# taz.de -- Analyse der US-Wahl: Illiberalismus zeigt sein autoritäres Gesicht
       
       > Was Donald Trump und Elon Musk an Herrschaft vorschwebt: Keine Regeln
       > zähmen die Mächtigen mehr. Sie planen den blindwütigen Abbau von
       > Regulierungen.
       
 (IMG) Bild: Keine Regeln, keine Grenzen zähmen die neuen Mächtigen mehr
       
       Nach der US-Präsidentschaftswahl im November wurde [1][Trumps Erfolg auch
       als Sieg über die Wokeness bezeichnet.] Wobei diese sehr diffus alles vom
       Antirassismus bis zu Transgender-Rechten umfasst. Eine stark verkürzte
       Sicht der Dinge.
       
       Denn die Opposition lautete nicht einfach: kapitalistische Rechte gegen
       woke Linke. Vor nicht allzu langer Zeit schien Wokeness noch durchaus
       vereinbar mit dem Big Business. Das Silicon Valley galt als Prototyp für
       diese Verbindung. Ebenso Turnschuhproduzenten, die mit Transmodels warben.
       Oder Brauereien, die sich mit schwarzen Aktivisten schmückten.
       
       Das, was heute als Wokeness verteufelt wird, galt also lange als Teil der
       liberalen Herrschaft – als Neoliberalismus mit menschlichem Antlitz
       sozusagen. Deshalb haben linke Kritiker diese Allianz auch immer
       denunziert. Ganz prominent Slavoj Žižek, für den Wokeness das liberale
       Feigenblatt einer ausbeuterischen Kapitalordnung war.
       
       ## Zuordnung wieder gekappt
       
       Die Links-rechts-Zuordnung ist hier also deutlich komplizierter. Umso mehr,
       seitdem diese Allianz auch teilweise wieder gekappt wurde. So hat etwa das
       Silicon Valley zunehmend davon Abstand genommen. [2][Namentlich die
       Tech-Milliardäre, der Deutsche Peter Thiel (schon seit Längerem) und der in
       Südafrika aufgewachsene Elon Musk (seit Neuestem)].
       
       Um diese Gemengelage einzuordnen, muss man sich in Erinnerung rufen: Der
       Liberalismus kennt drei Formen. Die ökonomische des heutigen
       Neoliberalismus. Die gesellschaftliche der heutigen Wokeness. Und die
       politische der liberalen Demokratie.
       
       Diese drei Formen zusammen bilden das gesamte Paradigma des Liberalismus.
       Was wir derzeit erleben, ist nicht das, was der Populismus meint: Keinen
       wirklichen Wechsel des Systems, sondern vielmehr eine Auseinandersetzung
       innerhalb dieses liberalen Paradigmas. Die Verbindung zwischen diesen drei
       Formen lockert sich – sie driften auseinander.
       
       ## Liberalismus, nackt
       
       So haben wir nun auf der einen Seite immer noch jenen Neoliberalismus, der
       alle Formen von Wokeness integriert und sich auf jene Form der Demokratie
       beruft, die dazu passt. Und auf der anderen Seite jenen ökonomischen
       Liberalismus, der all seine „Feigenblätter“, das woke ebenso wie das
       demokratische, abgeworfen hat – und der nun quasi als nackter Liberalismus
       auftritt.
       
       Solchermaßen entblößt, zeigt er sein anderes, sein autoritäres Gesicht.
       Denn nackter Liberalismus bedeutet vor allem eines: Keine Regeln, keine
       Grenzen zähmen die neuen Mächtigen mehr. Es bedeutet den Abbau von
       Regulierungen aller Art.
       
       Diese unmäßige und einseitige Steigerung von Liberalismus – diese seine
       Enthemmung bildet gewissermaßen den „liberalen Kipppunkt“: Das ist der
       Moment, an dem sich seine Entwicklung nicht nur rasant beschleunigt,
       sondern auch seine Richtung wechselt. Wo er sich also in sein Gegenteil
       verkehrt.
       
       ## Lustvoller Bruch
       
       Wo Liberalismus eben in Illiberalismus kippt. Dies zeigt sich bei jedem von
       Trumps Schritten. [3][Exemplarisch etwas bei den irrwitzigen Nominierungen
       für sein Kabinett. Dies ist kein Austausch von Politikpersonal im
       herkömmlichen Sinne.] Trump zelebriert vielmehr lustvoll einen Bruch mit
       allen bisherigen Kriterien zur Besetzung von politischen Ämtern. Eine
       höhnische Verkehrung des Bewertungssystems. Eine regelrechte Umwertung
       aller politischen Werte.
       
       Das neue zentrale Kriterium ist nicht nur die viel zitierte Loyalität zu
       Trump. Das Motto lautet zudem: „Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist
       der Ungeeignetste im ganzen Land?“ Ein Unterbietungswettbewerb! Hier gilt
       die Antikompetenz, das Gegenteil von Kompetenz als das neue entscheidende
       Kriterium. Indem das politische Establishment und der demokratische Betrieb
       solcherart unterlaufen werden, wird dem gesamten Gefüge – das bislang
       zumindest in Teilen auf Rationalität beruhte – der Kampf angesagt.
       
       Ein disruptiver Umbau. Denn ebendieses Gefüge gilt den Trumpisten als
       illegitimer Deep State, als Staat im Staate, der durch solche irrwitzige
       „Anti-Logik“ ausgehebelt werden soll. Der bloß ökonomische Liberalismus
       killt damit das Politische im bisherigen Sinne. Wenn man bedenkt, dass
       Trump vorwiegend von Arbeitern gewählt wurde, dann muss man sagen: Das ist
       Klassenkampf als böse Parodie. Eine Revolution als Farce.
       
       Die Autorin ist Publizistin in Wien
       
       23 Dec 2024
       
       ## LINKS
       
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