# taz.de -- Hamburger Polizei lässt Banner abnehmen: „Nie wieder Faschismus“ verboten
       
       > Beim „Lauf gegen Rechts“ fordert ein Polizist die DGB-Jugend auf, ein
       > Transparent zu entfernen, weil es politisch sei. Die DGB-Jugend wundert
       > sich.
       
 (IMG) Bild: Der Polizei im Einsatz ein Dorn im Auge: Antifaschismus-Banner der DGB-Jugend
       
       Hamburg taz | Ein Polizist hat die Hamburger DGB-Jugend aufgefordert, ein
       Banner mit der Aufschrift des „Nie wieder Faschismus“ abzunehmen. Es
       handele sich bei der Aufschrift um eine politische Aussage, für die auch
       eine politische Kundgebung angemeldet werden müsse. Die DGB-Jugend und der
       FC St. Pauli bezeichneten das als unverständlich. Schließlich hing das
       Banner an einer Versorgungsstation beim „Lauf gegen Rechts“, der
       alljährlich von dem Fußballclub organisiert wird.
       
       [1][Beim „Lauf gegen Rechts“ geht es weniger um den sportlichen Wettbewerb,
       als vielmehr darum, gemeinsam Zeichen zu setzen]: gegen Rassismus,
       Sexismus, Faschismus und für Solidarität. Einige Teilnehmer*innen
       erreichten das Ziel gehend oder mit Kinderwagen, sichtlich nicht bemüht
       läuferische Bestzeiten aufzustellen. Die Positionierung gegen rechts ist
       ein inhärenter Bestandteil der Veranstaltung. Dieses Jahr fand sie im
       Kontext der hamburgweiten Kampagne „Klare Kante gegen Rechts“ statt.
       
       Bei der Veranstaltung am 26. Mai liefen mehr als 5.000 Teilnehmer*innen
       die knapp 7,2 Kilometer lange Strecke rund um die Außenalster mit. Wer bei
       warmen Temperaturen eine Abkühlung brauchte, bekam diese am Pavillon der
       DGB-Jugend auf Höhe des Fähranlegers „Rabenstraße“. Dort hing auch das
       Banner.
       
       Der Erfrischungsstand der DGB-Jugend war als Teil der Veranstaltung bei der
       zuständigen Behörde angemeldet. Die Genehmigung sei beim Aufbauen einem
       Polizisten vorgelegt worden, sagt Steffen Marquardt, Bildungsreferent der
       DGB-Jugend Hamburg. Derselbe Polizist sei gegen 11 Uhr erneut am Stand
       eingetroffen und habe gefordert das Banner abzunehmen. „Um den Lauf nicht
       zu stören und äußerst irritiert über die Situation, leisteten unsere
       Kolleg*innen der Forderung des Beamten Folge“, berichtet Marquardt.
       
       ## Mehrere Zeugen widersprechen Polizei
       
       Die Polizei Hamburg bestätigt, dass die Aufstellungserlaubnis für den
       Pavillon vorgelegt wurde. Zu einem späteren Zeitpunkt hätten Beamte erneut
       den Pavillon aufgesucht und die Verantwortlichen auf das „Nie wieder
       Faschismus“-Banner angesprochen. „Die Personengruppe des DGB begründete das
       Aufhängen des Transparentes mit der ordnungsgemäß angemeldeten
       Sportveranstaltung“, sagt Pressesprecherin Laura Wentzien. Eine
       Aufforderung, das Banner abzuhängen, habe es von der Polizei nicht gegeben.
       
       Die DGB-Jugend bestreitet das. „Nichts liegt uns ferner, als ein Banner mit
       der Aufschrift 'Nie wieder Faschismus’ anlasslos abzunehmen“, versichert
       Steffen Marquardt. Mehrere Personen, die vor Ort waren, könnten den Vorfall
       bezeugen.
       
       Die Marathonabteilung des FC St. Pauli bezeichnet das Verhalten der Polizei
       Hamburg in einer Stellungnahme als „äußerst fragwürdig und willkürlich“.
       Die Argumentation, dass es sich bei dem Banner um eine politische Aussage
       handele, für welche eine Kundgebung angemeldet werden müsste, ist aus Sicht
       des Organisationsteams „nicht nachvollziehbar“ und setze „ein falsches
       Signal“.
       
       „Wir sehen die Aussage 'Nie wieder Faschismus’ als einen inhaltlichen
       Bestandteil des 'Lauf gegen Rechts’. [2][Faschismus ist nach unser
       Auffassung ein Verbrechen“], heißt es in der Stellungnahme weiter. Ein
       Polizist habe hier wohl viel mehr seine private Meinung statt geltendes
       Recht“ durchgesetzt.
       
       ## Keine Rechtsgrundlage
       
       [3][Ob eine rechtliche Grundlage für das polizeiliche Handeln bestand, ist
       fraglich]. Clemens Arzt, bis März 2023 Professor an der Hochschule für
       Wirtschaft und Recht Berlin, sieht diese nicht. „Mit Blick auf das, was mir
       bisher bekannt ist, handelt es sich um einen Eingriff in die
       Meinungsfreiheit ohne Rechtsgrundlage“, sagt er.
       
       Beim „Lauf gegen Rechts“ handele es sich um ein Event mit klar politischem
       Charakter. „Es handelt sich dabei um eine politische Meinungskundgabe, die
       mit dieser Veranstaltung zusammenhängt“, sagt er. Hier greife der Schutz
       der Meinungsfreiheit nach Artikel 5 des Grundgesetzes.
       
       „Mir fehlt die Fantasie, auf welcher Rechtsgrundlage dieses Banner
       abgenommen werden müsste“, sagt der Jurist mit Schwerpunkt Polizei- und
       Versammlungsrecht. Das Banner sei völlig unproblematisch. „Eine Gefahr für
       die öffentliche Sicherheit ist nicht erkennbar, die ein derartiges Vorgehen
       rechtfertigen könnte.“
       
       ## Vertrauen droht zu erodieren
       
       Die Senatsfraktionen der SPD und der Grünen wollten den Sachverhalt auf
       Anfrage der taz bei derzeitigem Kenntnisstand nicht kommentieren. Auch die
       SPD-geführte Innenbehörde hält sich bedeckt. Solange unklar sei, was genau
       vorgefallen ist, wolle man nicht spekulieren.
       
       Steffen Marquardt von der [4][DGB-Jugend fordert Aufklärung] und eine
       Richtigstellung von der Polizei. „Veranstaltungen wie der 'Lauf gegen
       Rechts’ und die damit verbundenen politischen Botschaften sind immer
       relevant und besonders in diesen Tagen kommt es darauf an, dass das
       Vertrauen in staatliche Institutionen nicht erodiert“, sagt er. Dazu
       bedürfe es einer Fehlerkultur, die Verantwortung für Fehlverhalten
       übernimmt und sich bei Unrecht entschuldigt.
       
       3 Jun 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Pyros-bei-St-Pauli-gegen-Hansa-Rostock/!5918058
 (DIR) [2] /Bio-Wuerstchen-fuers-Millerntor/!5947556
 (DIR) [3] /Propalaestinensische-Demos-am-Wochenende/!5968178
 (DIR) [4] https://nord-jugend.dgb.de/vor-ort/dgb-jugend-hamburg
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jonas Kähler
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Demonstration
 (DIR) Demonstrationsverbot
 (DIR) Demonstrationsrecht
 (DIR) Kundgebung
 (DIR) Polizei Hamburg
 (DIR) DGB
 (DIR) FC St. Pauli
 (DIR) taz Plan
 (DIR) Kolumne Großraumdisco
 (DIR) Holger Münch
 (DIR) Schwerpunkt G20 in Hamburg 
 (DIR) Schwerpunkt Nahost-Konflikt
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Bewegungstermine in Berlin: Gegen die gewalttätige Idylle
       
       Der gesellschaftlichen Faschisierung lässt sich auch durch Urlaub nicht
       entfliehen. Eine Spurensuche, was stattdessen helfen könnte.
       
 (DIR) EU-Wahlkampf in Hamburg: Mobilisierung mit Meute
       
       Die Hamburger Initiative „Klare Kante gegen Rechts“ will junge Menschen
       musikalisch dazu ermutigen, wählen zu gehen. Ob das funktioniert?
       
 (DIR) BKA-Chef Münch zu Gewalt im Wahlkampf: „Die Zahlen sind ein Alarmsignal“
       
       Im Wahlkampf häuft sich die Gewalt gegen Politiker:innen. BKA-Chef
       Holger Münch warnt vor einer Verrohung und verspricht Verfolgungsdruck.
       
 (DIR) Sechseinhalb Jahre nach dem G20-Protest: Versammlungsrecht unter Druck
       
       Nächste Woche stehen in Hamburg G20-Gegner vor Gericht, die 2017
       festgenommen wurden. Die Staatsanwaltschaft will das Demonstrationsrecht
       beschneiden.
       
 (DIR) Propalästinensische Demos am Wochenende: Freiheit der Andersdenkenden
       
       Das Demonstrationsrecht ist ein Wert an sich. Auch Parolen, die die
       Mehrheit unerträglich findet, sind geschützt – gut so.