# taz.de -- „Aufklärungsvideo“ zu Salafismus: Die Rechtsextremismus-Falle
       
       > Kaum veröffentlicht, musste das bayerische Innenministerium sein
       > rassistisches Salafismus-Video wieder löschen. Dabei ist Aufklärung
       > nötig.
       
 (IMG) Bild: Mehr Tücher, weniger Bücher – und das alles wegen des Typs links
       
       „Können wir die Lache noch ein bisschen dreckiger haben?“ „Kriegen wir die
       Grimasse noch etwas größer?“ So ähnliche Sätze müssen wohl bei der
       Erstellung eines [1][„Aufklärungsvideos“ zu Salafismus] gefallen sein,
       welches das bayrische Innenministerium auf der Plattform X veröffentlicht
       hat.
       
       Der animierte Clip zeigt eine junge Muslima, die sich auf ihrem Handy ein
       Video eines salafistischen Predigers mit Gebetskappe und Bart anschaut. Das
       Thema: Dürfen sich Musliminnen schminken? Die Fratze des Predigers
       erscheint groß und rot, er verschluckt die Frau, im Hintergrund hört man
       sein hämisches Lachen und bedrohliche Musik. Sie verschleiert sich nun
       immer mehr, wird wohl als zweite Ehefrau an einen Mann verheiratet. Die
       Frau ist in die „Salafismus-Falle“ getappt, so die Botschaft des Videos.
       
       Auf X empörten sich User:innen bald über die rassistische Bildsprache des
       Videos. Der Muslim als Menschenschlucker und Frauenverführer,
       überdimensional als Gefahr projiziert – die Bilder erinnerten manche gar an
       [2][Stürmer]-Symbolik und [3][antisemitische Karikaturen] der 1930er Jahre.
       Eine Gleichsetzung wäre infam, aber an der Assoziation ist was dran.
       
       ## Bildsprache streut auf alle Muslime
       
       Das deutsche Offiziellentum, das alle Lehren aus der NS-Vergangenheit
       gelernt haben will, scheint doch weniger Abwehrreflexe und Hemmungen zu
       haben, wenn es um die entstellende Darstellung von Muslimen geht.
       Vertreter:innen der Sinti:zze und Rom:nja können auch ein paar
       Geschichten über rassistische Kontinuitäten erzählen. Das professionell
       produzierte Video kann man sicher keinem Praktikanten gone rogue in die
       Schuhe schieben.
       
       Richtig also, dass die SPD-Fraktion im Bayerischen Landtag per Anfrage
       klären will, wer das Video abgenommen und wie viel seine Produktion die
       Steuerzahlerin gekostet hat. Das Innenministerium hat das Video inzwischen
       gelöscht, ein Sprecher bedauerte, wenn es „zu Irritationen und
       Missverständnissen geführt hat“.
       
       Der Frankfurter SPD-Lokalpolitiker Alexander Lorenz kommentierte dagegen:
       „Wer das Video richtig deuten kann und es auch versteht, weiß, dass es
       nicht um Muslime geht, sondern um Salafisten.“ Er verkennt: Wer derart mit
       Affekten und bildlichen Assoziationen arbeitet, zielt eben dadurch weniger
       genau. Man hat die Salafisten im Visier, doch die Bildsprache streut auf
       alle Muslime.
       
       ## Islamismusprävention ernst nehmen
       
       Solche Videos dürften deshalb das Gegenteil ihres Ziels bewirken. Statt
       junge, radikalisierungsgefährdete Menschen aufzuklären und zu rüsten,
       entfremden diese sich noch mehr von der Mehrheitsgesellschaft. Wer
       Integration und [4][Islamismusprävention] ernst nimmt, sollte über
       Aufklärung hinaus auch über Geld sprechen. Initiativen und Jugendclubs
       müssen bezuschusst, Sozialarbeiter:innen bezahlt und Kommunen bei
       der Versorgung von Geflüchteten gestärkt werden, denn sie können Menschen
       in der Radikalisierung auffangen. Eine FDP in der Regierung und eine
       Schuldenbremse im Grundgesetz muss man sich hingegen leisten können.
       
       Und ja, am Ende ist es auch eine Frage der Kultur und der
       gesellschaftlichen Haltung. Integration braucht eine Gesellschaft, die
       offen für Neuankömmlinge und Minderheiten ist, ohne in ihrer Offenheit
       beliebig zu werden. Es muss etwas geben, in das Menschen sich integrieren
       können und wollen. Eine multikulturelle Gesellschaft kann es nur geben,
       wenn es auch gewisse Grenzen gibt, und religiöse Fundamentalisten mit
       Totalitätsanspruch sind Feinde der Vielfalt.
       
       Doch was bekommen wir von Politiker:innen in Deutschland? Ihnen fällt
       nach [5][islamistischen Anschlägen wie in Solingen] nicht viel Besseres
       ein, als Grenzkontrollen und Abschiebungen zu fordern. Auch egal, wenn
       diese Abschiebungen Islamisten global stärken. So geschehen bei der
       symbolischen PR-Abschiebung am Freitag vor den Landtagswahlen in Sachsen
       und Thüringen, [6][bei der 28 Afghanen in die Hände der Taliban übergeben
       wurden] – eine De-facto-Legitimierung der Gotteskrieger in Kabul.
       
       Und um noch mal den Schwenk nach Bayern zu machen: Auf dem Jahrmarkt
       Gillamoos in Abensberg am Montag beschwerte sich Ministerpräsident Markus
       Söder, dass jeder in Deutschland „einen Klageanspruch“ zu seinem
       Aufenthaltsstatus habe, während eigentlich „das deutsche Volk die deutsche
       Politik“ entscheiden müsste. Was soll man noch sagen? Deutsche, tappt nicht
       in die Rechtsextremismusfalle.
       
       4 Sep 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://x.com/erkanpehl/status/1831036682814341190
 (DIR) [2] https://de.wikipedia.org/wiki/Der_St%C3%BCrmer
 (DIR) [3] /Sammlung-antisemitischer-Karikaturen/!5579312
 (DIR) [4] /Sicherheitsexperte-ueber-Radikalisierung/!6030919
 (DIR) [5] /Anschlag-in-Solingen/!6030795
 (DIR) [6] /Abschiebung-nach-Kabul/!6033417
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Leon Holly
       
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