# taz.de -- Mangelnde Aufklärung bei Polizei Berlin: Korpsgeist in der Wagenburg
       
       > Der für 364 unaufgeklärte rechte Straftaten verantwortliche
       > Staatsschützer ermittelte früher im Mordfall Bektaş. Die Polizei macht
       > sich mit Intransparenz unglaubwürdig.
       
 (IMG) Bild: Aktivist*innen demonstrierten im September vorm Abgeordnetenhaus für Aufklärung im Fall Bektaş
       
       Die Polizei Berlin macht sich immer unglaubwürdiger bei der Bekämpfung
       rechter Straftaten. Nicht nur sind im LKA-Kommisariat 533 des für
       Rechtsextremismus zuständigen Staatsschutzes rund drei Jahre lang sechs
       Prozent aller Straftaten liegen geblieben und haben sich zu einem riesigen
       unbearbeiteten Berg von 364 Fällen aufgetürmt – die Sicherheitsbehörden
       sind auch äußerst intransparent bei der Aufklärung.
       
       Während die Polizei für gewöhnlich proaktiv besondere Straftaten meldet,
       gab es zu den Ermittlungen wegen Strafvereitelung gegen zwei Beamte aus dem
       Kommissariat 533 keine Mitteilung. Stattdessen wurden alle Kommissariate
       der Abteilung 53 zusammengezogen, um in einer heimlichen Hauruck-Aktion den
       riesigen Aktenberg Rechtsextremismus abzuarbeiten und erst mal intern
       aufzuräumen. Und das wohlgemerkt in einer Behörde, um die wegen zahlreicher
       Ungereimtheiten bei der (Nicht-)Aufklärung der rechtsextremen Anschlagserie
       im Neukölln-Komplex ein ganzer parlamentarischer Untersuchungsausschuss um
       das Versagen und strukturelle Probleme der Sicherheitsbehörden kreist.
       
       Noch vor einer Woche, als der unaufgeklärte Aktenberg [1][durch einen
       BZ-Bericht] bekannt wurde, klopften sich Innenstaatssekretär Christian
       Hochgrebe und Barbara Slowik für die gute Zusammenarbeit auf die Schulter –
       klar müsse man das jetzt aufklären, aber immerhin sei der Polizei der
       Missstand ja diesmal selbst aufgefallen.
       
       Auf kritische Nachfragen im Innenausschuss folgten Ausflüchte: Bei den 364
       Straftaten gebe es keine Verbindungen zum Neukölln-Komplex. Ob die
       beschuldigten Polizist*innen Ermittler aus dem Neukölln-Komplex oder
       dem unaufgeklärtem Mordfall von Burak Bektaş seien? Dazu gebe es „keine
       näheren Erkenntnisse“, und das sei „Gegenstand der Ermittlungen“, so
       Polizeipräsidentin Slowik.
       
       ## Keine Transparenz und Fehlerkultur
       
       Im Lichte der weiteren Entwicklungen scheint diese Aussage besonders
       unglaubwürdig. Nach fünf Wochen will die Polizei nicht überprüft haben, ob
       es einen Zusammenhang zum Neukölln-Komplex gibt? Und tatsächlich kommt nur
       vier Tage später nach einem [2][Bericht des Tagesspiegels] heraus: Der
       verdächtige Kommisariatsleiter ist Alexander H. Der war früher Ermittler
       und Chef der 6. Mordkommission und leitete von Beginn an die Ermittlungen
       im mutmaßlich rassistischen Mordfall Bektaş.
       
       Der 20-Jährige wurde 2012 auf offener Straße in Neukölln erschossen – nicht
       nur Angehörige beklagen mangelnde Ermittlungen. Der Tagesspiegel schreibt,
       dass nach dem Abgang von H. im Fall Bektaş sämtliche Ermittlungen neu
       aufgerollt wurden. Eine Frage für den Untersuchungsausschuss im
       Neukölln-Komplex ist nun, inwiefern es schon damals behördenintern Zweifel
       an H. gab – und warum er gegebenenfalls trotzdem zum für rechts zuständigen
       Staatsschutz durfte?
       
       Der Fall zeigt erneut: Aufklärung gibt es nur schrittweise. Im autoritären
       Sicherheitsapparat Polizei herrscht immer noch eher Wagenburgmentalität und
       Korpsgeist als Transparenz und Fehlerkultur. Ins Gesamtbild passt, dass
       eine Entschuldigung gegenüber den mutmaßlichen Opfern der 364 liegen
       gebliebenen rechten Straftaten weiter aussteht. Dass Betroffene den
       Rücktritt Slowiks fordern, ist mehr als verständlich.
       
       3 Dec 2023
       
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 (DIR) [1] https://www.bz-berlin.de/berlin/staatsschuetzer-liessen-hunderte-nazi-ermittlungen-liegen
 (DIR) [2] https://www.tagesspiegel.de/berlin/hunderte-rechtsextremismusakten-liegen-geblieben-berliner-kommissariatschef-hatte-zuvor-ermittlungen-im-mordfall-bektas-geleitet-10867324.html
       
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 (DIR) Gareth Joswig
       
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