# taz.de -- Die Wahrheit: Starschnitt mit Hirn
       
       > Sie war die Heldin der sechziger und siebziger Jahre: Emma Peel. Das
       > Karate-Girl aus „Mit Schirm, Charme und Melone“, gespielt von Diana Rigg.
       
       Okay, ich hatte einen Starschnitt von Emma Peel an der Wand. Ich war
       dreizehn. Man musste Woche für Woche die Zeitschrift Bravo kaufen. Frau
       Peel wurde in zwölf Teilen geliefert, es begann mit dem rechten Stiefel in
       der Bravo Nr. 44 von 1967 und endete mit ihrem Kopf in der Nr. 1 von 1968.
       
       Das Ergebnis war ein wenig enttäuschend, denn die Rottöne der Kleidung
       variierten von Woche zu Woche, so dass die Geheimagentin aus der Serie „Mit
       Schirm, Charme und Melone“ am Ende in einen Flickenteppich gekleidet
       schien. Außerdem war ihr Gesichtsausdruck alles andere als intelligent, und
       sie hielt die Arme merkwürdig ungelenk. Es sollte wohl einen Karatehieb
       andeuten. Dabei hatte sie bloß den blauen Gürtel, was laut Lexikon
       bedeutet, dass die Trägerin bereit sei, „im nächsten Schritt in die
       Oberstufe des Karate aufzusteigen“.
       
       Lebensgroß war sie auch nicht. In Wirklichkeit maß sie 1,74 Meter, aber der
       Starschnitt war kleiner als ich. Doch das war mir alles egal, ich war stolz
       auf Emma Peel an meiner Wand. Man kann heute noch alle 118 Starschnitte im
       Bravo-Onlineshop für 16,95 kaufen, aber wer macht das schon? Diejenigen,
       die sich an die Fernsehserie erinnern, sind aus dem Starschnitt-alter
       heraus, und die Jüngeren kennen die Schauspielerin Diana Rigg nicht. Dabei
       war sie nicht nur Emma Peel, sondern auch Tracy Bond, die einzige Ehefrau
       von James Bond, gespielt von George Lazenby.
       
       Die zehnjährige Grace aus Edinburgh wäre eigentlich im perfekten
       Starschnittalter, aber sie interessiert sich nicht für Filmstars, sondern
       für Naschwaren. Vor allem für Kartoffelchips mit Haggis-Geschmack. Haggis
       ist das schottische Nationalgericht, es besteht aus allerlei Innereien, die
       mit Hafermehl vermischt im Schafsmagen gekocht werden.
       
       Zu Grace’ Entsetzen erklärte die Firma Taylors die Haggis-Chips eines Tages
       zum „saisonalen Angebot“ und nahm sie vom Markt. Seit wann gibt es für
       gefüllten Schafsmagen eine Saison? Grace schrieb an den Geschäftsführer
       James Taylor und bat ihn, die Entscheidung zu überdenken: „Wenn Sie das
       können, danke. Wenn nicht, bin ich traurig.“
       
       Taylor konnte. Und nicht nur das: Er schickte ein Taxi mit Kisten voller
       Haggis-Chips an Grace und lud sie in die Fabrik ein, um zu sehen, wie ihr
       Lieblings-Snack hergestellt wird. Das Angebot sollte sie besser
       ausschlagen: Die Zutatenliste liest sich wie die Inventarliste eines
       Chemielabors, aber Haggis ist nicht dabei.
       
       Leider würde es nichts nutzen, Grace zu fragen, ob sie an das ZDF schreiben
       und darum bitten könnte, die erste Staffel von „Mit Schirm, Charme und
       Melone“ endlich auszustrahlen, die bis auf zwei Folgen nie im deutschen
       Fernsehen zu sehen war. Von den meisten der teilweise live gespielten
       Folgen gibt es keine Kopien mehr. Da hilft nicht mal ein Starschnitt von
       Emma Peel an der Wand.
       
       11 Mar 2024
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ralf Sotscheck
       
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