# taz.de -- Leichtathlet Owen Ansah: In 9,99 Sekunden zur Weltklasse
       
       > Der 23-jährige Sprinter Owen Ansah ist 100 Meter unter zehn Sekunden
       > gelaufen. Neben dem deutschen Meistertitel hat er damit noch etwas
       > geschafft.
       
 (IMG) Bild: „Ich bin mega happy, dass ich der Erste bin“: Sprinter Owen Ansah am Samstag beim Zieleinlauf in Braunschweig
       
       Berlin taz | Auf eine sympathische Art unaufgeregt kommentierte der
       23-jährige Owen Ansah am Samstag, was ihm da gerade gelungen war: „Es
       musste irgendwann mal passieren. Heute ist es passiert und ich bin mega
       happy, dass ich der Erste bin.“
       
       Wat mutt, dat mutt – und bei dem Leichtathleten aus Hamburg heißt das: 100
       Meter in weniger als 10 Sekunden zu laufen, 9,99 nämlich. Das war noch nie
       einem deutschen Sprinter gelungen, und seit den bis heute sagenumwobenen
       „handgestoppten 10,0 Sekunden“ des [1][Armin Hary] aus dem Jahr 1958, dem
       ein Olympiasieg 1960 folgte, war kein deutscher Sprinter mehr in die Nähe
       dieser Hürde zur Weltklasse gekommen.
       
       Ob Ansah, 2000 als Sohn eines früheren Leichtathleten in der Hansestadt
       geboren, dort nun wirklich angekommen ist, bleibt jedoch abzuwarten. Bei
       den Olympischen Spielen 2021 in Tokio wäre er mit dieser Zeit nicht ins
       Finale gekommen, und vom 9,58-Sekunden-Weltrekord des [2][Usain Bolt] ist
       Ansah eine halbe Sekunde und somit sehr viele Meter entfernt.
       
       Aber Owen Ansah hat bei den Deutschen Leichtathletik-Meisterschaften in
       Braunschweig eine magische Grenze, die für viele Athleten wie eine
       psychische Barriere wirkt, geknackt. In Paris, wo in knapp vier Wochen die
       Olympischen Sommerspiele beginnen, wird er mitlaufen. Dann wird sich
       zeigen, ob für ihn eine weitere Steigerung möglich ist. „Ich habe mich sehr
       gut gefühlt, aber angekommen ist es noch nicht“, war eine seiner ersten
       Reaktionen nach dem Rekordlauf, der ihn auch zum Deutschen Meister machte.
       „Wenn ich die Zeit schwarz auf weiß auf der Urkunde sehe, glaube ich es
       erst.“
       
       ## Soldat im Hauptberuf
       
       Was Ansah optimistisch machen sollte, ist die jüngste Geschichte, wie er zu
       dieser Leistung kam. Nach zwei Verletzungen hatte er vom Frühjahr 2023 an
       sechs Monate komplett aussetzen müssen: ein Schambeinödem und ein
       Ermüdungsbruch im Fuß. „Ich konnte nichts mehr machen, weil ich solche
       Schmerzen hatte.“ Erst im September stieg er wieder ins Training ein,
       allerdings noch sehr vorsichtig. Die Zeit, die er vor seinem jetzigen
       Rekord voll trainieren konnte, war recht kurz. Keine einfache Zeit, „aber
       ich habe meine Ziele nie aus den Augen verloren.“
       
       Nun bilanziert er: „Ich bin stärker geworden – nicht nur mental, sondern
       auch im Kraft- und Startbereich. Vor allem aber höre ich jetzt viel mehr
       auf meinen Körper. Diese Zeit hat mir ein Stück weit die Augen geöffnet.
       Ich gehe jetzt ganz anders in jeden einzelnen Trainingstag.“
       
       Um seinen Sport auf dem nötigen hohen Niveau betreiben zu können, arbeitet
       Ansah im Hauptberuf als Soldat bei der Bundeswehr. [3][Sein Verein] ist der
       Hamburger SV.
       
       Nach einem fünften Platz und Bronze mit der Staffel jüngst bei der EM in
       Rom sagte er: „Ich bin endlich wieder gesund, mein Körper fühlt sich
       endlich wieder gut an. Und vor allem mental fühle ich mich stärker als vor
       der Verletzung.“ Gerade das Staffel-Bronze bedeutet ihm viel: „Diese
       Medaille war eine Belohnung für mich. Es zeigt mir, dass ich das alles
       nicht umsonst durchgemacht habe.“ Damit er das auch wirklich glaubt und
       sich immer daran erinnert, dass Höhenflüge möglich sind, hat er sich einen
       Flügel auf die Wade tätowieren lassen.
       
       Und ganz nebenbei hat Owen Ansah etwas geschafft, was sonst an diesem
       Wochenende gerade mal den hochbezahlten Radprofis bei der Tour de France
       gelang: Er konnte die deutsche Öffentlichkeit darauf hinweisen, dass es
       [4][trotz Europameisterschaft] noch anderen Sport außer dem Männerfußball
       gibt.
       
       30 Jun 2024
       
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