# taz.de -- Aktionsplan gegen Wohnungslosigkeit: Schnellere Hilfe nötig
       
       > Die Regierung hat einen Plan voller schöner Worte beschlossen, um
       > Wohnungslosigkeit zu bekämpfen. Doch der rauscht an der Realität der
       > Armen vorbei.
       
 (IMG) Bild: Cansel Kiziltepe, Berliner Senatorin für Soziales und Klara Geywitz (SPD), bei einem Rundgang durch eine Obdachlosen-Einrichtung
       
       Wohnungslosigkeit bekämpft man mit Wohnraum. Daher ist es eine gute
       Nachricht, dass sich die Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) der
       Wohnungslosen annehmen will. Ziel ist, dass in sechs Jahren niemand mehr
       ohne Wohnung ist.
       
       Deutschland setzt damit die Verpflichtungen aus der „Erklärung von
       Lissabon“ um. Dort beschlossen die 27 Mitgliedstaaten der EU, die
       Obdachlosigkeit bis 2030 zu überwinden. In Deutschland sind etwa
       [1][600.000 Menschen wohnungslos], [2][50.000 von ihnen sind obdachlos, sie
       leben auf der Straße]. Die anderen kommen in Unterkünften oder bei
       Bekannten unter. Eine Maßnahme des jüngst beschlossenen [3][Nationalen
       Aktionsplans gegen Wohnungslosigkeit] ist die Investition von 18,15
       Milliarden Euro in den sozialen Wohnungsbau.
       
       Das ist ein guter Plan, wenn er nur auch umgesetzt werden würde. Lediglich
       etwa ein Viertel der pro Jahr geplanten 100.000 preisgebundenen Wohnungen
       sind tatsächlich gebaut worden. Aktuell fallen mehr Wohnungen aus der
       befristeten Preisbindung heraus, als neue entstehen. Es gibt also kein
       bescheidenes Plus, sondern ein größer werdendes Minus an günstigen
       Wohnungen. Das [4][Verbändebündnis „Soziales Wohnen“] schätzt, dass aktuell
       mehr als 910.000 Sozialwohnungen fehlen. Zusätzlich steigen die Mietpreise
       in vielen Städten immer weiter an.
       
       Nicht zuletzt angesichts dieser Zahlen, die deutlich in die falsche
       Richtung zeigen, kommt der Aktionsplan recht planlos daher. Statt konkreter
       wohnungspolitischer Maßnahmen sollen „Empfehlungen erarbeitet“, der
       „Wissenstransfer gestärkt“ oder „Facharbeitsgruppen etabliert“ werden.
       Schöne Worte, die allerdings an der Realität der Ärmsten vorbeirauschen.
       Denn genau das ist Wohnungslosigkeit: die extremste Form der Armut.
       
       ## Ideen für Klara Geywitz und das Bauministerium
       
       Wer auf der Couch oder auf der Parkbank schlafen muss, ist von Gewalt,
       Verwahrlosung und Missbrauch bedroht. Die Menschen brauchen schnelle Hilfe.
       Wo ist der Notfallplan, wo die Soforthilfe, wo die Milliarden für
       Container? Das wäre ein Zeichen dafür, dass das Problem wirklich ernst
       genommen wird.
       
       Auch vorbeugend kann konkret viel getan werden. Wenn Kündigungen wegen
       Eigenbedarf anstehen, sollten Mieter begleitet werden, und es muss
       sichergestellt sein, dass alternativer und bezahlbarer Wohnraum noch vor
       der Räumung zur Verfügung steht.
       
       Wohnungslose EU-Ausländer, die nicht versichert sind, ältere und
       pflegebedürftige Wohnungslose brauchen Angebote. Ein guter Ansatz ist
       [5][Housing First], also „Zuerst ein Zuhause“, das in Berlin seit einigen
       Jahren erprobt wird und ausgebaut werden sollte. Für die ohne Obdach zählt
       jeder Tag.
       
       26 Apr 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.tagesschau.de/inland/gesellschaft/wohnungslose-deutschland-statistik-100.html
 (DIR) [2] /Aktionsplan-gegen-Wohnungslosigkeit/!6003589
 (DIR) [3] https://www.bmwsb.bund.de/Webs/BMWSB/DE/themen/stadt-wohnen/nap-gegen-wohnungslosigkeit/nap-gegen-wohnungslosigkeit-node.html
 (DIR) [4] https://mieterbund.de/app/uploads/2024/01/Bauen-und-Wohnen-im-Jahr-2024.pdf
 (DIR) [5] https://www.berlin.de/sen/soziales/besondere-lebenssituationen/wohnungslose/wohnen/housing-first-1293115.php
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Sean-Elias Ansa
       
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