# taz.de -- Daten zu bedingungslosem Grundeinkommen: Die meisten Leute hätten mehr Geld
       
       > 1.200 Euro bedingungsloses Grundeinkommen monatlich für alle sind
       > grundsätzlich finanzierbar – dies zeigt ein neuer Onlinerechner.
       
 (IMG) Bild: Es funktioniert! Michael Bohmeyer, Initiator von Mein Grundeinkommen, 2021 vor dem Bundestag
       
       Berlin taz | 1.200 Euro pro Monat vom Staat für alle erwachsenen
       Bürger:innen – ohne Arbeit, ohne Bedingungen, für Kinder die Hälfte. Ein
       schöner Traum? Ja – und nein. Ab diesem Dienstag wird die Utopie etwas
       realistischer. Denn die Organisation Mein Grundeinkommen hat [1][einen
       Internetrechner] programmiert, mit dem man online selbst ausprobieren kann,
       was ein [2][bedingungsloses Grundeinkommen] hierzulande kosten würde und
       wie es sich finanzieren ließe. Die Datenbasis hat der Ökonom Stefan Bach
       vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin
       bereitgestellt. Das Modell ist also nicht aus der Luft gegriffen.
       
       Der Debatte über die [3][Sinnhaftigkeit eines Grundeinkommens] läuft in
       Deutschland, seit die rot-grüne Regierung unter Kanzler Gerhard Schröder
       (SPD) in den frühen 2000er Jahren die Arbeitslosenhilfe abschaffte und
       durch die magere Sozialleistung Hartz IV ersetzte. Seitdem sagten viele
       Aktivist:innen, es müsse etwas Besseres geben als „Armut per Gesetz“ –
       wobei Hartz IV mittlerweile durch das etwas höhere und leichter erhältliche
       Bürgergeld abgelöst wurde.
       
       Wer den Rechner ausprobiert, erfährt beispielsweise, dass 1.200 Euro pro
       Kopf in Deutschland etwa eine Billion Euro (1.000 Milliarden) pro Jahr
       kosten – eine fantastische Summe, die mehr als das Doppelte des jährlichen
       Bundeshaushalts beträgt. Woher soll eine Gesellschaft so viel Geld nehmen,
       selbst wenn sie so reich ist wie unsere? Der Rechner gibt praktische
       Antworten und hat deshalb das Zeug, die häufig ideologische Diskussion zu
       versachlichen.
       
       Die grundsätzliche Erkenntnis formulierte Michael Bohmeyer, Initiator der
       Organisation: „Ein Grundeinkommen für alle wäre finanzierbar“ – allerdings
       mit [4][sehr viel höheren Steuern] als heute. Erstaunlich ist, wie viele
       Menschen von manchen Finanzierungsvarianten, die man selbst online
       einstellen kann, profitieren würden. Beispielsweise 80 Prozent der
       Bevölkerung hätten dann mehr Geld zur Verfügung als heute. Ungefähr 20
       Prozent mit den höchsten Einkommen und Vermögen würden im Vergleich zu
       heute allerdings draufzahlen, ihre Belastung mit Steuern nähme unter dem
       Strich deutlich zu.
       
       ## Gesellschaft wäre sozial viel ausgeglichener
       
       Dies führt zu einem weiteren Ergebnis: Eine solche Gesellschaft mit
       Grundeinkommen wäre sozial viel ausgeglichener, der Abstand zwischen
       niedrigen und hohen Einkommen fiele geringer aus als jetzt. Wegen der
       Garantiezahlung von 600 und 1.200 Euro „nimmt auch die Armut drastisch ab“,
       erklärte Miriam Witz von Mein Grundkommen. Finanzieren ließe sich das
       Grundeinkommen beispielsweise mit einer einheitlichen Steuer (Flattax) von
       50 Prozent auf alle Einkommen. Dieses Prinzip funktioniert so: Wer
       beispielsweise 2.000 Euro zu versteuerndes Einkommen pro Monat erzielt,
       muss erst mal 1.000 Euro abgeben. Zusätzlich erhält man aber die 1.200 Euro
       Grundeinkommen, wodurch dann 2.200 Euro herauskommen – 200 Euro mehr als
       vorher.
       
       Anders bei hohen Verdiensten von zum Beispiel 6.000 Euro: Hier bedeutet der
       50-Prozent-Steuersatz, dass zunächst nur 3.000 Euro übrig bleiben. Plus
       Grundeinkommen kommen unter dem Strich 4.200 Euro heraus. Die effektive
       Steuer schlägt also mit 1.800 Euro zu Buche. Im Vergleich zur aktuellen
       Gesetzeslage und Steuerzahlung würde eine Einzelperson, die bis zu 5.400
       Euro brutto und 3.350 netto monatlich verdient, mit dem Grundeinkommen
       besser fahren als heute. Sie erhielte zusätzliches Geld, errechnete die
       Organisation. Wer mehr erarbeitet, hätte künftig weniger als momentan.
       
       Dies ist allerdings nur eine von mehreren möglichen Varianten der
       Finanzierung. Statt einer einheitlichen Steuer auf alle Einnahmen könnte
       man den heutigen Steuertarif mit niedrigen Sätzen für Geringverdiener und
       hohen Sätzen für große Einkommen beibehalten.
       
       Um Hunderte Milliarden zu mobilisieren, müssten dann die Steuern für
       Gutverdiener jedoch über 70 Prozent steigen. Das hält die Organisation für
       nicht durchsetzbar. Sowieso, das zeigt der Rechner, müssten andere Abgaben
       wie etwa die Erbschaftsteuer auf große Vermögen deutlich angehoben werden.
       Auch Renten würden der Flattax unterliegen. Und jede Menge heute
       existierender steuerlicher Vergünstigung würden gestrichen.
       
       Ein [5][Gutachten] des Wissenschaftlichen Beirats des
       Bundesfinanzministeriums von 2021 hatte dagegen das Grundeinkommen für
       nicht finanzierbar gehalten. Die Ergebnisse des Rechners werfen Fragen auf.
       Zum Beispiel: Würden nicht viele mit Grundeinkommen weniger arbeiten? Dann
       kämen weniger Steuereinnahmen herein, das Vorhaben würde seine Finanzierung
       untergraben. Antworten könnte das Pilotprojekt Grundeinkommen erbringen,
       das die Organisation zusammen mit dem DIW durchführt. 122 Testpersonen
       erhalten dabei bis 2024 drei Jahre lang eine solche Zahlung.
       
       29 Aug 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://finanzierung.mein-grundeinkommen.de/
 (DIR) [2] /Pilotprojekt-Grundeinkommen/!5941546
 (DIR) [3] /Pilotprojekt-in-Irland/!5905808
 (DIR) [4] /Klimaschutz-und-Wachstum/!5901734
 (DIR) [5] /Bedingungsloses-Grundeinkommen/!5813944
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Hannes Koch
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Bedingungsloses Grundeinkommen
 (DIR) DIW
 (DIR) soziale Ungleichheit
 (DIR) Utopie
 (DIR) Schwerpunkt Armut
 (DIR) Bedingungsloses Grundeinkommen
 (DIR) Bedingungsloses Grundeinkommen
 (DIR) Bedingungsloses Grundeinkommen
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Bedingungsloses Grundeinkommen: Ehrenamt für alle
       
       Wer sich in der Freizeit engagieren will, braucht etwas Geld. Für viele ist
       das nicht drin. Ein regelmäßiges Einkommen vom Staat könnte das ändern.
       
 (DIR) Podcast über Armut in Deutschland: Zwischen Leben und Überleben
       
       Einer Wohnungslosen wird das Kind weggenommen, ein ehemals Inhaftierter
       findet keinen Job. „Über Leben“ erzählt eindringlich von Armut in
       Deutschland.
       
 (DIR) Ökonom über Grundeinkommen-Studie: „Mit Widerstand muss man rechnen“
       
       Wie realistisch das bedingungslose Grundeinkommen ist, hat das DIW Berlin
       berechnet. Grundsätzlich wäre es finanzierbar, sagt Ökonom Stefan Bach.
       
 (DIR) Verfassungsgericht urteilt: Kein Grundeinkommen für Hamburg
       
       In Hamburg darf ein Volksbegehren für ein bedingungsloses Grundeinkommen
       erstmal nicht durchgeführt werden. Das lässt sich aber korrigieren.
       
 (DIR) Pilotprojekt Grundeinkommen: Neustart von Grund auf
       
       Nach zwei Jahren im Projekt Grundeinkommen hat die Industriekauffrau
       Elisabeth Ragusa ein Studium begonnen – und kann sogar Geld zurücklegen.