vor seinem Tod wahrscheinliche
       Vergiftungssymptome. Die russischen Behörden entfernten dies aus den
       Dokumenten, die seiner Witwe übergeben wurden. Ende September meldete die
       investigative Nachrichtenseite The Insider, sie habe „Hunderte“ Dokumente
       im Zusammenhang mit dem Tod des Oppositionspolitikers Nawalny in einem
       russischen Gefängnis im Februar 2024 erhalten. Laut The Insider deuten die
       Dokumente darauf hin, dass die russischen Behörden aus ihren öffentlichen
       Erklärungen „absichtlich Erwähnungen von Symptomen entfernt haben, die
       nicht in die offizielle Version der Ereignisse passen“.
       
       Der Telegram-Gründer Pavel Durov besuchte Russland dutzende Jahre –
       allerdings heimlich. Denn seinem Heimatland hatte er öffentlich
       abgeschworen. Nur wenige Tage nach der Verhaftung Durovs Ende August in
       Paris stellten Journalisten von iStories anhand von durchgesickerten
       Grenzübertrittsdaten des russischen Föderalen Sicherheitsdienstes (FSB)
       fest: Durov war seit seinem Wegzug aus Russland im Jahr 2014 mehr als 50
       Mal nach Russland gereist.
       
       Auch zu verschleppten ukrainischen Kindern sind Dokumente durchgesickert:
       Die russischen Behörden ergreifen wohl umfangreiche Maßnahmen, um diese
       Kinder dazu zu bringen, ihr Heimatland zu vergessen. Die
       Meduza-Sonderkorrespondentin Lilia Japparowa hat Tausende von geleakten
       Dokumenten des russischen Verteidigungsministeriums studiert und mit
       Quellen innerhalb des Ministeriums gesprochen. Die russischen Behörden, so
       Japparowa, erklären den Kindern gezielt, dass ihre Eltern nicht kommen, um
       sie abzuholen – und dass Russland ihre Heimat ist.
       
       ## Wer steckt hinter den Brandanschlägen in Russland?
       
       Die Polizei macht ukrainische Betrüger für eine Welle von Brandanschlägen
       und Explosionen in Städten in ganz Russland vor den Neujahrsfeiertagen
       verantwortlich. Wie das unabhängige Medium Mediazona berichtet, erpressten
       Telefonbetrüger russische Bürger dazu, vom 13. bis 22. Dezember 34
       Brandanschläge zu verüben. Die Brandstifter hatten es in erster Linie auf
       Banken und Polizeiautos abgesehen. Aber auch Postämter und Behörden in
       Einkaufszentren wurden angegriffen. [6][Meduza berichtet dazu auf
       Englisch.]
       
       Nach Angaben des russischen FSB operierten diese Betrüger von der Ukraine
       aus und sollen sich oft als Bankangestellte oder Strafverfolgungsbehörden
       ausgeben. Sie überredeten ihre Opfer zunächst, Geld zu überweisen. Und
       zwängen sie dann, Brandanschläge zu verüben, um ihr gestohlenes Geld
       zurückzuerhalten. Ob unter Zwang oder nicht: Die Menschen, die die
       Anschläge begangen haben, werden nun wegen Terrorismus angeklagt – und
       könnten jahrelang hinter Gittern landen.
       
       Die Anschlagswelle begann am 13. Dezember, als ein Rekrutierungsbüro in
       Jekaterinburg in Brand gesteckt wurde. Der 21-jährige Dmitri Baranow hatte
       Berichten zufolge 3 Millionen Rubel (fast 30.000 US-Dollar) an Betrüger
       überwiesen. Die setzten ihn dann unter Druck, mehrere Molotow-Cocktails auf
       das Gebäude zu werfen – mit dem Versprechen, ihm sein Geld zurückzugeben.
       
       Die meisten Vorfälle ereigneten sich am 20. und 21. Dezember, als eine
       Reihe von Brandanschlägen und Explosionen Moskau, St. Petersburg und andere
       russische Städte erschütterten. Mediazona bezeichnet dies als die
       zweitgrößte Welle solcher Anschläge seit Beginn des russisch-ukrainischen
       Krieges. Zum ersten Mal waren auch Regierungs- und Postämter Ziel der
       Anschläge.
       
       ## Angst vor der Verlegung in die Strafkolonie
       
       „Du schläfst nicht gut, weil du ständig hörst, wie die Türen geöffnet
       werden: Ob sie dich abholen, ob sie deinen Namen rufen“, erinnert sich
       Elena (Name geändert) an ihre Zeit in Untersuchungshaft. [7][Meduza
       dokumentiert, wie dieses unmenschliche System organisiert ist: am Beispiel
       inhaftierter Frauen (russischer Text).]
       
       Elena saß im Herbst 2011 in einem Moskauer Untersuchungsgefängnis: Sie
       hatte ihren Mann getötet – um sich selbst zu verteidigen, wie sie sagt. Ihr
       Mann habe sie erstmals einige Tage nach der Hochzeit geschlagen. Seit 2010,
       kurz nach der Geburt ihres Sohnes, sei daraus systematische Prügel
       geworden. Das Gericht wertete Elenas Tat als „Mord vor dem Hintergrund
       unangenehmer persönlicher Beziehungen“.
       
       Im September 2012 wurde sie zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren
       verurteilt. Das Gericht lehnte es ab, die Strafe aufzuschieben, bis zur
       Volljährigkeit des Sohnes. Auch eine Berufung gegen das Urteil blieb
       erfolglos. Und Elena begann, sich auf die Verlegung in eine Strafkolonie
       vorzubereiten.
       
       „Gefangene sind während des Transports am stärksten gefährdet“, heißt es in
       einem Bericht, der 2017 von Amnesty International veröffentlicht wurde. Der
       Föderale Dienst für die Vollstreckung von Strafen ist für diesen Prozess
       zuständig. Er betrachtet alle Informationen über die Bewegung von
       Inhaftierten als geheim. Daher weiß niemand im Voraus über Termin, Strecke
       und Ziel Bescheid – weder der Gefangene selbst noch seine Angehörigen, noch
       die Verteidiger.
       
       ## Russland gegen Youtube: Die Fortsetzung
       
       YouTube wurde in den letzten zehn Jahren in Russland immer mehr zu einer
       Alternative zum linearen Fernsehen. Und nach dem Ausbruch des Krieges zu
       einer wichtigen Plattform für Oppositionspolitiker und unabhängige
       Journalisten, um Menschen im Land zu erreichen.
       
       Trotzdem begannen die Behörden erst 2024 mit der Sperrung von YouTube: Im
       Sommer wurde der Dienst im heimischen Internet verlangsamt, Mitte Dezember
       war er fast vollständig blockiert. [8][Meduza erklärt auf Russisch, wie
       diese Entscheidungen getroffen wurden] und was die russischen Behörden
       gegen Youtube noch in petto haben können. Und wie sich das auf die
       Einnahmen von Bloggern auswirken könnte – selbst von denen, die den
       Behörden gegenüber loyal sind.
       
       „YouTube ist nach wie vor eine feindselige Plattform, die absichtlich gegen
       die Gesetze unseres Landes verstößt. Und es gibt keine Garantie dafür, dass
       sie morgen nicht eine aggressivere Politik der Verbreitung illegaler Videos
       verfolgt“, sagte Anton Gorelkin, stellvertretender Vorsitzender des
       Ausschusses für Informationspolitik und Technologie der Staatsduma. Der
       Abgeordnete war jedoch der Meinung, dass „eine Sperrung von YouTube mehr
       schaden als nützen würde“ und forderte Russland auf, zunächst „eigene
       Alternativen zu entwickeln“.
       
       Aus diesem Grund entwickelten russischen Soziale Netzwerke eigene
       Plattformen, kauften mehr Inhalte – und verhandelten aktiv mit Bloggern. Im
       Jahr 2023 zahlte etwa das Portal VK Künstlern bis zu einer halben Milliarde
       Rubel für die Veröffentlichung ihrer Shows auf seiner Videoplattform. Das
       hat sich nun geändert: VK stellte Zahlungen wieder ein – auch an
       diejenigen, denen es kürzlich Geld versprochen hatte. „VK war bereit,
       Milliarden für Inhalte zu zahlen, solange es Geld gab. Das Problem ist,
       dass ihnen das Geld ausgegangen ist“, beschreibt ein ehemaliger Mitarbeiter
       des Unternehmens.
       
       Nach dieser kleinen Weihnachtspause erscheint Meduza ab der kommenden Woche
       wieder wie gewohnt jeden Mittwoch.
       
       28 Dec 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://meduza.io
 (DIR) [2] https://meduza.io/en
 (DIR) [3] /Russische-Medien-im-Exil/!5911767
 (DIR) [4] /!v=4269299f-23bb-40f2-a4ea-2b1b1ae40192/
 (DIR) [5] https://meduza.io/en/feature/2024/12/18/the-year-in-leaks
 (DIR) [6] https://meduza.io/en/feature/2024/12/23/police-blame-ukrainian-scammers-for-wave-of-arson-attacks-and-explosions-in-cities-across-russia-ahead-of-new-year-holidays
 (DIR) [7] https://meduza.io/feature/2024/12/23/sizo-neizvestnost-koloniya
 (DIR) [8] https://meduza.io/feature/2024/12/24/libo-idite-v-vk-libo-zanimaytes-chem-nibud-drugim
       
       ## AUTOREN
       
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