# taz.de -- Fußball-Nationalelf auf der Erfolgswelle: Mit Geist und Gier
       
       > Die DFB-Auswahl fertigt Bosnien-Herzegowina mit 7:0 ab. Vorbei sind die
       > Zeiten, in der man über die deutschen Kicker gelacht hat – schade
       > eigentlich.
       
 (IMG) Bild: Letzter Streich: Tim Kleindienst erzeilt das 7:0 gegen Bosnien-Herzegowina
       
       Berlin taz | Jetzt übertreiben sie es aber. Sieben Tore! Schon klar, der
       Gegner ist jetzt nicht wirklich eine Spitzenmannschaft. Auf Platz 74 der
       Weltrangliste steht Bosnien-Herzegowina – knapp vor Montenegro, Bahrain und
       Honduras. Es ist noch gar nicht lange her, da hätte man davon ausgehen
       könne, dass dies eine ideale Konstellation für eine wunderbare Blamage der
       DFB-Elf ist. Die Zeiten sind vorbei.
       
       Mit 7:0 gewann die Auswahl von Julian Nagelsmann gegen völlig konsternierte
       Gäste am Samstagabend in Freiburg. „So ein Tag, so wunderschön wie heute
       …“, schallte es durchs Stadion und auch das höchste Lob, das man in
       Deutschland aussprechen kann, war nur allzu berechtigt nach dieser Partie,
       mit der die DFB-Auswahl den Sieg in der Nations-League-Gruppe A3
       sichergestellt hat: Da kann man nicht meckern.
       
       Schade eigentlich. Es hatte schließlich durchaus etwas schaurig Schönes zu
       beobachten, wie hilflos und arrogant zugleich die Nationalmannschaft seit
       der WM in Russland durch Turniere und Testspiele getapert ist. Was wurde
       noch vor einem Jahr gelacht, als sich das Team mit skurrilen Aufstellungen
       in den Partien gegen die Türkei und Österreich blamiert hatte. Da stand
       auch schon Julian Nagelsmann an der Linie und war [1][vom Hoffnungsträger
       beinahe schon zur Witzfigur] abgestiegen, weil er die Idee hatte, den
       Kreativspieler Kai Havertz als Schienenspieler mit Außenverteidigeraufgaben
       auszustatten.
       
       Es war eine irre Zeit, in der man sich darauf verlassen konnte, dass
       nichts, aber auch gar nichts klappt, was der DFB mit seiner
       Nationalmannschaft anpackt. Unterhaltsam war das allemal. Und wenn auf dem
       Platz gerade keine Horrorshow abgeliefert wurde, dann blamierten sich
       andere für den DFB.
       
       Der Ausrüsterwechsel von Adidas zu Nike, der 2027 vollzogen werden soll,
       sorgte für Empörung bei der sogenannten politischen Elite im Land. [2][Ein
       Satz von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck] lieferte dabei eine der
       größten Pointen in dieser großen, deutschen Fußballcomedy, über die sich
       Fußballland jahrelang bestens amüsiert hat: „Da hätte ich mir ein Stück
       mehr Standortpatriotismus gewünscht.“ Was haben wir gelacht!
       
       ## Völlig losgelöst
       
       Heute lacht niemand mehr. Völlig losgelöst von jeder Kritik eilt die
       Nationalmannschaft von Spiel zu Spiel. Nur einmal hat sie in diesem
       Kalenderjahr verloren. Die Viertelfinalniederlage bei der Heim-EM gegen den
       späteren Titelträger Spanien war das wahrscheinlich beste Spiel, das eine
       deutsche Nationalmannschaft in den vergangenen zehn Jahren auf den Platz
       gebracht hat.
       
       Mit Toni Kroos durfte sich ein echter Weltfußballer noch einmal im
       Nationaltrikot zeigen. Und als der dann seine Karriere beendet hat, segelte
       die Auswahl weiter auf einer Erfolgswelle, wie man sie lange nicht gesehen
       hatte. Dabei ist es beinahe völlig egal, wen der Bundestrainer auf den
       Platz schickt. Auch wenn die Wunderbubis Jamal Musiala und Florian Wirtz
       mal nicht können, läuft es.
       
       Sogar der Gladbacher Tim Kleindienst, von dem man nicht wirklich wusste, ob
       er gut Fußball spielen kann, steht nun goldrichtig im Angriffszentrum. Und
       wenn sich gerade wirklich kaum mehr einer findet, der nicht angeschlagen
       ist, dann wird ein gewisser Jamie Leweling vom VfB Stuttgart mal eben zum
       Matchwinner.
       
       Inzwischen hört man Nagelsmann beinahe schon ehrfürchtig zu, wenn er
       spricht. Über den „Geist der Mannschaft“ hat er sich gefreut nach dem 7:0
       gegen Bosnien-Herzegowina und über die „Gier“, die er schon [3][beim
       jüngsten Erfolg gegen die Niederlande] gelobt hatte. Selbst jener
       Wettbewerb in der Nations League, für den sich hierzulande lange niemand
       interessiert hat, weil die Deutschen eh keine Chance hatten, wird
       inzwischen geschätzt.
       
       Der DFB will sich um die Austragung des Finalturniers im kommenden Jahr
       bewerben, wenn die Auswahl das Viertelfinale übersteht. Aber wer würde im
       Moment daran zweifeln? Geist und Gier werden es schon richten. Verrückt!
       
       17 Nov 2024
       
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 (DIR) Andreas Rüttenauer
       
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