# taz.de -- Theater über Fremde und Freundschaft: Es war einmal ein Migrationshintergrund
       
       > Machtkampf im Einwanderungswald: Das Theater Bremen bringt das Kinderbuch
       > „Funklerwald“ auf die Bühne.
       
 (IMG) Bild: Waschbär und Luchsin sind im Funklerwald auf der Suche nach Gesellschaft
       
       Da sind Fremde im Wald und die Tiere haben Angst. Nicht weil’s ihre
       Fressfeinde wären oder weil die invasive Art langfristig die
       Nahrungsgrundlage untergrübe – sondern weil die „Kratzer“, wie gesagt, eben
       Fremde sind. Nein, es braucht nicht viel Fantasie, um die (menschlichen)
       Gesellschaftsfragen auszumachen, die [1][Stefanie Taschinskis Kinderbuch
       „Funklerwald“] da im Visier hat. Und auch auf der Bremer Theaterbühne, für
       die Regisseurin Jorinde Dröse und Dramaturgin Regula Schröter den Stoff
       bearbeitet haben, kapieren offensichtlich auch die ganz Kleinen, was hier
       auf dem Spiel steht: „Das stimmt nicht“, „Neiiiin“ und „Der Fuchs kommt“
       schallt es häufiger mal vom Parkett.
       
       Man fühlt nämlich mit: Der frisch eingewanderte Waschbär Rus (Ruben Sabel)
       hat schließlich seinen Wald an eine Naturkatastrophe verloren und die
       heimische Luchsin Lumi (Mirjam Rast) ganz früh schon ihre Mutter, die nun
       als Geist über den Video-Sternenhimmel wandert. Ein bisschen traurig ist
       das, aber auch sehr schön, weil der von Susanne Schuboth gestaltete
       Bühnenwald eben nicht nur dem Namen nach funkelt, sondern auch sonst einen
       heimelig magischen Ort abgibt.
       
       Kletterwände, Rampen, wunderschönes Licht, unaufdringliche Animationen und
       pointierte Livebilder aus dem Inneren der Tierbauten sorgen dafür, dass es
       immer was zu entdecken gibt. Und dafür, dass die Quests der Jungtiere auch
       ohne Umbauten tatsächlich durch unterschiedlichste Landschaften, Szenen und
       Stimmungen führt.
       
       Magisch ist auch die Lösung des Problems: Man ritzt das Zeichen der neuen
       Tiere in einen alten Zauberbaum und – zack – werden sie heimisch und ihre
       eigenen Bäume beginnen im ganzen Wald zu wachsen: diesmal etwa die Walnuss
       der Waschbären.
       
       ## Finde dich selbst
       
       Dass dieser mystische Gesellschaftsvertrag einer Einwanderungsgesellschaft
       aber eben auch eingehalten und gelebt werden muss, ist nun die Geschichte:
       Der Fuchs (Alexander Swoboda) schürt Ängste, die mit ganz eigenen
       Machtinteressen einhergehen. Er will nämlich Waldchef werden und muss dafür
       selbst ran an den Waldverfassungsbaum. Na ja, und weil sich so was in all
       seiner Schlichtheit nun auch auf Straßen und in den Wahlkabinen der
       Echtwelt niederschlägt, müsste man schon arg abgebrüht sein, um das für
       plump zu halten.
       
       Und so richtig agitatorisch oder gar sozialpädagogisch gerät das
       Kinderstück dann auch wirklich nicht. Dafür werden die Figuren ausnahmslos
       viel zu vielschichtig gespielt: sind zu echt, zu lebensnah und zu bockig.
       [2][Lars Wittershagens Musik] lässt ohne Pathos und Tränendrüse die
       Gedanken frei, selbst der Gesangseinlagenschmelz entwickelt die Charaktere
       eher, als sie irgendwie auf Linie zu bringen.
       
       Manchmal muss man sich selbst finden, um wirklich bei den anderen zu sein.
       Vielleicht ist das die eigentliche Geschichte im Funklerwald. Und ob das
       wirklich alle schon wissen, wäre auch in der Erwachsenenwelt erst mal zu
       beweisen.
       
       16 Nov 2024
       
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