# taz.de -- Estlands Premierministerin in der Kritik: Ehemann mit fragwürdigen Geschäften
       
       > Nach Deals ihres Ehemanns mit Russland muss die estnische
       > Ministerpräsidentin Kaja Kalles um ihren Posten bangen. Sie soll ihm Geld
       > geliehen haben.
       
 (IMG) Bild: Kaja Kallas muss sich erklären
       
       Die Tage von Kaja Kallas als Regierungschefin Estlands könnten gezählt
       sein. Grund ist ein Skandal um ihren Ehemann Arvo Hallik, der nicht nur in
       dem baltischen Staat, sondern auch im Ausland seit Tagen für Schlagzeilen
       sorgt. Der estnische öffentlich-rechtliche Radio- und Fernsehsender ERR
       hatte am Mittwoch berichtet, Hallik sei alleiniger Besitzer der Firma
       Novaria Consulting, über die er einen Anteil von knapp 25 Prozent am
       Transportunternehmen Star Logistics halte.
       
       Besagter Betrieb transportierte im Auftrag der estnischen Firma AS
       Metaprint, einem Verpackungshersteller, Waren nach Russland. Laut der
       estnischen Tageszeitung Eesti Päevaleht belief sich der Wert dieser Waren
       seit dem Beginn von Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine am 24.
       Februar 2022 bis zum vergangenen November auf 17 Millionen Euro.
       
       Nach dem Bekanntwerden dieser Details reagierte Kallas alles andere als
       professionell. Zunächst gab sie vor, über die geschäftlichen Aktivitäten
       ihres Gatten nicht genau informiert gewesen zu sein. Kurz darauf erklärte
       die 45-Jährige dann, dass Star Logistics seine Tätigkeit einen Monat nach
       Kriegsbeginn in Russland eingestellt habe, weil das vom moralischen
       Standpunkt her nicht länger vertretbar gewesen sei.
       
       Dummerweise kam dann jedoch noch ans Tageslicht, dass Kallas ihrem Mann ein
       Darlehen in Höhe von 350.000 Euro gegeben hatte, das, laut dessen Aussage,
       jedoch nicht in Geschäfte mit Russland geflossen sei. Auch Arvo Hallik
       selbst will von einer Verletzung der Sanktionen der Europäischen Union
       gegen Russland durch sein Geschäftsgebaren nichts wissen. Dieses wäre zum
       gegenwärtigen Zeitpunkt auch nicht justiziabel.
       
       Daher bringt vor allem die Frage nach der Moral die Gemüter in Wallung.
       Kallas, seit Januar 2021 Ministerpräsidentin, hatte sich [1][bereits vor
       Kriegsbeginn auf die Seite der Ukraine gestellt] und erste
       Waffenlieferungen an Kyjiw auf den Weg gebracht. [2][Bei der Parlamentswahl
       im März 2023] erzielte Kallas’ liberale Reformpartei 31,2 Prozent der
       Stimmen. Sie bildet mit den Sozialdemokraten sowie der liberalen Eesti 200
       die Regierung.
       
       Für die Opposition ist die Kausa eine Steilvorlage. Kallas sei direkt und
       persönlich am Transithandel mit Russland beteiligt. Dieselbe
       „Kriegsprinzessin“, die seit zwei Jahren jedem erzähle, dass sich Estland
       im Krieg befinde und während des Krieges alles schwarz und weiß werde,
       ätzte der Chef der Rechtsaußenpartei EKRE, Martin Helme.
       
       Der Vorsitzende der Partei Isamaa (Vaterland), Urmas Reinsalu, noch bis
       vergangenen Januar Außenminister, sprach Kallas wegen ihrer
       Doppelzüngigkeit die Eignung für den Posten der Regierungschefin ab. Sie
       habe ihr moralisches Kapital verspielt und stelle ein Sicherheitsrisiko
       dar. Estland werde die Glaubwürdigkeit für eine entschlossene
       Sanktionspolitik sowie eine stärkere Unterstützung der Ukraine genommen, so
       Reinsalu.
       
       Auch bei den Est*innen hat Kallas’ Image erheblich gelitten. Laut
       jüngsten Umfragen sind mittlerweile 66 Prozent der Befragten dafür, dass
       sie zurücktreten sollte. Nur noch 29 Prozent wollen, dass sie im Amt
       bleibt.
       
       In den kommenden zwei Wochen werden zwei parlamentarische Ausschüsse zu dem
       Fall tagen, dort wird sich die Regierungschefin unangenehme Fragen stellen
       lassen müssen. Zudem berät die Führungsspitze der Reformpartei. Ob dann
       zeitnah eine Entscheidung fällt, ist unklar.
       
       3 Sep 2023
       
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