# taz.de -- Sturzserie im Radsport: Geschäftsmodell Lebensgefahr
       
       > Wieder mal sorgt ein Massensturz für Entsetzen im Peloton. Doch es ist
       > auch dieses Risiko, von dem der Radsport lebt.
       
 (IMG) Bild: Gefährliches Pflaster: Sturz beim Radrennen Paris-Roubaix
       
       Die Baskenlandrundfahrt ist ein traditionsreiches Radrennen. Doch auch wenn
       die besten Rundfahrer der Welt am Start sind, generiert es für gewöhnlich
       nicht allzu viel Interesse. Am Donnerstag jedoch bewegten Bilder aus dem
       Baskenland die Gemüter wohl aller Radsportfans auf der Welt. Ein
       Massensturz, in den drei der besten Radprofis verwickelt waren, wird noch
       lange für Diskussionen sorgen.
       
       Der dänische Tour-de-France-Sieger [1][Jonas Vingegaard] hat sich mehrere
       Rippen und das Schlüsselbein gebrochen. [2][Primož Roglič], der Slowene,
       der sowohl den Giro d'Italia als auch die Spanienrundfahrt schon gewonnen
       hat, humpelte nach dem Crash zum Teamfahrzeug. Und die belgische
       Rundfahrthoffnung [3][Remco Evenepoel] hat sich Schulterblatt und
       Schlüsselbein gebrochen. Schnell begann man in der Radsportwelt zu
       spekulieren, welche Auswirkungen der Sturz wohl auf die Tour de France im
       Sommer haben wird, dem alles überwölbenden Höhepunkt jeder Radsportsaison.
       
       Von den zahlreichen anderen Verletzten, die in den Sturz verwickelt waren,
       ist schnell keine Rede mehr gewesen. Etliche Fahrer erlitten
       Gehirnerschütterungen; bei Jay Vine vom Team Emirates wurde gar ein Bruch
       der Halswirbelsäule sowie zwei Wirbelkörperfrakturen an der
       Brustwirbelsäule diagnostiziert. Es ist der beinahe alltägliche Irrsinn des
       Radsports, dem sie zum Opfer gefallen sind. Lebensgefahr ist Teil des
       Geschäfts, von dem die Profis leben, für das schon so mancher sein Leben
       gelassen hat.
       
       Abfahrten mit Geschwindigkeiten weit jenseits der 70 km/h sorgen für den
       Schauer, der den Sport in den Augen vieler Fans erst so faszinierend macht.
       In der Klassikersaison, die in diesen Tagen [4][mit dem Rennen
       Paris–Roubaix] ihren Höhepunkt hat, werden die Profis über
       Kopfsteinplasterstraßen geschickt, die selbst Besitzer gut gefederter
       Geländewagen meiden. „Die Hölle des Nordens“ wird das Rennen genannt, bei
       dem die Bilder von Fahrern, die von Schlaglöchern ausgehoben regelrecht
       durch die Luft fliegen bevor sie unsanft landen, zum Erfolg des Events
       beitragen.
       
       ## Schikane als Sturzfalle
       
       Um zu verhindern, dass das Peloton mit 60 km/h in die wohl gefährlichste
       Kopfsteimpflasterpassage im Wald von Arenberg brettert, haben die
       Veranstalter nun eine Schikane vor der Einfahrt in das Waldstück
       installiert. Die ist so eng, dass nun befürchtet wird, sie könne selbst
       eine Sturzfalle darstellen. Ein Hingucker wird die Passage beim Rennen auf
       jeden Fall. Spektakel ist garantiert. Und auch wenn gewiss niemand im
       Radsportzirkus will, dass jemand sich ernsthaft verletzt, dürfte allen
       Matadoren der Szene klar sein, dass auch deshalb so viele Menschen zu ihnen
       aufschauen, weil sie bereit sind ihr Leben zu riskieren.
       
       So brutal es vor dem Hintergrund der schweren Verletzungen auch klingen mag
       – mit jedem gebrochenen Schlüsselbein steigt der Unterhaltungswert des
       Radsports. Die Hölle verkauft sich besser als das Paradies. Das Entsetzen
       wäre jedenfalls groß, wenn die Veranstalter mit einem Mal verkünden würden,
       aus Sicherheitsgründen alle Kopfsteinpflasterpassagen aus dem Programm zu
       nehmen. Abfahrten von den hohen Alpenpässen würden für viele Zuschauer
       ihren Reiz verlieren, würde man die Rennen auf den Bergabpassagen
       neutralisieren und so die wilden Jagden durch die Serpentinenkurven
       unterbinden.
       
       Im Juni des vergangenen Jahrs erlag [5][der Schweizer Profi Gino Mäder] den
       Verletzungen, die er sich bei einem Sturz auf der Abfahrt vom Albulapass
       bei der Tour de Suisse zugezogen hat. Das Entsetzen darüber und die Trauer
       im Peloton über den Tod des damals 26-Jährigen waren groß und durchaus
       ehrlich. Der Irsinn geht dennoch mit unverminderter Geschwindigkeit weiter.
       
       5 Apr 2024
       
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 (DIR) Andreas Rüttenauer
       
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