# taz.de -- Weltweiter Medikamentenmangel: Gegengifte gehen gegen null
       
       > Für Schlangenbisse gibt es kaum mehr Gegengifte. Das endet oft tödlich –
       > vor allem im globalen Süden. Experten erklären, was helfen könnte.
       
 (IMG) Bild: Sieht nicht nur gefährlich aus: eine Schwarze Mamba in Verteidigungshaltung
       
       Berlin taz | Vergiftungen durch Schlangenbisse sind laut der
       Weltgesundheitsorganisation (WHO) eine „neglected disease“, zu Deutsch eine
       „vernachlässigte Krankheit“. Jährlich werden 2,7 Millionen Menschen von
       Giftschlangen gebissen, 140.000 von ihnen sterben. Schuld daran ist ein
       weltweiter Mangel an Gegengiften. Auf dem 25. Forum „Reisen und Gesundheit“
       des Centrums für Reisemedizin (CRM) sprachen Experten über die Gründe und
       Auswirkungen dieser Probleme.
       
       Dietrich Mebs ärgert der Mangel an Gegengiften, „es gab ja früher welche“,
       sagt der Toxikologe. Die Hersteller hätten aber nicht genug an den Mitteln
       verdient und nach und nach die Produktion eingestellt. Mebs beschäftigt
       sich seit 1965 mit Schlangenbissen. In Südafrika würden noch Gegengifte
       hergestellt. Dort sei die Produktion jedoch privatisiert, die Medikamente
       seien deshalb meist zu teuer für die Menschen in der Subsahara-Region: „Die
       sind sehr übel dran“, sagt Mebs.
       
       Auf dem afrikanischen Kontinent insgesamt hätten chinesische und indische
       Hersteller den Markt übernommen. Ihre Gegengifte seien billig, aber weniger
       wirksam, da sie auf asiatische Giftschlangen spezialisiert seien. Der
       französische Hersteller des Antiserums Fav-Afrique, das gegen alle
       wichtigen Schlangengifte Subsahara-Afrikas geholfen habe, hätte seine
       Produktion 2010 eingestellt, sagt Mebs und fordert: Für neue Gegengifte,
       die sich die Menschen leisten können, brauche es Subventionen.
       
       Ein Bauer im [1][Kongo] verdiene beispielsweise umgerechnet 50 US-Dollar im
       Monat, erklärt der Giftexperte. Wird er [2][von einer Giftschlange
       gebissen], müsse er Glück haben, in der Nähe einer Zentralapotheke zu
       leben. Dort müsse er selbst das Gegengift kaufen und es zum Arzt
       mitbringen. Eine Ampulle Gegengift würde jedoch über 100 US-Dollar kosten.
       Bei starken Vergiftungen brauche es sechs bis sieben Ampullen. „So spielen
       sich da fürchterliche Dramen ab“, sagt Mebs.
       
       ## WHO setzt falsch an
       
       Das Bernhard-Nocht-Institut für [3][Tropenmedizin] (BNITM) hat einen
       Lösungsansatz vorgestellt, der vorsieht, dass einheitlichere Regelungen für
       klinische Studien und Zulassungen erarbeitet werden, lokale Produktionen
       gestärkt und die allgemeine Gesundheitsversorgung ausgebaut wird. Die WHO
       stelle hierfür Millionen an Fördergeldern bereit, die bisher allerdings nur
       in die Erforschung und Entwicklung von Gegengiften fließen würden, so Mebs.
       
       Die WHO hat vor, die Anzahl der tödlichen Vergiftungen bis 2030 zu
       halbieren. Mebs steht diesem Ziel skeptisch gegenüber: „Eine brauchbare
       Lösung sehe ich da nicht.“ Die [4][WHO] sei nur ein Anstoßgeber. Es brauche
       Produzenten und finanzielle Anreize für diese, um dem Problem
       entgegenzuwirken. Es würden „riesige Mengen“ an Gegengiften benötigt.
       
       8 Mar 2024
       
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