# taz.de -- Tunnel in Gaza: Wasser könnte Waffe werden
       
       > Die Kämpfe im Süden des Gazastreifens erreichen einen Höhepunkt. Die
       > Tunnel der Hamas könnten zudem geflutet werden – mit schlimmen Folgen.
       
 (IMG) Bild: Fast die gesamte Bevölkerung ist im Gazastreifen auf der Flucht. Die meisten wissen nicht, wohin
       
       Berlin taz | „Horrorszenen“, ein „Lehrbuchrezept für Epidemien“ und ein
       „noch höllischeres Szenario“ als bislang schon: Seit der Wiederaufnahme der
       Kämpfe zwischen Israel und der Hamas im Gazastreifen überschlagen sich
       Hilfsorganisationen mit Superlativen. „Die Bombardierung gehört zu den
       schlimmsten Angriffen auf die Zivilbevölkerung in unserer Zeit“, teilte die
       Hilfsorganisation Norwegian Refugee Council am Dienstag mit. Fast die
       gesamte Bevölkerung sei mittlerweile innerhalb des Gebiets vertrieben
       worden.
       
       Die Blicke richten sich vor allem auf den Süden des Küstenstreifens, wo
       sich ein Großteil der rund zwei Millionen Gaza-Palästinenser*innen auf
       engem Raum gesammelt hat. Die WHO teilte am Dienstag mit, statt
       medizinisches Material auszuliefern, habe sie Hals über Kopf zwei
       Lagerhäuser in der Stadt Chan Junis räumen müssen, in deren Zentrum die
       israelische Armee am Dienstag vorrückte. Laut UN-Nothilfsorganisation Ocha
       wurde die Verteilung von Hilfsgütern im gesamten Gouvernement Chan Junis
       „weitgehend eingestellt“. Zehntausende hätten sich weiter geflüchtet in
       Richtung ägyptischer Grenze.
       
       „Die meisten Menschen, die ich getroffen habe, wurden schon mehrmals
       vertrieben“, erklärte Mirjana Spoljaric, Präsidentin des internationalen
       Rotkreuz-Komitees (ICRC), die sich zuletzt selbst im Gazastreifen aufhielt.
       „Ich habe Menschen getroffen, die ein Bein verloren haben, weil sie
       zwischen den Behandlungen evakuiert werden mussten.“ Spoljaric warnte in
       einem Statement: „Ich rufe alle Parteien auf, zu deeskalieren und andere
       als militärische Lösungen für das unermessliche Leid zu finden. Es muss
       eine politische Lösung geben.“
       
       Nach mehr als zwei Monaten Krieg sind die Kämpfe im Süden derzeit noch
       härter als im Norden. Ein israelischer Armeesprecher bezeichnete den
       Dienstag als den „intensivsten Tag seit Beginn der Bodenoffensive“.
       
       Während der Beschuss aus dem Gazastreifen anhält – am Dienstag schlug eine
       Rakete im israelischen Aschkelon ein –, hält Israel an seiner
       Kriegsstrategie fest: sowohl an dem Ziel, die Hamas zu eliminieren, als
       auch an der Kriegsführung, erst massiv aus der Luft zu bombardieren und
       dann Bodentruppen zu schicken. Im Süden des Gazastreifens sollen sich nicht
       nur Teile der Hamas-Führung, sondern auch rund 20.000 Hamas-Kämpfer
       aufhalten.
       
       ## Flutung und ihre Folgen
       
       Eine besondere Herausforderung ist das Tunnelsystem der Hamas in Gaza.
       Israel gibt an, mehr als 800 Tunnelschächte vor allem im nördlichen
       Gazastreifen entdeckt und davon rund 500 bereits zerstört zu haben. „Die
       Schächte befanden sich in zivilen Gebieten, viele davon in der Nähe oder
       innerhalb von Bildungseinrichtungen, Kindergärten, Moscheen und
       Spielplätzen“, so ein Armeesprecher.
       
       Die Kriegsführung in Tunneln ist auch für eine moderne Armee wie die
       israelische schwierig – in diesem Fall insbesondere auch deshalb, weil in
       den Tunneln die mehr als 130 israelischen Geiseln vermutet werden, die sich
       weiter in der Gewalt der Hamas und anderer Gruppen befinden. Eine Flutung
       der Tunnel etwa – ein bewährtes Mittel der Kriegsführung – würde diese in
       Gefahr bringen. Die Hamas dürfte Geiseln gezielt einsetzen, um Israel von
       einer Flutung abzuhalten.
       
       Dennoch scheint diese Option nicht ausgeschlossen: Einem [1][Bericht des
       Wall Street Journal] zufolge, der auf US-Quellen beruht, hat Israel ein
       System gebaut, mit dem Wasser aus dem Mittelmeer in die Tunnel gepumpt
       werden könnte. So würden diese zum Einsturz gebracht und die Kämpfer aus
       ihren Verstecken getrieben werden. Die Montage von fünf Meerwasserpumpen
       sei Mitte November abgeschlossen worden, heißt es in dem Bericht. Die
       komplette Flutung würde jedoch mehrere Wochen dauern.
       
       [2][Allerdings vermuten Beobachter*innen, dass Israel längst nicht alle
       Tunnel kennt.] Das Wall Street Journal weist auf weitere Ungewissheiten
       hin: Es sei „nicht sicher, wie erfolgreich das Fluten wäre, da niemand die
       Details der Tunnel und des Bodens kennt“, zitiert es eine Quelle, die mit
       den Plänen vertraut sein soll. Neben Gebäuden könnte auch das Grundwasser
       Schaden nehmen. Meerwasser, aber auch gefährliche Stoffe könnten
       eindringen.
       
       2015 hatte das ägyptische Militär mehrere Schmugglertunnel geflutet. Die
       damalige Aktion hatte allerdings ein weit geringeres Ausmaß, als es eine
       Flutung des gesamten Tunnelnetzwerks hätte.
       
       5 Dec 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.wsj.com/world/middle-east/israel-weighs-plan-to-flood-gaza-tunnels-with-seawater-a375dd0b
 (DIR) [2] /Tunnel-unter-Gaza/!5970956
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jannis Hagmann
       
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