# taz.de -- Nach Tod von Jugendlichem bei Dorffest: Selbstjustiz durch rechte Gruppen
       
       > Die extreme Rechte mobilisiert in Frankreich nach dem Tod eines
       > 16-Jährigen. Der Innenminister will drei Gruppierungen verbieten.
       
 (IMG) Bild: „Ich werde nicht zulassen, dass eine Miliz anstelle der Staatsanwälte und der Polizei das Recht vertritt“, sagte der französische Innenminister Gerald Darmanin
       
       Paris taz | Frankreichs Innenminister Gérald Darmanin hat seine Gangart
       gegen rechtsextreme Gruppierungen verschärft. Am Dienstag kündigte Darmanin
       an, drei der Organisationen verbieten zu wollen, die am Wochenende
       [1][Selbstjustiz] für den Tod des 16-jährigen Thomas verüben wollten.
       
       „Ich werde nicht zulassen, dass eine Miliz anstelle der Staatsanwälte und
       der Polizei das Recht vertritt“, sagte Darmanin im Radiosender France
       Inter. Er griff die Warnung des Kommunistenchefs Fabien Roussel vor einem
       Bürgerkrieg auf. „Es gibt unter den Ultrarechten eine Mobilisierung, die
       uns in den Bürgerkrieg stürzen will.“
       
       Am Wochenende waren Hunderte Vermummte durch mehrere französische Städte
       gezogen. Sie skandierten Slogans wie „Gerechtigkeit für Thomas“, „Die
       Straße in Frankreich gehört uns“ und „[2][Islam] raus aus Europa“. In der
       südfranzösischen Kleinstadt Romans-sur-Isère wollten rund 80 militante
       Neonazis mit Gewalt in ein Sozialbauviertel vordringen, in dem mehrere
       Jugendliche wohnen, die für den Tod von Thomas verantwortlich sein sollen.
       
       Der Schüler war Mitte November bei einem Gemeindefest in dem
       südfranzösischen Dorf Crépol erstochen worden. Gegen neun Verdächtige
       laufen Ermittlungsverfahren, unter anderem wegen Mordes.
       
       ## Polizisten mit Eisenstangen angegriffen
       
       Obwohl der Staatsanwalt vor vorschnellen Schlüssen warnte, machte die
       extreme Rechte die Jugendlichen in der Sozialbausiedlung, die oft aus
       Einwandererfamilien stammen, als Täter aus. Als sie am Samstag in
       Romans-sur-Isère einfielen, riefen sie offen zu Racheaktionen auf, wie
       Auswertungen ihrer Whatsapp-Nachrichten ergaben. „Sie sind gekommen, um zu
       töten“, sagte ein Einwohner der Zeitung Libération. Mindestens einer der
       Angreifer soll der rechtsextremen Division Martel angehören, die Darmanin
       nun verbieten will.
       
       Im vergangenen Dezember waren deren Mitglieder an Angriffsplänen auf
       marokkanische Fans am [3][Rande des WM-Spiels Frankreich – Marokko]
       beteiligt gewesen. Sechs der Angreifer wurden am Montag in Schnellverfahren
       zu sechs bis zehn Monaten Haft verurteilt, unter anderem weil sie
       Polizisten mit Eisenstangen und Baseballschlägern verletzt hatten.
       
       Das schnelle Durchgreifen der Polizei habe jüngst ein „Szenario wie in
       Irland“ verhindert, sagte Darmanin. In der irischen Hauptstadt Dublin war
       es vergangene Woche nach dem Messerangriff eines wohl
       [4][algerischstämmigen Mannes] auf Kinder zu schweren Ausschreitungen
       gekommen.
       
       Der französische Geheimdienst warnte vor einer außergewöhnlich starken
       Mobilisierung der Rechtsextremen. Die Ultrarechte sehe im Tod von Thomas
       den Beginn eines „ethnischen Konflikts“, der unausweichlich sei, heißt es
       in einem Bericht, aus dem der Fernsehsender BFM zitierte. Neue Aufmärsche
       seien geplant, die sich mit noch mehr Gewalt gegen Eingewanderte oder die
       Polizei richten könnten.
       
       Der Rechtsextremist Eric Zemmour, der selbst einen jüdisch-algerischen
       Migrationshintergrund hat, stachelte die aggressive Stimmung noch an, indem
       er die Namen der Jugendlichen, die nach dem tödlichen Überfall auf Thomas
       festgenommen worden waren, veröffentlichte. Der Ex-Präsidentschaftskandidat
       warnt schon seit Langem vor einem Bürgerkrieg zwischen Französinnen und
       Franzosen auf der einen und Eingewanderten auf der anderen Seite.
       
       Darmanin kritisierte Zemmours Verhalten scharf. „Was mich interessiert,
       sind nicht die Vornamen von Personen, sondern ob sie ein Delikt begangen
       haben.“ Seit 2017 wurden laut dem Innenminister 13 Anschläge ultrarechter
       Gruppen vereitelt. Rund 3.300 Menschen gehören in Frankreich zur
       rechtsextremen Szene, rund 1.300 von ihnen werden als potenzielle Gefährder
       eingestuft.
       
       28 Nov 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Transformative-Gerechtigkeit/!5964901
 (DIR) [2] /Tuerkischer-Einfluss-auf-deutsche-Moschee/!5975002
 (DIR) [3] /Marokkos-Erfolg-bei-der-WM/!5899031
 (DIR) [4] https://www.dailymail.co.uk/news/article-12789939/Suspect-Dublin-stabbing-charged-knife-possession-year-never-convicted.html
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Christine Longin
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Frankreich
 (DIR) Mord
 (DIR) Rechte
 (DIR) Eskalation
 (DIR) Rechtsextremismus
 (DIR) Angriff
 (DIR) Hassrede
 (DIR) Schwerpunkt Emmanuel Macron
 (DIR) Unruhen in Frankreich nach Polizeigewalt
 (DIR) Schwerpunkt Emmanuel Macron
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Erneuter Terroranschlag in Frankreich: Deutscher Bürger in Paris erstochen
       
       Nach einem wohl islamistisch motivierten Attentat wächst die Sorge um die
       Sicherheit bei den Olympischen Spielen im kommenden Jahr in Paris.
       
 (DIR) Hassrede nach Vergewaltigungsprozess: Die standhafte Richterin
       
       Die Hamburger Jugendrichterin Anne Meier-Göring wird seit Dienstag im
       Internet mit Hass überschüttet. Dabei ist sie mutig und klug.
       
 (DIR) Senat für härtere Immigrationsgesetze: Frankreichs rechte Scharfmacher
       
       Innenminister Darmanin wollte die Immigrationsgesetze reformieren. Die
       rechte Opposition setzt auf noch mehr Härte – und drückt das im Senat
       durch.
       
 (DIR) Journalist über die französische Polizei: „Wie eine Mafia“
       
       Valentin Gendrot war monatelang undercover bei der französischen Polizei.
       Dort erlebte er gewalttätige Kollegen und eine Kultur des Schweigens.
       
 (DIR) Politologe über Unruhen in Frankreich: „Es wird einen Rechtsruck geben“
       
       Die Mehrheit der Franzosen verurteilt die anhaltenden gewalttätigen
       Proteste, sagt der Politologe Joseph de Weck. Den Protestierenden fehle ein
       Forderungskatalog.