# taz.de -- Deutsche Regierung in Indien: Heil sucht internationale Handwerkskunst
       
       > Der Arbeitsminister wirbt in Indien für Migration nach Deutschland. Dort
       > ist die Motivation groß, doch Berlin stellt hohe bürokratische Hürden.
       
 (IMG) Bild: Das Werbe-Lächeln klappt schon mal: Hubertus Heil (links) und Robert Habeck am Berliner Flughafen
       
       Delhi taz | Etwas außerhalb des Zentrums der lärmenden indischen Hauptstadt
       Delhi wird deutsches Bäckerhandwerk gelehrt. Im Untergeschoss einer kleinen
       Seitenstraße knetet Jaydeep Gupta Brezelteig und drapiert ihn auf einem
       Blech. Sind das die Nachwuchskräfte für das deutsche Handwerk? Wenn es nach
       Bäcker Michael Schmid geht, ja. Doch noch fehlt Gupta der
       Deutschunterricht. Er hofft jedoch, dass er in zwei Jahren nach Deutschland
       kommen kann. Spaß an der Arbeit hat der junge Mann aber auch so. „That is a
       Laugenstange“, erklärt der 20-Jährige. Ein paar Worte Deutsch kann er
       schon.
       
       Gemeinsam mit Gupta backte hier am Donnerstag Bundesarbeitsminister
       Hubertus Heil. [1][Er ist anlässlich der bilateralen
       Regierungskonsultationen nach Indien gekommen.] Sein Ziel: die Anwerbung
       von Fachkräften. Das bevölkerungsreichste Land der Welt sei ein „idealer
       Partner“, so der SPD-Politiker. „In Indien kommen pro Monat eine Million
       Menschen zusätzlich auf den Arbeitsmarkt“, das Potenzial wolle man nutzen.
       Derzeit zahlen bereits 137.000 Inder:innen Sozialbeiträge in
       Deutschland. Innerhalb von vier Jahren hat sich die Zahl indischer
       Staatsbürger in Deutschland auf 250.000 vervierfacht, davon sind 50.000
       Studierende.
       
       Doch es gibt weiterhin Hürden, dessen ist man sich in Berlin bewusst: „Wir
       können nur versuchen, die Dinge einfacher zu machen“, sagt Heil und meint
       damit, den bürokratischen Aufwand zu verringern. Dafür gibt es ein neues
       Konzeptpapier, die kürzlich vom Kabinett beschlossene Fachkräftestrategie
       Indien, die Heil vor Ort vorstellt. Sie soll als Grundlage dienen, die
       Migration zu beschleunigen, damit Engpässe auf dem Arbeitsmarkt nicht zur
       Wachstumsbremse werden. Die Rekrutierung selbst sei aber Sache der
       Arbeitgeber. Allerdings ist es ihm ein Anliegen, „qualifizierte und faire
       Migration“ sicherzustellen. Das versucht Michael Schmid mit seinem
       Pilotprojekt „Learn for Life“. Er hat kürzlich zwei junge Inder:innen
       zur Bäckerlehre nach Karlsruhe vermittelt. Darunter ist Nuzra Khan. Sie
       spricht per Videocall mit Heil und Schmid, die sich in Delhi befinden. Sie
       ist etwas schüchtern, aber glücklich über den Neuanfang in Deutschland. In
       Indien hätte sie nicht so viele Chancen gehabt, hört man. In Deutschland
       hat sie vom Betrieb eine Wohnung gestellt bekommen und einen
       Arbeitsvertrag. Deutsch hat sie zuvor an der Universität in Delhi studiert
       und später Bäcker Schmid kennengelernt.
       
       ## Einiges hat sich bereits verbessert
       
       „Wir haben viele Anfragen für unsere Ausbildung“, sagt Schmid, gerade von
       Menschen aus einfachen Verhältnissen, darunter auch Studierende. Und sie
       müssten bei der Migration unterstützt werden. „Keiner unserer Kandidaten
       hätte das Geld, mehrere tausend Euro für eine Lehrstelle zu bezahlen“, so
       der Sozialunternehmer, der seit über 20 Jahren in Indien lebt. Teil seines
       Projektes sind zwei Bäckereien in Delhi und Varanasi, sowie ein Restaurant
       und eine Schule. Die Berufsschule soll auch in Varanasi entstehen, die
       Lehrbetriebe werden die Bäckereien in Delhi und Varanasi sein.
       
       Im kommenden Jahr möchte Schmid 40 junge Menschen wie Khan in eine
       Ausbildung vermitteln. Zuvor werden sie von seinem Team ausgewählt und
       müssen ein Praktikum absolvieren.
       
       Dass Deutschland Zuwanderung braucht, ist kein Geheimnis. Die
       Bundesregierung geht davon aus, dass in den nächsten Jahren bis zu sieben
       Millionen zusätzliche Arbeitskräfte nötig sind, worauf er vereist. „Der
       Verdienst und die Perspektive auf die deutsche Staatsbürgerschaft sind
       große Anreize“, sagt der 53-jährige Schmid. Doch lange stand die Bürokratie
       im Weg. „Ich wollte indische Bäcker nach Deutschland einladen“, sagt er.
       2016 sei es unmöglich gewesen, ein Visum zu bekommen. Bei Khan dauerte es
       gerade einmal sechs Wochen.
       
       Denn seitdem hat sich einiges verändert. [2][Deutschland verabschiedete ein
       Fachkräfteeinwanderungsgesetz.] 2022 folgte das deutsch-indische
       Migrations- und Mobilitätsabkommen (MMPA). Das Abkommen enthalte aber nur
       Absichtserklärungen, keine neuen Verpflichtungen, stellt David Kipp von der
       Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in einer neuen Studie dar. Jährlich
       sollen mindestens 3.000 junge indische Arbeitskräfte nach Deutschland
       kommen, wurde als Ziel formuliert. Dabei hat Indien eine lange
       Migrationstradition und bereits viel Erfahrung mit Arbeitsmigration
       gesammelt.
       
       „Mit Vereinfachungen und Anwerbung allein ist es von deutscher Seite nicht
       getan“, sagt die indischstämmige Trainerin für interkulturelle Kompetenz
       Anjana Singh, die die neue Strategie begrüßt. „Es muss aber mehr über die
       Integration in Deutschland nachgedacht werden, um Menschen langfristig im
       Land zu halten und Parallelgesellschaften zu vermeiden“, betont sie. Es
       sind Herausforderungen, die auf beiden Seiten bleiben.
       
       24 Oct 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Deutsch-indische-Beziehungen/!6044754
 (DIR) [2] /Reform-des-Einwanderungsrechts/!5939961
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Natalie Mayroth
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Hubertus Heil
 (DIR) Fachkräftezuwanderungsgesetz
 (DIR) Indien
 (DIR) Handwerk
 (DIR) Fachkräftezuwanderungsgesetz
 (DIR) Indien
 (DIR) Ausländerbehörde
 (DIR) Arbeitsmarkt
 (DIR) Tag der Arbeit, Tag der Proteste
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Deutschland braucht Zuwanderung: Bitte kommt alle!
       
       Deutschland benötigt pro Jahr knapp 290.000 Zuwanderer als Arbeitskräfte.
       Um Fachkräfte anzuziehen, brauche es aber auch eine Willkommenskultur.
       
 (DIR) Deutsche Regierung in Indien: Mehr Handel wagen
       
       Auch bei dieser Runde der deutsch-indischen Gespräche wird das Potenzial
       des jetzt bevölkerungsreichsten Landes der Welt betont. Berlin setzt
       mehrere Schwerpunkte.
       
 (DIR) Beschleunigte Fachkräfteeinwanderung: Studie empfiehlt ein Amt weniger
       
       Neue Arbeitsmigranten haben in Deutschland viel mit Behörden zu tun. Eine
       von der Bundesregierung in Auftrag gegebene Untersuchung fordert schnellere
       Verfahren.
       
 (DIR) Fachkräftemangel in Berlin: Ihr Arbeiter, kommet
       
       Mit einer Fachkräftestrategie will Berlin gegen die Personalnot vorgehen.
       Bis 2025 sollen erste Ergebnisse vorliegen.
       
 (DIR) Personalmangel in Schulen und Pflege: Bevor die Leute umkippen
       
       Der Fachkräftemangel belastet verbliebene Arbeitskräfte umso mehr.
       Tariflich festgelegte Personalschlüssel könnten eine Lösung sein.