# taz.de -- Fossile Energie: Ist Flüssiggas noch klimaschädlicher als Kohle?
       
       > Die Crème de la Crème der LNG-Branche trifft sich zum Gipfel im Berliner
       > Edelhotel Adlon. Die Klimabewegung protestiert. Die Politik geht hin.
       
 (IMG) Bild: Um Erdgas per Schiff statt per Pipeline zu transportieren, muss es aufwendig verflüssigt werden
       
       Brüssel taz | Robert Howarth sagt es „nur ungern“, aber so lautet nun mal
       das Ergebnis seiner Untersuchungen: Weil Flüssigerdgas (LNG) viel
       klimaschädlicher ist als gedacht, hält es der Professor für Ökologie und
       Evolutionsbiologie an der US-amerikanischen Cornell University für
       sinnvoll, stattdessen „etwas Kohle zu verbrennen, um die kurzfristige
       Nachfrage zu befriedigen“.
       
       Gas schlimmer als der „Klimakiller“ Kohle? Howarths Studien über die
       Treibhausgaswirksamkeit von LNG entfachten Anfang des Jahres einen
       [1][„politischen Feuersturm“] (Financial Times) in den USA – und führten
       dazu, dass Präsident Joe Biden den Ausbau von Häfen für den Export von LNG
       stoppte.
       
       Der Methanexperte hatte den Ruf vom „klimaschonenden“ Gas als Mythos
       entlarvt: [2][Wenn man die Emissionen bei Förderung und Transport mit
       einrechnet, ist der Treibhausgasausstoß von LNG laut Howarth binnen 20
       Jahren um 33 Prozent höher als der von Kohle.] Besonders wenig
       umweltschonend ist Gas, das per Fracking, also durch enormen Druck, aus der
       Erde gepresst wurde – in den USA der Standard. Fracking bringe enorme
       Mengen des besonders klimaschädlichen Treibhausgases Methan in die
       Atmosphäre, fand Howarth heraus.
       
       In Deutschland halten dagegen viele LNG immer noch für eine
       „Übergangstechnologie“: Der grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck pumpt
       sogar Milliarden in den Ausbau der Flüssiggas-Infrastruktur, unter anderem
       für den Import aus den USA.
       
       ## Branchentreffen und Gegengipfel
       
       Der Branche geht es blendend, seitdem Wladimir Putins Truppen die Ukraine
       überfallen haben – und der Westen russisches Pipelinegas zu ersetzen
       versucht. Einer der Gründe, warum sich ab Montag in Berlin die Branche zum
       [3][„World LNG Summit“] trifft – 750 Chefs und Lobbyisten aus 50 Ländern
       kommen beim „Treffpunkt der globalen LNG-Industrie“ im Edelhotel Adlon
       zusammen. Ticketpreis: ab 4.000 Euro.
       
       KlimaaktivistInnen haben gleichzeitig zum [4][Gegengipfel] aufgerufen. Man
       wolle „den Gaskonzernen ihren Kongress vermiesen“, kündigt [5][das Bündnis
       mit Gruppen] wie Ende Gelände, Extinction Rebellion, Letzte Generation und
       Scientist Rebellion Aktionen an. „Sauberes Gas ist eine dreckige Lüge“,
       sagt Frida Egeling von Fridays for Future. Die Verdrängung von
       Kohleverstromung durch Gas helfe der Welt keineswegs, CO2-Emissionen zu
       verringern. Egeling betont: „Eine gute Zukunft gibt es nur ohne neue
       Gasprojekte.“
       
       Franziska Holz ist sowohl zum LNG-Gipfel als auch zur Gegenveranstaltung
       eingeladen worden. „Aber ich bin keine Aktivistin und arbeite auch nicht in
       der LNG-Industrie“, sagt die Energieexpertin am Deutschen Institut für
       Wirtschaftsforschung (DIW). Deshalb wird sie zu keinem der Events gehen.
       
       Die Forderungen der AktivistInnen kann die Wissenschaftlerin aber
       nachvollziehen: Sie hat den Bau der Terminals für das auf bis zu 164 Grad
       minus heruntergekühlte und für den Schifftransport verflüssigte Erdgas
       untersucht. Ergebnis: Habecks Politik sei „ein Risiko für die Energiewende
       in Deutschland“, sagt Holz.
       
       Dass ausgerechnet unter der Ägide eines Grünen nach den drei schwimmenden
       LNG-Terminals, die für etwa zehn Jahre geleast wurden, jetzt auch noch
       weitere fest installierte LNG-Stationen mit einer Lebensdauer von 20 oder
       mehr Jahren kommen sollen, torpediere die von der Bundesregierung für 2045
       angepeilte Klimaneutralität Deutschlands.
       
       ## Terminals kaum ausgelastet
       
       Denn: [6][„Die immer wieder zur Erklärung herangezogene Gasmangellage gibt
       es nicht“, betont Holz]. Die weggebrochenen Importe aus Russland könnten
       leicht kompensiert werden. Auch kurz vor dem Winter 2024/25 sind die
       Speicher prall gefüllt, selbst ein möglicher Bedarf von Nachbarländern wie
       Österreich oder die Slowakei sei gedeckt. Der einst angedachte Bau von 13
       Terminals, die in „einem historischen LNG-Rausch“ geplant worden seien,
       müsse gestoppt werden, urteilt das DIW.
       
       [7][Im zweiten Quartal 2024 sollen die deutschen Terminals nicht mal zur
       Hälfte ausgelastet gewesen sein.] „Wegen ineffizienter Mittelverwendung“
       hat die Deutsche Umwelthilfe (DUH) deshalb beim Bundesrechnungshof
       Beschwerde eingelegt. [8][Besonders das Terminal auf Rügen ärgert die DUH.]
       Dafür gibt der Bund 865 Millionen Euro, zudem eine Garantie über 1,9
       Milliarden Euro.
       
       Dadurch eingespeist wurden im vergangenen Jahr aber nur 1,3 Milliarden
       Kubikmeter Gas – also lediglich 1,5 Prozent des deutschen Bedarfs, schreibt
       die Umwelthilfe. „Niemand will es, keiner braucht es“, wütet DUH-Experte
       Constantin Zerger. Das Terminal auf Rügen sei „eine teure und unnötige
       Investitionsruine“. Insgesamt kamen 2023 gut 7 Prozent des deutschen Gases
       aus LNG.
       
       Es soll mehr werden. Der künftige Präsident Donald Trump will Bidens
       Baustopp für LNG-Projekte in den USA schnellstmöglich beenden. Das besorgt
       Fachleute. Denn: Das in den USA durch Fracking gewonnene Schiefergas
       verursacht besonders viel Methan, vor allem durch [9][Lecks]. Die entstehen
       bei Verflüssigung und Transport des Kraftstoffs per Tanker.
       
       „Zwar wird bei der Verbrennung von Kohle mehr CO2 freigesetzt als bei der
       Verbrennung von Gas, aber die Methan-Emissionen können diesen Unterschied
       mehr als ausgleichen“, sagt Methanexperte Howarth. Das Methan verflüchtigt
       sich zwar schneller in der Atmosphäre als Kohlendioxid, ist aber lange
       weitaus klimaschädlicher. Energieexpertin Holz wendet ein, Leckagen gebe es
       sicher auch in den Pipelines, die zum Beispiel russisches Gas
       transportieren. Aber: Genaue Zahlen gebe es nicht – „und wenn, sind das
       Momentaufnahmen“, sagt Holz.
       
       ## Verordnung betrifft nur Energiesektor
       
       Auch Stefan Wenzel ist zu LNG-Gipfel wie Gegengipfel eingeladen worden. Der
       parlamentarische Staatssekretär in Habecks Ministerium wird auch bei beiden
       Veranstaltungen auftreten. Er sagt nicht, dass die geplanten deutschen
       LNG-Terminals die Klimaziele infrage stellen. „Mittelfristig“, so Wenzel
       zur taz, werde „es voraussichtlich nur noch zwei feste Terminals geben, die
       dann auch für grüne Wasserstoffderivate genutzt werden sollen“.
       
       Immerhin: Den Klimakillereffekt von Methan bestreitet selbst die LNG-Lobby
       nicht mehr. Das Gas sei für „30 Prozent der Erderwärmung seit der
       Industriellen Revolution“ verantwortlich, heißt es in der Beschreibung von
       „Session 8“ im Hotel Adlon, einem Panel, das sich mit der
       EU-Methanverordnung beschäftigen soll.
       
       Diese verpflichtet die Konzerne zu regelmäßigen Checks auf Methanlecks und
       verbietet das Abfackeln in Öl- und Gasanlagen. Inzwischen haben sich 150
       Länder dazu verpflichtet, ihren Methanausstoß innerhalb dieses Jahrzehnts
       um 30 Prozent zu senken. Allerdings ist noch unklar, wie: Während die
       Gasindustrie im Hotel Adlon behauptet, die EU-Verordnung werde
       „nachhaltigen Einfluss auf die globalen LNG-Lieferketten haben“, raten
       KritikerInnen, genauer hinzuschauen.
       
       Die Verordnung betrifft nämlich nur den Energiesektor, der für rund 40
       Prozent der Methanemissionen verantwortlich ist. Hauptverursacher ist der
       Agrarbereich – Stichwort pupsende Kühe – mit rund der Hälfte. „Die Welt
       steuert auf eine Klimakatastrophe zu“, sagt Methanexperte Howarth. „Da LNG
       eine größere Auswirkung auf das Klima hat als jeder andere fossile
       Brennstoff, sollten wir ihn sofort weglassen.“
       
       9 Dec 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.ft.com/content/ae59729d-48f8-4b10-be3d-a41f7d13295b
 (DIR) [2] https://scijournals.onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/ese3.1934
 (DIR) [3] /LNG-Gipfel-in-Berlin/!6049106
 (DIR) [4] https://gasgipfel.de/
 (DIR) [5] https://gasgipfel.de/summit/
 (DIR) [6] https://www.diw.de/de/diw_01.c.916100.de/publikationen/wochenberichte/2024_41_4/der_lng-rausch_sollte_gestoppt_werden__kommentar.html
 (DIR) [7] https://www.energiezukunft.eu/wirtschaft/fluessigerdgas/klimaschaedliches-lng-dass-viel-kostet-und-nicht-gebraucht-wird
 (DIR) [8] https://www.nordkurier.de/regional/ruegen/geheime-lng-zahlen-aus-ministerium-zu-ruegens-terminal-bieten-sprengstoff-2975750
 (DIR) [9] /Lecks-in-der-Gas-Infrastruktur/!6039023
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Kai Schöneberg
       
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