# taz.de -- Touristenbahn und Indigene in Mexiko: Es fährt ein Zug ins Maya-Land
       
       > 30 Milliarden US-Dollar wird die Touristenbahn Tren Maya in Mexiko
       > kosten. Die Maya befürchten Wasserknappheit, wenn mehr Urlauber nach
       > Cancun kommen.
       
 (IMG) Bild: Der „rollende Jaguar“, der Mayazug, hat den ersten Teilabschnitt von 500 Kilometer vom Golf von Mexiko nach Cancun zurückgelegt
       
       Nun soll’s der Herrgott richten. Oder zumindest sein Vertreter auf Erden.
       Wenige Tage bevor die [1][Touristenbahn „Tren Maya“] am vergangenen Freitag
       erstmals über die mexikanische Halbinsel Yucatán rollte, besuchte die
       Gouverneurin des dortigen Bundesstaates Quintana Roo, Mara Lezama, den
       Papst Franziskus im Vatikan. Im Gepäck hatte sie eine Miniatur des
       umstrittenen Zuges, die sie dem katholischen Oberhaupt mit der Bitte
       übergab, er möge das Megaprojekt segnen.
       
       Zudem habe sie ihrem Gastgeber einen Brief des Präsidenten Andrés Manuel
       López Obrador mitgebracht, informierte die Politikerin auf der Plattform X.
       Damit nicht genug. Sie schenkte dem Papst auch noch eine „von Frauen aus
       der Maya-Region von Tulum gestickte Tischdecke, die die Kultur, Würde und
       soziale Gerechtigkeit repräsentiert, für die wir in Quintana Roo arbeiten“.
       
       Hat alles geklappt. Franziskus hat seinen Segen ausgesprochen und der
       „rollende Jaguar“, der erste Mayazug, hat erfolgreich den ersten
       Teilabschnitt von knapp 500 Kilometer vom Golf von Mexiko in die
       Touristenhochburg Cancún in der Riviera Maya zurückgelegt. Dass
       Gouverneurin Lezama und Präsident López Obrador ausgerechnet den Papst
       anrufen, um sich moralische Rückendeckung für das fragwürdige Projekt zu
       suchen, hat jedoch etwas ziemlich Skurriles.
       
       Schließlich spielte die katholische Kirche eine zentrale Rolle, als die von
       Mayas bewohnte Insel vor über 500 Jahren von den spanischen Eroberern
       heimgesucht wurde. Gerade auf der Halbinsel angekommen, ließ der
       Franziskanermönch Diego de Landa schon 1562 viele Bilder und Symbole
       zerstören und fast alle Schriften verbrennen. Wer Ärger machte, wurde
       gefoltert und ermordet.
       
       ## Die Mayakultur bewahren
       
       Hätten sich die Indigenen nicht trotzdem jahrhundertelang gegen die
       Konquistadoren gewehrt, könnten Tourist*innen heute kaum, wie geplant,
       auf Kunsthandwerk-Märkten an den Bahnhöfen Röcke, Tischdecken oder
       Halstücher der Mayakultur kaufen. Heute sind drei Viertel der dort Lebenden
       katholischen Glaubens. So gesehen war es eine erfolgreiche Mission und der
       Papst vielleicht doch die richtige Adresse für spirituelle Unterstützung.
       
       Inzwischen sprechen noch rund 500.000 Mayas, etwa ein Viertel der
       Bewohner*innen der Halbinsel, ihre ursprüngliche Sprache. Neben ihnen
       zeugen vor allen die archäologischen Stätten noch von der alten Kultur:
       Chichén Itzá, Calakmul, Uxmal. Dorthin soll die Bahn künftig noch mehr
       Urlauber*innen bringen.
       
       Ob der Zug den Indigenen tatsächlich zu mehr „Würde und sozialer
       Gerechtigkeit“ verhilft, ist fraglich. Die meisten Maya sind arm. Schon
       jetzt arbeiten viele von ihnen für wenig Geld in schicken Hotelanlagen an
       karibischen Stränden und wohnen oft unter miserablen Bedingungen in den
       Außenbezirken von Cancún.
       
       ## Das Wasser wird knapp
       
       Spricht man mit den Indigenen aus den abgelegenen Gemeinden im Süden der
       Region, hört man große Befürchtungen. Schon jetzt sei das Wasser knapp,
       sagen sie. Was passiert erst, wenn riesige Hotels gebaut werden? Die
       Menschen wissen, was Massentourismus heißt: Sie fürchten, dass die
       [2][organisierte Kriminalität] wie in Cancún die Kontrolle übernimmt, ihre
       Töchter zur Prostitution gezwungen und ihre Söhne [3][von der Drogenmafia]
       kooptiert werden.
       
       Ganz abgesehen davon, dass dem Tren Maya bereits viele Bäume zum Opfer
       fielen und niemand weiß, ob er nicht eines Tages in die karstigen Höhlen
       einbricht, die die Halbinsel in einem umfangreichen Wassersystem verbinden.
       
       Rund 30 Milliarden US-Dollar wird das Prestigeprojekt López Obradors
       kosten, wenn, wie geplant, in den nächsten Monaten alle Teilabschnitte
       fertiggestellt sind. Ein ganz schöner Batzen Geld für einen Zug, von dem
       niemand weiß, ob er bei Tourist*innen auf Interesse stößt. Aber López
       Obrador ist zufrieden.
       
       „Heute waren die Menschen glücklich“, sagte er nach der Einweihung. Ganz
       unrecht hat er nicht. Abgesehen von jenen rebellischen Gemeinden und
       einigen Naturschützer*innen hoffen viele Menschen auf bessere Zeiten
       durch mehr Tourismus mit dem Mayazug. Blickt man auf die bisherige
       Entwicklung an der Riviera Maya, dürften diese Hoffnungen kaum erfüllt
       werden.
       
       20 Dec 2023
       
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