# taz.de -- Contra Klimastreik: Disruption for Future!
       
       > Der Klimastreik der Fridays verschwendet nur Ressourcen, sie sind
       > gescheitert. FFF brauchen die Taktiken von Ende Gelände und Letzter
       > Generation.
       
 (IMG) Bild: Nicht gerade ein Fan der Fridays: Tadzio Müller mit Luisa Neubauer im Juni 2020
       
       Was wir in der Klimabewegung uns nicht gern eingestehen: Auch wir werden
       selbst immer mehr Teil der Verdrängungsgesellschaft, die permanent damit
       beschäftigt ist, die Klimakrise und ihre Schuld daran von sich
       wegzuschieben. Dass [1][Fridays for Future allen Ernstes zum 13. Mal zu
       einem „globalen Klimastreik“] aufruft, ist dafür symptomatisch.
       
       2018 und 2019 hatten diese großen Fridays-Demos eine unglaubliche Wucht,
       beförderten einen neuen historischen Akteur auf die Bühne der
       Weltgeschichte: die junge „Generation Klima“. Jetzt ist die Wucht zur Brise
       geworden. Relevanten politischen Fortschritt kann man nicht erwarten, wenn
       die Demos immer kleiner werden. Das demonstriert vor allem unsere Schwäche
       als Bewegung. Es gibt uns nur das Gefühl, aktiv zu sein, dabei richten wir
       in Wahrheit nichts aus.
       
       Wir sind gescheitert. Unser zentrales strategisches Ziel, die
       Treibhausgasemissionen so abzusenken, dass die Erderhitzung die
       1,5-Grad-Grenze nicht reißt, haben wir nicht erreicht. Global steigen die
       Emissionen weiter, in Deutschland sinken sie, aber lange nicht schnell
       genug. Ich meine damit nicht, dass das Scheitern schuldhaft ist. Oder dass
       es nie kleine [2][Erfolge] gegeben hätte. Gescheitert sind wir trotzdem.
       
       Es gab in der Klimabewegung bisher drei strategische Phasen, die jeweils
       von verschiedenen Gruppen angetrieben wurden. Dahinter standen verschiedene
       Analysen darüber, warum es keinen Klimaschutz gibt.
       
       ## Manchmal liefen Kraftwerke für ein paar Stunden nicht
       
       Nummer 1: Es fehlt die Aufmerksamkeit für das Problem. Die wollten wir
       schaffen. Mit Ende Gelände haben wir Aktionen mit spektakulärer Optik
       durchgeführt. Wir stürmten zu Tausenden in weißen Maleranzügen die
       Kohletagebaue. Zwar hatten diese Proteste auch kurzweilige praktische
       Folgen: Manchmal liefen nahegelegene Kraftwerke für ein paar Stunden nicht,
       weil keine Kohle mehr ankam. Trotzdem war das mehr symbolisch, das
       eigentliche Ziel waren eindringliche Bilder – und die lieferten wir.
       
       Nummer 2: Es fehlt die Zustimmung für die Bewegung und ihre Ideen. Fridays
       for Future war großartig darin, Zuspruch zu generieren. In Deutschland und
       weltweit. Plötzlich bestand die Klimabewegung nicht mehr aus radikalen
       Linken und spinnerten Ökos, sondern vor allem aus Kindern und Jugendlichen
       von nebenan. Sympathischer geht es nicht. Der Zulauf war enorm, plötzlich
       entstanden auch noch die Parents for Future, die Scientists for Future –
       fast jede Gruppe gibt es mittlerweile „for Future“.
       
       Die Normalos – im besten Sinne – baten die Regierung um mehr Klimaschutz,
       organisierten große Demos, machten gute Vorschläge. Manche davon zeigten
       sogar ein bisschen Wirkung. Dass die Große Koalition sich nicht traute, in
       ihrem [3][Klimapaket von 2019 mit einem CO2-Preis in Höhe von lächerlichen
       10 Euro] an den Start zu gehen, sondern auf etwas weniger lächerliche 25
       Euro erhöhte, hatte sicher damit zu tun. Der große Wurf war das aber
       natürlich auch nicht.
       
       Nummer 3: Es fehlen unmittelbare Kosten, wenn man als Politik keinen
       Klimaschutz liefert. Hier wollte Extinction Rebellion ansetzen,
       mittlerweile ist der relevante Akteur in Deutschland aber die [4][Letzte
       Generation]. Deren Idee ist, sich beim zivilen Ungehorsam vom
       Symbolcharakter zu lösen – und das fossile Alltagsleben ganz praktisch zu
       unterbrechen. Zum Beispiel den Autoverkehr. Das Problem: Alles in allem ist
       die Bewegung bisher doch zu klein. Und so bleibt es irgendwo doch im
       Symbolischen.
       
       ## Je mehr Klimakatastrophe, desto mehr Faschismus
       
       Die Klimabewegung steckt also tief in einer Legitimationskrise. Hinzu kommt
       noch etwas, das wir als Bewegung verdrängen, und darin unterscheiden wir
       uns keinen Deut von der Mehrheitsgesellschaft: die faschistische Welle, die
       die reichen Länder der Welt gerade erfasst. Einerseits gilt: Je mehr
       Klimakatastrophe, desto mehr Faschismus. Schließlich werden die Ressourcen
       knapper, die Konflikte stärker.
       
       Das ist meist Nährboden für Hassideologien, selten für Solidarität. Und
       andererseits gilt auch: Je mehr Faschismus, desto weniger Klimaschutz. Die
       meisten der rechtsextremen Parteien leugnen schließlich die Klimakrise.
       
       In dieser politisch komplizierten Situation organisiert Fridays for Future
       nun schon wieder einen „globalen Klimastreik“. Das ist eine Verschwendung
       aktivistischer Ressourcen. Was könnte diese immer noch größte und mit dem
       dicksten Legitimitätspolster ausgestattete Bewegungsorganisation erreichen,
       wenn sie sich weiterentwickeln würde?
       
       Sie ist der einzige Akteur, der eine Synthese der drei bisherigen Phasen
       der Klimabewegung schaffen könnte: Aufmerksamkeit, Zustimmung, Kosten. Die
       sympathische Masse der Fridays könnte mit den Taktiken von Ende Gelände und
       der Strategie der Letzten Generation den fossilen Alltag ernsthaft
       durcheinanderbringen. Was, wenn sich von den hoffentlich wenigstens
       Zehntausenden, die am Freitag auf der Straße sind, ein paar Tausend einfach
       hinsetzen und bleiben? Disruption for Future. So brauchen wir die Fridays.
       
       14 Sep 2023
       
       ## LINKS
       
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