# taz.de -- Selbstwahrnehmung von Politiker*innen: Kann ich was für Geld machen?
       
       > Was haben Olaf Scholz, Kamala Harris und Benjamin Netanjahu gemeinsam?
       > Das kann hier nicht verraten werden, das müssen sie schon selbst
       > nachlesen.
       
 (IMG) Bild: „Comb-Over“: Benjamin Netanjahu trägt seit 30 Jahren dieselbe Frisur
       
       Die Teenagerin, die zu meiner Hausgemeinschaft gehört, ist in ständiger
       Geldnot. Also heißt es zum Wochenende hin fast immer: „Kann ich was für
       Geld machen?“ Einmal war die Lage so verzweifelt, dass sie sogar Unkraut
       gejätet und die Terrasse von Grünspan befreit hat. Seitdem kommt der
       Zusatz: „Nicht draußen.“ Die Tätigkeit sollte also möglichst sauber, bequem
       und im Idealfall in halb liegender Position zu erledigen sein.
       
       Zum Glück unterrichte ich einen Integrationskurs, und da gibt es immer jede
       Menge Material für Memory und andere Spiele auszuschneiden, zu bekleben und
       zu laminieren; bei 25 Teilnehmer*innen jeweils in vierfacher
       Ausführung. Wir sind gerade im Teil „Leben in Deutschland“. Nach 100
       Stunden müssen im Test 300 Fragen beantworten werden können. Darunter: „Was
       bedeutet die Abkürzung SPD?“
       
       Nach der [1][Sommerpressekonferenz von Olaf Scholz] diese Woche kann man
       eigentlich nur zu dem Schluss kommen: SPD steht für Supertollste Partei
       Deutschlands. Denn der Bundeskanzler hat seine Sache so großartig gemacht,
       dass er auf jeden Fall 2025 noch einmal als Kanzlerkandidat antreten
       möchte. Natürlich spielt auch hier der Fachkräftemangel eine nicht zu
       unterschätzende Rolle. [2][Boris Pistorius muss erst mal seinen Wehrdienst]
       ableisten. [3][Malu Dreyer ist im Ruhestand.] Und [4][Angela Merkel will
       nur noch Dinge tun, die ihr Spaß] machen.
       
       ## Präsidenzlose Maffenvernichtungswaffen
       
       Erfolg in der SPD verhält sich umgekehrt proportional zu den
       Wahlergebnissen. Deshalb ist Olaf Scholz ein sehr erfolgreicher
       Bundeskanzler. Bei der Bundestagswahl 2021 erhielt seine Partei 25,7
       Prozent, bei den Europawahlen im Juni 13,9 Prozent, und in den aktuellen
       Umfragen steht die Scholz-Partei in der Wählergunst bei 14 bis 16 Prozent.
       Aber Umfragen sagen ja bekanntlich nichts darüber aus, ob einer der Beste
       ist.
       
       US-Präsident Joe Biden ist beispielsweise auch der Beste, das hat er selbst
       noch einmal in seiner Rede an die Nation diese Woche betont. Denn was sagen
       Versprecher wie [5][„President Putin“ statt „President Zelensky“] schon
       über die geistige Verfasstheit oder die Altersschwäche eines*einer viel
       beschäftigten Politiker*in aus? Die herausragende deutsche
       Außenministerin Annalena Baerbock ist beispielsweise 40 Jahre jünger als
       Biden und würde dennoch jeden [6][Verhaspelungswettbewerb gewinnen,] sogar
       gegen Biden. Dabei entstehen so wunderbare Wortschöpfungen wie
       „Maffenvernichtungswaffen“, „präsidenzlos“, „360-Grad-Wende“ oder „bacon of
       hope“ (statt „beacon of hope“ – Speck der Hoffnung statt
       Hoffnungsschimmer). Danke, Annalena! Es hat uns alle bereichert.
       
       Gleichen Unterhaltungswert kann man in dieser Hinsicht von Kamala Harris
       leider nicht erwarten. Sie stellt die Frage „Was kann ich für Geld machen?“
       völlig fehlerfrei an ihre potenziellen Spender. Eine Wahlkampagne kostet
       schließlich viele, viele Millionen. Obwohl, die Sängerin und Songwriterin
       Charli XCX wirbt beispielsweise völlig kostenfrei für die neue
       Präsidentschaftskandidatin der Demokraten. [7][„Kamala is brat“,]
       verkündete sie in den sozialen Medien. „Brat“, Göre, steht hier für cool,
       denn auch Charlis neues Album heißt „brat“ und ist grün. Deswegen also
       überall Harris mit Grünfilter. Harris’ Coolnessfaktor konnte die Teenagerin
       auch aus der Tiktok-Welt bestätigen. Mir persönlich gefällt besonders, dass
       Harris mit 59 Jahren als „junge“ Alternative zu Donald Trump bezeichnet
       wird.
       
       Allerdings gibt es auch alterslose Politiker*innen. Mit der Frage „Kann
       ich was für Geld machen?“ hat sich diese Woche der israelische
       Ministerpräsident Benjamin „Bibi“ Netanjahu an den US-Kongress gewandt. Das
       wirklich Erschreckende: [8][Bibi trägt dieselbe Frisur wie vor 30 Jahren].
       Und immer gleich geföhnt! „Comb-Over“ nennen es die Amerikaner, wenn
       verbliebenes Haar gnadenlos mit Seitenscheitel über schüttere Kopfregionen
       gekämmt wird. Die Teenagerin könnte da fix Flexibilität ins Haar bringen,
       so sie es „für Geld machen kann“. Allein mit etwas Farbe und Lockenstab
       könnte das Ganze ziemlich „brat“ aussehen.
       
       28 Jul 2024
       
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