# taz.de -- Putins Atomdrohungen: Angst auf allen Seiten
       
       > Die einen werden als „Putinknechte“ beschimpft, die anderen als
       > „Kriegstreiber“. Aber die Furcht vor einem dritten Weltkrieg treibt beide
       > Seiten um.
       
 (IMG) Bild: Der Alptraum vom Ende der Welt, wie wir sie kennen
       
       Wer in den 80er Jahren politisiert wurde, kennt sie noch zur Genüge: die
       Angst vor dem Dritten und mutmaßlich atomaren Weltkrieg. Jetzt ist sie
       wieder da, und sie wird täglich lauter geschürt. Vor allem, aber nicht nur
       von Putin und seinen immer neuen Nukleardoktrinen.
       
       Obwohl allen sonnenklar ist, dass Putin aus taktischem Kalkül mit voller
       Absicht auf diese tief sitzenden Ängste setzt, um [1][den Westen
       einzuschüchtern,] fällt es den meisten Menschen schwer, damit rational
       umzugehen. Wie auch? Da es sich bei Angst um ein Gefühl handelt, lässt sie
       sich nur sehr begrenzt vom Kopf steuern. Und da niemand wissen kann, was
       noch passieren wird, lassen sich Ängste nicht einfach ausräumen. Die einen
       sind weniger anfällig für Sorgen, die anderen mehr.
       
       Ob sie berechtigt sind, lässt sich nicht mit Fakten widerlegen, da über die
       Zukunft leider keine Fakten vorliegen. Was aber folgt daraus? Zunächst
       einmal vielleicht die Einsicht, dass in den Debatten über die möglichen
       Risiken im Kampf gegen Russland keine Seite eindeutig recht hat. Die
       Befürworter und Gegner von verstärkten Waffenlieferungen an die Ukraine
       können höchstens Wahrscheinlichkeitsrechnungen versuchen.
       
       ## Schwierige Abwägungsfragen
       
       Die einen befürchten, dass [2][Putin mit einem Atomschlag reagieren werde],
       wenn ihn der Westen zu sehr in Bedrängnis bringt. Die anderen halten das
       für übertrieben ängstlich und beschuldigen die Besorgten, vor Putins
       Drohgebärden einzuknicken und die Ukraine damit im Stich zu lassen. Aus
       ihrer Sicht sind [3][sogar Landminen legitim,] um Putins Aggression
       abzuwehren. Wenn sie ehrlich wären, müssten allerdings auch die härtesten
       Verteidiger der Ukraine zugeben, dass auch sie nicht ganz ohne Angst vor
       einer Eskalation agieren. Sonst hätte die Nato längst direkt eingegriffen
       oder Kyjiw erlaubt, Moskau zu bombardieren. Wann genau das Risiko zu groß
       wird, weiß und sagt deshalb niemand.
       
       Auch die Aufrüstungsbefürworter appellieren selbst an Ängste – vor
       Angriffen [4][Putins auf Nato-Länder], wenn er nicht in der Ukraine
       aufgehalten wird. Die Aufrüstungsgegner wiederum halten diese Angst für
       übertrieben, haben aber keine Antwort auf die Frage, wie Putin ohne
       militärische Mittel abgeschreckt und wie die Ukraine sonst vor der totalen
       Besetzung geschützt werden kann.
       
       All das sind schwierige Abwägungsfragen. Nur eins ist sicher: Um gegen
       Putin bestehen zu können, müssen die Demokratien demokratisch bleiben,
       unterschiedliche Einschätzungen zulassen und respektieren. Kampfbegriffe
       wie „Kriegstreiber“ und „Putinknechte“ tragen nur zur Spaltung bei, die
       sich der Aggressor Putin wünscht.
       
       20 Nov 2024
       
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