# taz.de -- In alten Häusern schlummert Gefahr
       
       > Asbeststaub gehört unter den Berufskrankheiten zu den häufigsten
       > Todesursachen. Da bald Millionen Altbauten saniert werden müssen, warnt
       > die Gewerkschaft IG Metall vor einer neuen „Asbest-Welle“ und fordert
       > eine flächendeckende Schadstoff-Erfassung. Die Länder sind eher zögerlich
       > und scheuen den Aufwand
       
 (IMG) Bild: Beim Entsorgen wird es gefährlich: Das Mineral Asbest ist quasi unzerstörbar, auch der menschliche Körper kann es nicht abbauen
       
       Von Kaija Kutter
       
       Mit beeindruckenden Zahlen auch für Norddeutschland wartete die
       Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG Bau) auf, als sie jüngst
       [1][vor einer neuen „Asbest-Welle“] warnte. In Hamburg etwa gibt es 141.479
       Wohngebäude, die zwischen 1950 und 1989 entstanden, in der Zeit also, in
       der die krebserregende Faser in Zement und anderen Erzeugnissen erlaubt
       war. In Bremen sind es 75.505 Häuser, in Niedersachsen 1.178.258 und in
       Schleswig-Holstein 431.516.
       
       Für Bewohner der betroffenen Immobilien gibt es zwar Entwarnung. „Eine
       unmittelbare Gefährdung für die Gesundheit gibt es nicht“, erklärte die IG
       Bau gemeinsam mit einem Forschungsinstitut und der Bau-Berufsgenossenschaft
       bei einer [2][Pressekonferenz] in Berlin. Asbest in Altbauten könne erst
       zum Problem werden, wenn saniert und umgebaut wird. Aber man stehe nun am
       Anfang von „zwei Sanierungsjahrzehnten“, wie IG-Bau-Vorständler Carsten
       Burckhardt sagte. Nicht nur die energetische Sanierung werde „Fahrt
       aufnehmen“, es müssten auch viele Häuser modernisiert und alters- und
       familiengerecht umgebaut werden. Für Bauarbeiter und Heimwerker drohe daher
       Gefahr. Unter [3][Berufskrankheiten] ist die Belastung mit Asbeststaub eine
       der häufigsten Todesursachen.
       
       Die krebserregende Faser sei oft im Putz und sogar in Spachtelmassen und
       Fliesenklebern zu finden. Ein besonderes Problem sei Spritz-Asbest. „Hier
       sind die Fasern schwächer gebunden“, sagt Burckhardt. Sie könnten leichter
       freigesetzt werden und befänden sich vor allem in Schächten für Aufzüge und
       Leitungen. Weshalb bei der Sanierung von Häusern mit mehr als 13 Wohnungen
       – von denen von 1950 bis 1989 in Niedersachsen 7.365, in Hamburg 6.439, in
       Schleswig-Holstein 3.753 und in Bremen 1.532 gebaut wurden – mit „größter
       Sorgfalt“ vorzugehen sei, wie Matthias Günther vom Pestel-Institut mahnte.
       
       Die IG Bau stellte eine „Asbest-Charta“ auf. „Jeder Bauarbeiter und jeder
       Handwerker muss wissen, worauf er sich einlässt, wenn er Fliesen abschlägt,
       Wände einreißt oder Fassaden saniert“, sagte Burckhardt. Vor allem vor
       Baumaßnahmen brauche man Informationen über die Häuser dieser Zeit. Dafür
       brauche man einen Asbest-Gebäudepass. Mindestens bei einem
       Eigentümerwechsel sollte es einen Gebäude-Check geben und die Registrierung
       in einem „kommunalen Asbest-Kataster“. So etwas fehle in Deutschland. In
       Frankreich müsse bei Verkauf eines Hauses, das vor 1997 entstand, ein
       Bericht vorgelegt werden, ob Asbest verbaut wurde.
       
       „So ein Pass ist sinnvoll“, sagt Michael Köhler vom [4][Bremer
       Umweltinstitut], das Asbest-Untersuchungen vornimmt. Solche Untersuchungen
       kosten zwischen 2.000 und 4.000 Euro. Einführen müssten so einen Pass die
       Länder. Doch zumindest die im Norden zögern. Mit Ausnahme von Bremen, wo
       die Baubehörde erklärt, die Idee gehöre „geprüft“, sehen die Behörden keine
       Notwendigkeit.
       
       „Die regelhafte Erstellung von Asbest-Pässen wäre mit einem enormen Aufwand
       verbunden“, so das in Schleswig-Holstein für Arbeitsschutz zuständige
       Sozialministerium. Viel wichtiger sei, dass vor Sanierungen auf Asbest
       geprüft werde.
       
       In Niedersachsen sieht man das ähnlich und verweist auf eine ohnehin
       geplante Novelle der „Gefahrstoffverordnung“ des Bundes. Diese sehe für
       gewerbliche und private „Veranlasser“ von Bautätigkeiten eine
       „Erkundungspflicht“ vor, ob Asbest freigesetzt werden könnte, sagt eine
       Sprecherin des Sozialministeriums. Ein Gebäudepass sei da aber „nicht
       vorgesehen.“ Nach der Sommerpause soll diese Novelle von der Ampel
       verabschiedet werden:
       
       Auch in der Hamburger Verbraucherschutzbehörde hält man „aus Sicht des
       Arbeitsschutzes“ so einen Gebäudepass für „nicht erforderlich“. Denn schon
       jetzt gebe viele Regelungen, die die Forderungen der IG Bau abdeckten. So
       müsse nach Gefahrstoffverordnung jede Arbeit mit Asbest gemeldet werden.
       Die Arbeitgeber seien verpflichtet, vor Beginn der Arbeiten vom Bauherrn
       die nötigen Informationen einzuholen. Und die könne der Bauherr nur
       liefern, wenn er ein „Schad- und Gefahrstoffkataster“ erstelle oder
       erstellen lasse. Dafür gebe es allerdings keine vorgeschriebene Form,
       erläutert der Sprecher. Entscheidend sei, dass auf der Grundlage von
       Bauunterlagen und oder Beprobungen „verbindliche Aussagen“ zu Asbest
       getroffen werden.
       
       Von Hamburgs Grünen-Fraktion hört man, dass ein Register nicht zielführend
       sei. Und die SPD erklärt, das jetzige Vorgehen habe sich bewährt, könnte
       allenfalls bekannter werden. Ein Asbest-Pass bedeute „bürokratischen
       Aufwand“.
       
       IG-Bau-Vorstandmitglied Carsten Burckhardt überzeugt all das nicht. „Es
       macht einfach einen Unterschied, ob in einem Schadstoff-Pass komplett die
       Belastungen eines Gebäudes erfasst sind, oder ob der Eigentümer eine
       ‚Erkundungspflicht‘ hat“, sagt er. „Was passiert, wenn der Eigentümer sich
       nur ‚halbherzig erkundigt‘? Vielleicht auch, weil er höhere Kosten durch
       professionellen Arbeitsschutz scheut?“
       
       Krankheiten wie Lungenkrebs oder Asbestose, die von Asbeststaub verursacht
       werden können, werde bei einem Bauarbeiter oft erst 20 oder 30 Jahre später
       diagnostiziert. „Wer will das dann noch nachweisen?“, fragt Burckhardt. Je
       mehr Zeit verstreiche, desto schwieriger werde, den Bezug zu einer
       Baustelle herzustellen.
       
       „Die praktische Umsetzung sieht doch heute so aus, dass jeder Handwerker in
       den Raum geht und losarbeitet“, sagt auch Biologe Köhler. Handwerker seien
       einer lebenslangen Exposition der gefährlichen Asbest-Fasern ausgesetzt.
       „Um sie zu schützen, ist es sinnvoll, mit dem Gebäude-Pass die
       Verantwortung auf die Eigner zu übertragen.“
       
       21 Aug 2023
       
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 (DIR) [3] /!5953703&SuchRahmen=Print
 (DIR) [4] https://www.bremer-umweltinstitut.de/
       
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