# taz.de -- Russland wechselt Verteidigungsminister: Nach ständiger Kritik
       
       > Putin setzt Verteidigungsminister Sergei Schoigu ab. Der neue Mann –
       > Andrei Beloussow – steht für den Krieg als Basis russischer Wirtschaft.
       
 (IMG) Bild: Abgang: Sergei Schoigu hatte Russlands Militär schlagkräftig gemacht und doch nicht die gewünschten Ergebnisse geliefert
       
       Moskau taz | Noch am vergangenen Donnerstag hatte Sergei Schoigu mit
       finsterer Miene die Militärparade auf dem Roten Platz angeführt. Ihn, der
       mit Russlands Präsident Wladimir Putin immer wieder durch die Taiga
       streifte, der aber nicht die erwünschten Erfolge in der Ukraine einbrachte,
       schien nichts erschüttern zu können. Am Sonntagabend folgte denn eine
       brisante Entscheidung: Putin enthob Schoigu seines Amtes als
       Verteidigungsminister.
       
       Das erfolgte im Rahmen der Regierungsumbildung nach Putins Amtseinführung
       vor einer Woche. Sein Nachfolger soll der bisherige Vizeregierungschef
       Andrei Beloussow werden, ein Zivilist und Wirtschaftsexperte, der als
       Ideologe der Staatsökonomie gilt. Schoigu soll derweil Sekretär des
       Nationalen Sicherheitsrats werden und dem Putin-Vertrauten Nikolai
       Patruschew nachfolgen, dabei weiterhin für Rüstungsfragen verantwortlich
       sein. Was aus Patruschew wird, ist noch nicht bekannt. Das Parlament muss
       die Entscheidungen noch bestätigen, das gilt allerdings als Formsache.
       
       Die Absetzung ist überraschend, und sie ist es nicht. Überraschend ist sie
       deshalb, weil keiner derer, die in den vergangenen Wochen innerhalb und
       außerhalb Russlands Putins Personalpolitik vorherzusagen versucht hatten,
       Beloussows Aufstieg vorhergesehen hätte. Ein promovierter Ökonom, der nicht
       gedient hat – wie im Übrigen auch Schoigu nicht – und nie damit aufgefallen
       war, sich in Armeefragen auszukennen, wird plötzlich der Mann der Stunde.
       Der Kreml-Sprecher Dmitri Peskow sprach von bewusster Entscheidung, die
       Armee in zivile Hände zu geben, um diese innovativer zu machen.
       
       Der Schritt, den früheren Wirtschaftsberater Putins, der in den vergangenen
       gut vier Jahren Russlands Wirtschaftspolitik koordiniert hatte, zum
       Armeechef zu machen, zeigt, dass [1][der Krieg in der Ukraine mittlerweile
       die Basis für die russische Wirtschaft] ist. Der 65-jährige Beloussow soll
       das Ministerium offenbar effizienter machen und die Kosten an der Front
       optimieren. Für militärische Entscheidungen dürften weiterhin der
       Generalstabschef Waleri Gerassimow und Putin selbst zuständig sein.
       
       ## Schoigu stand seit Kriegsbeginn ständig in der Kritik
       
       Nicht unerwartet kommt die Absetzung, weil [2][Schoigus Stuhl praktisch
       seit der Invasion in der Ukraine am 24. Februar 2022 gewackelt] hatte. Der
       bald 69-Jährige, der die Armee als modernen und effizienten Apparat
       verkauft hatte, lieferte nicht das, was Putin gehofft hatte: die Einnahme
       Kyjiws innerhalb von drei Tagen.
       
       Schoigu stand ständig in der Kritik der Soldaten und der sogenannten
       Militärblogger. Jewgeni Prigoschin, der mittlerweile umgekommene Chef der
       Söldnertruppe Wagner, hatte ihn praktisch täglich angegriffen. Dessen
       verbal entgleisende Attacken hatte Schoigu genauso überlebt wie
       [3][Prigoschins gescheiterte Rebellion] im Juni 2023 und die Wechsel in der
       Generalität.
       
       Aber dass ein Damoklesschwert über ihm schwebte, zeigte die Festnahme
       seines Stellvertreters Timur Iwanow vor drei Wochen. Wegen Korruption in
       Millionenhöhe sitzt Schoigus langjähriger Vertrauter in U-Haft. Das war
       auch ein Zeichen an Schoigu, der dem Militär über Jahre hinweg zum Ansehen
       in der russischen Gesellschaft verholfen hatte.
       
       Schoigu stammt aus der ärmlichen Region Tuwa an der Grenze zur Mongolei.
       Von dort rekrutiert der Staat nun vielfach seine Soldaten für den Krieg in
       der Ukraine. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion war der studierte
       Bauingenieur nach Moskau gekommen. Unter Jelzin wurde er Minister für
       Katastrophenschutz, ein nahbarer, wenn auch wortkarger Problemlöser. 2012
       machte ihn Putin zu seinem Verteidigungsminister. Er war es, der für die
       Eroberung der ukrainischen Halbinsel Krim zuständig war und auch für die
       Intervention in Syrien ein Jahr später. Die einst rückständige Truppe wurde
       unter Schoigu zur hochgerüsteten schlagkräftigen Armee. Unter Schoigu
       verlor sie diesen Status auch wieder.
       
       „Alles läuft nach Plan“, sagt Putin immer wieder gern. Sein Umbau im
       Verteidigungsministerium offenbart, dass der Plan nun ein anderer sein
       muss. Welcher, wird sich unter Beloussow zeigen. Der sagte bereits im
       ersten Kriegsjahr, dass die Gesellschaft sich endlich darüber bewusst
       werden müsse, dass alles den Nöten der „militärischen Spezialoperation“
       unterliege.
       
       13 May 2024
       
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