# taz.de -- Die Wahrheit: Schlafen wie ein Maskentier
       
       > Wenn das eigene Schlafverhalten jeden Morgen an die persönliche
       > Betreuerin in der Firma gemeldet wird, dann ist der Ruf schnell ruiniert.
       
       Mit Schlaf-Apnoe ist nicht zu spaßen. Viele Menschen tun es trotzdem. Ich
       weiß das aus eigener Erfahrung, denn in einem kurzen Augenblick der Torheit
       ließ ich mich von einer Münchner Freundin mit Maske und Schnorchel
       fotografieren, sodass der gesamte Bekanntenkreis seine Freude hatte. Ich
       sah aus wie Ekel Alfred in seinem Taucheranzug, den er vor dem Urlaub am
       Meer ausprobieren wollte und sich dabei aus dem Haus aussperrte. Die
       Älteren unter Ihnen werden sich an die Serie „Ein Herz und eine Seele“
       erinnern.
       
       Meine Schlaf-Apnoe – man bekommt beim Schlafen schlecht Luft, hat
       Atemaussetzer und ist tagsüber schläfrig – wurde vor zehn Jahren in Berlin
       diagnostiziert. Weil ich damals noch krankenversichert war, bezahlte die
       Kasse die monatliche Miete für das Atemgerät. Eines Tages fand ein
       übereifriger Angestellter heraus, dass ich meine Steuern in Irland
       entrichte, sodass man mich aus der Künstlersozialkasse hinauswarf.
       
       Ich bot an, das Gerät zu kaufen, aber die Firma lehnte ab: Man handle nicht
       mit Gebrauchtwaren. Nach einem längeren Briefwechsel erläuterte mir eine
       Angestellte sehr ausführlich, auf welcher Rechtsgrundlage der Verkauf eines
       gebrauchten Geräts, und sei es das eigene, verboten sei. Der Schlusssatz
       lautete: „Deshalb schenken wir es Ihnen.“
       
       Vor Kurzem habe ich mir in Irland eine moderne Maschine besorgt. Wie modern
       sie tatsächlich ist, fand ich schnell heraus: Das Gerät verfügt über eine
       SIM-Karte, mit der mein Schlafverhalten jeden Morgen an meine persönliche
       Betreuerin in der Firma gemeldet wird. Ich musste eine App auf meinem Handy
       installieren und bekam den Bericht ebenfalls, und zwar mit Fleißbienchen
       wie in der Grundschule. Frau Neumann, meine erste Klassenlehrerin, war aber
       eher nachsichtig. Die App ist es nicht.
       
       ## Wieder kein Fleißbienchen
       
       Bei 100 Punkten hat man eine perfekte Nacht verbracht. Das habe ich bisher
       nicht geschafft, denn es gibt Abzüge für Maskenlecks, Atemstillstand und
       mehr als zwei Toilettengänge. So wälzt man sich im Bett umher und fragt
       sich, ob der dritte Toilettengang wirklich nötig sei. Irgendwann ist die
       Sache dringlich. Mist, wieder kein Fleißbienchen.
       
       Einmal zeigte mir das Gerät an, dass ich nur 16 Minuten geschlafen hätte.
       Ich beschwerte mich über diese Falschmeldung, denn unter acht Stunden
       Schlaf geht bei mir gar nichts. Das Gerät fange um zwölf Uhr mittags neu an
       zu zählen, erklärte meine Betreuerin. Ob ich um diese Zeit etwa noch im
       Bett gewesen sei, fragte sie im Tonfall einer
       Vor-dem-Frühstück-noch-eine-Runde-im-Meer-Schwimmerin. Mein Ruf ist
       nachhaltig ruiniert.
       
       Freunde schlugen vor, die App zu löschen. Zu riskant. Wer weiß, was
       passiert? Man kennt die Berichte über KI. Das Gerät könnte mir nachts die
       Luftzufuhr kappen oder mich per Schlauch erwürgen. Da ertrage ich lieber
       die Demütigungen meiner Frühsportbetreuerin.
       
       25 Sep 2023
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ralf Sotscheck
       
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