# taz.de -- Beschädigte Ostseepipeline: Anker-Theorie verfestigt sich
       
       > Sabotage an der Balticconnector-Pipeline schließen die Behörden weiterhin
       > nicht aus. Möglich sei aber auch, dass ein Anker die Leitung aufgerissen
       > hat.
       
 (IMG) Bild: Schiff der finnischen Küstenwache bei Untersuchungen zum Leck der Pipeline am 11. Oktober
       
       Stockholm taz | Eine Explosion will man in Finnland und Estland zwar nach
       wie vor nicht ausschließen, aber die [1][Schäden an der Gaspipeline
       Balticconnector] und einem Unterwasser-Datenkabel zwischen Finnland und
       Estland seien „offenbar von einer mechanischen Kraft verursacht worden,
       nicht von einer Explosion“, erklärte Kriminaloberkommissar Risto Lohi von
       der in dieser Sache ermittelnden finnischen nationalen Polizeibehörde auf
       einer Pressekonferenz. Derzeit analysiere man den Schiffsverkehr in der
       fraglichen Nacht zum Sonntag.
       
       War es ein Schiffsanker? Und wenn ja, dann absichtlich oder unabsichtlich?
       Darauf konzentrieren sich die Spekulationen, seitdem der estnische
       Marineoberbefehlshaber Jüri Saksa am Dienstag das – nach wie vor nicht
       veröffentlichte – Bild- und Videomaterial analysiert hatte.
       
       Das an der fraglichen Stelle in einer Tiefe von 60 bis 70 Metern liegende
       und nicht gänzlich bedeckte Pipelinerohr mit einem Durchmesser von 50
       Zentimetern sei ebenso wie die es schützende Betonhülle an der Seite
       beschädigt und aus der Rinne, in der es gelegen habe verschoben worden: „Es
       ist vergleichsweise so, als wenn man mit dem Fuß an einem Gartenschlauch
       hängen bleibt und den ein Stück mit sich schleppt.“
       
       Also könnte – theoretisch – der Anker eines großen Schiffes über den
       Meeresboden geschleift sein. Der Anker könnte dabei mit Wucht auf das Rohr
       geprallt sein – und es mitgerissen haben. Ein solcher Ablauf könnte auch
       erklären, warum etwa gleichzeitig ein unweit von der Pipeline entfernt
       liegendes Datenkabel durch äußere Krafteinwirkung beschädigt wurde.
       
       ## Anker könnte ins Rohr eingeschlagen sein
       
       Analysen der seismologischen Institute der nordischen Länder und Estlands
       halten es für möglich, dass schwache Vibrationen zum Zeitpunkt des
       Druckabfalls in der Pipeline damit erklärt werden könnten, dass ein Anker
       in das Rohr einschlug und dadurch plötzlich Gas unter hohem Druck aus dem
       entstandenen Leck entwich. Jukka Savolainen, Abteilungsleiter beim von der
       EU und der NATO eingerichtetem [2][„Europäischem Kompetenzzentrum für die
       Bekämpfung Hybrider Bedrohungen“] erklärte im finnischen Fernsehen YLE:
       „Wenn sich die Pipeline bewegt hat und auf einer Seite beschädigt ist, kann
       es sich durchaus um ein großes Schiff handeln, das vor Anker liegt und in
       den stürmischen Winden abdriftet.“
       
       Stürmisch war es in der fraglichen Nacht. Wegen starkem Wind und zeitweisen
       Orkanböen mussten auch einige Ostseefähren ihren Betrieb einstellen. In der
       finnischen Bucht im Bereich der beschädigten Pipeline kreuzten nach einer
       Analyse von YLE mindestens vier Tanker und ein Frachtschiff, um vor ihrer
       Weiterfahrt in die offene Ostsee ein Abflauen des Windes abzuwarten.
       
       Unklar ist, ob einige von diesen zeitweise vor Anker gegangen waren. Nach
       Ansicht von Schifffahrtsexperten könnte es zu einem von einem Anker
       verursachten Schaden kommen, wenn ein vor Anker liegendes Schiff aufgrund
       starken Windes ins Treiben gerät. Sollte tatsächlich ein Schiffsanker den
       Schaden verursacht haben, wäre es schwer, einen eventuellen Vorsatz
       nachzuweisen.
       
       ## Reparatur dauert mindestens fünf Monate
       
       Wolle man darüber spekulieren, welches mögliche Interesse Russland an einem
       Sabotageakt haben könnte, sehe er theoretisch drei Motive, erklärte
       Savolainen der Tageszeitung „Helsingin Sanomat“: Ein Ablenkungsmanöver der
       Ukraine, ein Test, wie man entsprechende Leitungen beschädigen könne oder
       ein Protest gegen Finnlands NATO-Mitgliedschaft und das Signal, dass das
       Land damit nicht sicherer geworden sei.
       
       Der staatliche finnische Pipelinebetreiber Gasgrid schätzt, dass die
       Reparatur von Balticconnector mindestens fünf Monate in Anspruch nehmen
       wird. Sie könne damit vermutlich nicht vor April 2024 wieder in Betrieb
       genommen werden.
       
       12 Oct 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Leck-an-Gaspipeline-Finnland-Estland/!5965952
 (DIR) [2] https://www.hybridcoe.fi/
       
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