# taz.de -- Letzte „Anne Will“-Sendung: Abschied ohne Tamtam
       
       > Nach „Wetten, dass..?“-Moderator Thomas Gottschalk hat jetzt auch noch
       > Talkmasterin Anne Will ade gesagt. Fehlen wird vor allem ihre Ironie.
       
 (IMG) Bild: Applaus und Blumen zum Abschied: letzte Sendung „Anne Will“
       
       Weil unter der Woche viel Schwerverdauliches passiert, macht Deutschland
       sonntagabends ein kollektives Bäuerchen. Politiker:innen tischen noch
       einmal auf, Expert:innen servieren und liefern Kritik oder Zustimmung,
       während die Speisen in die Verdauungsröhren des Publikums flutschen. Und
       wenn die Zuschauer:innen aufstoßen mussten oder ihnen etwas im Hals
       stecken blieb, dann war Anne Will zur Stelle. Über drei Millionen
       Zuschauer:innen sahen vergangenen Sonntag [1][bei ihrer letzten Sendung]
       zu.
       
       Das Publikum brauchte nie extra einzuschalten, sondern konnte nach dem
       „Tatort“ einfach dranbleiben. Danach lief direkt die politische
       Diskussionssendung an, laut [2][NDR] die meistgesehene im deutschsprachigen
       Raum. Vergangenen Sonntag wurde Abschied genommen, mit Navid Kermani
       (Autor), Raphael Gross (Historiker), Florence Gaub (Leiterin des Nato
       Defense College) und Robert Habeck (Vize-Kanzler).
       
       Unter dem Motto „Die Welt in Unordnung“ sollten die vier Gäste in sechzig
       Minuten so viel wie möglich erörtern: Ukraine, Nahostkonflikt, Deutschlands
       Rolle in der EU, Haushaltsloch. Dementsprechend wirkte die Show
       protokollartig, zu Diskussionen kam es kaum, gesagt wurde nicht viel, was
       nicht woanders schon verlautbart wurde. Schade, wäre es doch schön gewesen,
       Will in ihrer letzten Sendung nicht nur den Redestab von Gast zu Gast zu
       reichen, sondern eine lebendige Diskussion gestalten zu sehen.
       
       Gegen Ende machte das Ganze aber dann doch kurz Spaß, als Will versuchte,
       Habeck mit Theatralik aus der Reserve zu locken. Als der wiederum
       versuchte, sich um die Frage zu winden, ob es bald eine Lösung für das
       Haushaltsloch geben werde, und sagte, er sei optimistisch, entgegnete Will:
       „Ich bin erschüttert, Herr Habeck, Sie sagen, es kann sein, dass es nicht
       klappt!“
       
       ## Blumensträuße und Diashow
       
       Seltsam unausgesprochen über der Runde hing das Wissen, dass es die letzte
       von Wills Moderationen sein würde. [3][Im Gegensatz zum Gottschalk’schen
       Abschiedsgetöse bei „Wetten, dass..“] am vorherigen Wochenende wurde
       während der Sendung kein Tamtam darum gemacht, am Ende gab es dann aber
       doch ein paar Schlussworte, Blumensträuße und ein Zusammenschnitt, in denen
       Wills Präsenz die einzige Konstante war.
       
       16 Jahre lang re(a)gierte sie, mitunter mit Ironie. Ihr Schmunzeln sprengte
       den seriösen Rahmen der Talkshow zwar nicht, fügte dem Bildschirm aber
       immerhin Risse hinzu, die die Selbstdarstellung so manchen Politikers
       durchkreuzten. Mit Will saß da eine, die besonders zähe, irrlichternde
       Vorträge mimisch zu würdigen wusste.
       
       In diesen Momenten wurde Will zum Medium zwischen Publikum und Gästen, denn
       ihre Reaktionen drückten das aus, was sich die Zuschauer:innen zu Hause
       vielleicht schon dachten. „Mensch, der nervt! Wo rennen wir jetzt hin?
       Widerspruch, Widerspruch!“ Kurzzeitige ironische Distanzen zur Gästeriege
       schufen Nähe zum Publikum.
       
       Künftig geleitet die bisherige „ [4][Tagesthemen“-Moderatorin Caren Miosga]
       die „Tatort“-Nicht-Abschalter:innen durch die Debatten der Woche. Will
       möchte sich fortan neuen Projekten widmen. Welchen, das wollte sie nicht
       verraten. Auf jeden Fall haben diese auch was mit Fernsehen zu tun. Gut so,
       denn ihre letzte Sendung fühlte sich einfach zu wenig nach Abschied an.
       
       4 Dec 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://daserste.ndr.de/annewill/videos/Die-Welt-in-Unordnung-Ist-Deutschland-Herausforderungen-gewachsen,annewill8222.html
 (DIR) [2] https://www.ndr.de/der_ndr/presse/mitteilungen/Anne-Will-Gradmesser-fuer-die-juengste-deutsche-Geschichte-letzte-Ausgabe-am-3-Dezember-im-Ersten,pressemeldungndr24320.html
 (DIR) [3] /Abschied-von-Thomas-Gottschalk/!5972919
 (DIR) [4] https://www.tagesschau.de/inland/caren-miosga-tagesthemen-abschied-interview-100.html
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Lara Ritter
       
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