# taz.de -- Widerstand in Myanmar: Der Druck auf die Putschjunta wächst
       
       > Ein Sammelsurium von Rebellengruppen fährt eine erstaunlich erfolgreiche
       > Offensive. Damit bringt es die Militärjunta in Schwierigkeiten.
       
 (IMG) Bild: Kämpfer verschiedener Rebellengruppen bei einer Übung in Karen-Staat in Myanmar im März 2024
       
       Berlin taz | Die vor einem Jahr im nordöstlichen Shan-Staat [1][gestartete
       Rebellenoffensive „Operation 1027“] gegen die Militärjunta hat in ganz
       Myanmar breite Unterstützung gefunden und seitdem das Land verändert. Am
       27. Oktober 2023 hatte die „Drei-Brüder-Allianz“ ethnischer Armeen dort an
       der Grenze zu China überraschend eine Offensive gestartet und dabei schnell
       große Geländegewinne erzielt.
       
       Das Militär ist den seitdem [2][an vielen Fronten stattfindenden Angriffen]
       oft nicht gewachsen, weil sich in vielen Regionen Milizen der ethnischen
       Völker sowie die sogenannten Volksverteidigungskräfte“ (PDF) der
       demokratischen Gegenregierung im Untergrund (NUG) anschlossen.
       
       Im Shan-Staat ist das nördliche Oberkommando der Armee gefallen, in Rakhine
       hat die ethnische Arakan Army das westliche Oberkommando eingekreist.
       Militärisch behauptet sich die Junta nur noch durch ihre Luftwaffe, da der
       Widerstand keine Kampfjets oder Flugabwehrwaffen hat. Anfang September
       kündigte Juntachef Min Aung Hlaing an, verlorenes Terrain mit massiven
       Luftangriffen zurückzuerobern. Immer wieder kommt es dabei zu zahlreichen
       zivilen Opfern.
       
       Zum Jahrestag der „Operation 1027“ kontrollieren die ethnischen Armeen
       Teile der Unionsstaaten Rakhine, Chin, Kachin, Kayah. Diese liegen wie ein
       Kranz um die Regionen Magwe und Sagaing im Zentrum als dem
       Hauptsiedlungsgebiet der Bamar, die bisher das Land und das Militär
       dominieren, aber sich nun auch im Aufruhr gegen die Militärjunta befinden.
       
       ## Erfahrene ethnische Milizen und kaum gerüstete Neulinge
       
       Zwischen den Milizen der Minderheiten, die seit Jahrzehnten für Autonomie
       kämpfen, und den Bamar gibt es große Unterschiede. „Die ethnischen Armeen
       sind gut ausgerüstet, verfügen über ein hohes Maß an Disziplin, ausgeprägte
       militärische Organisation und haben Oberkommandos“, sagt der in Bangkok
       lebende Sicherheitsexperte Anthony Davies der taz.
       
       „Die Bamar hingegen hatten bis zum Putsch [am 1. Febuar 2021] keine
       Milizen. Jetzt kämpfen dort erst nach dem Putsch gegründete, militärisch
       unerfahrenen Einheiten der Volksverteidigungskräfte der NUG. Die hatten
       anfangs nur Macheten und ein paar Jagdwehre. Bis heute gibt es bei den PDF
       kein Oberkommando. Kleine Gruppen agieren unkoordiniert als
       Guerrillakämpfer,“ sagt Davies. Die PDF rekrutieren sich hauptsächlich aus
       städtischen und jungen Bevölkerungsgruppen, die sich durch den Putsch um
       ihre demokratischen Rechte gebracht fühlen.
       
       Die unterschiedlichen Rebellengruppen kooperieren meist miteinander. So
       trainieren manche ethnische Milizen die PDF und überlassen ihnen einige
       Waffen. Doch fehlt eine Koordination auf nationaler Ebene. Manchmal gibt es
       auch gegenseitiges Misstrauen bis hin zu offener Rivalität. Dabei war ein
       Erfolgsfaktor der „Operation 1027“ sicher, dass erstmals drei ethnische
       Milizen koordiniert überraschend zugeschlagen haben und dabei auch noch von
       PDF unterstützt wurden.
       
       Doch kann die Rechnung nicht ohne China gemacht werden, das neben Russland
       wichtigster Waffenlieferant der Junta ist. Peking ist vor allem an
       Stabilität und Sicherheit seiner milliardenschweren Infrastrukturprojekte
       der „Neuen Seidenstraße“ – besonders in Rakhine – interessiert.
       
       ## China ließ Offensive zu, weil Junta Kriminalität duldete
       
       Der Myanmarexperte Thomas Kean von der Denkfabrik International Crisis
       Group sagt, China habe die „Operation 1027“ wegen seiner „Verärgerung“ über
       die vom Militär geförderten Onlinekriminalität im myanmarisch-chinesischen
       Grenzgebiet zugelassen. Täter wie Opfer der Cyberkriminalität sind oft
       Chinesen, doch kassieren Myanmars Militär und seine Günstlinge mit, weshalb
       die Junta diese Kriminalität trotz Pekings Drängen nie ernsthaft
       einschränkte.
       
       Doch inzwischen sorge sich China, dass Regime könne kollabieren und „die
       Tür für Gruppen, insbesondere der Gegenregierung NUG, öffnen, die als dem
       Westen nahestehend“ gelten.
       
       Ein im Januar von China vermittelter Waffenstillstand in Shan hielt nur
       weniger Monate. Im Oktober beschränkte China den Handel an seiner Grenze
       zum Shan-Staat, um die dortigen Rebellen zum Waffenstillstand mit der Junta
       zu drängen.
       
       In einer [3][Analyse der Rolle Chinas des Washingtoner Stimson Centers]
       hieß es Ende August: „China gilt als einflussreichster ausländische Akteur
       in Myanmar. Anders als die USA unterhält das Land mit nahezu jeder größeren
       bewaffneten oder politischen Gruppe Kontakte und führt zumindest informelle
       Gespräche.“
       
       ## Rebellen bauen Gegenstrukturen auf
       
       An diesem Dienstag konnte Juntachef Min Aung Hlaing erstmals seit dem
       Putsch überhaupt nach China reisen. Peking scheint im Unterschied zu Moskau
       nur wenig von ihm zu halten und scheut vor zu viel demonstrativer Nähe zu
       ihm zurück.
       
       Einen „nationalen Friedensdialog“ unter Einbeziehung der Junta, wie jüngst
       vom südostasiatischen Staatenbund Asean gefordert, ist für Landeskenner wie
       die „German Solidarity Myanmar“ (GSM) gänzlich „realitätsfern“. „Man kann
       nicht von den Menschen in Myanmar verlangen, dass sie sich mit Mördern und
       Kriegsverbrechern zu Verhandlungen an einen Tisch setzen“, sagt
       GSM-Geschäftsführerin Nyein Chan May.
       
       In den von ihnen kontrollierten Gebieten haben die Rebellen provisorische
       Verwaltungsstrukturen aufgebaut. Anfang Oktober 2024 veröffentlichten
       Organisationen aus Kayah das Papier „Föderalismus von der Basis: Das Model
       der Karenni zum Aufbau eines Nationalstaats“.
       
       Ko Nee vom Karenni Civil Society Network sagt, die dort seit einem Jahr in
       den befreiten Gebieten aktive Übergangsregierung zeige, „dass unser
       Staatsaufbau auch angesichts der extremen Gewalt der illegalen Militärjunta
       voranschreitet“.
       
       Tun Myat Naing, der Militärchef der Arakan Army, bekräftigte im September
       gegenüber dem Exilmagazin [4][Irrawaddy], Ziel sei eine Konföderation, also
       ein lockerer Bund von Teilstaaten.
       
       Die Vorstellungen der vielen Akteure des Widerstands für die Zeit nach der
       Junta liegen bisher noch sehr weit auseinander.
       
       6 Nov 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Widerstand-gegen-Junta-in-Myanmar/!5970810
 (DIR) [2] /Kampf-gegen-das-Putschregime-in-Myanmar/!5972567
 (DIR) [3] https://www.stimson.org/2024/china-in-myanmar-how-the-game-changing-neighbor-would-continue-to-maintain-its-influence/
 (DIR) [4] https://www.irrawaddy.com/in-person/interview/aa-chief-arakan-armys-vision-for-myanmar-is-federal-union-of-ethnic-and-bamar-peoples.html
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Michael R. Lenz
       
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