# taz.de -- Polizei in Nanterre erschießt Jugendlichen: Ausschreitungen in Pariser Vorort
       
       > Bei einer Verkehrskontrolle wird ein 17-jähriger Autofahrer aus nächster
       > Nähe erschossen. Videoaufnahmen vom Vorfall lösen Empörung über
       > Polizeigewalt aus.
       
 (IMG) Bild: Nanterre, Paris, 28. 06. 2023: ausgebranntes Auto am Tag nach den schweren Ausschreitungen
       
       Nanterre dpa | Im Pariser Vorort Nanterre sind nach einem tödlichen
       Polizeischuss auf einen 17 Jahre alten Autofahrer bei einer
       Verkehrskontrolle schwere Krawalle ausgebrochen. Mülltonnen, Autos und eine
       Grundschule wurden von aufgebrachten Menschen in Brand gesetzt,
       Einsatzkräfte mit explodierenden Feuerwerkskörpern beschossen.
       
       Zwischen den Hochhaussiedlungen wurden Barrikaden errichtet und
       Feuerwehrkräfte bei ihren Einsätzen behindert, wie französische Medien
       berichteten.
       
       Die Unruhen, die am Dienstagabend mit einer Demonstration vor der
       Polizeiwache von Nanterre begonnen hatten, griffen in der Nacht auf
       angrenzende Orte über. In Mantes-la-Jolie wurde ein Rathaus in Brand
       gesetzt und ging lichterloh in Flammen auf.
       
       Die Polizei setzte Tränengas und Gummigeschosse ein, musste sich angesichts
       der massiven Angriffe aber teils im Laufschritt zurückziehen. Nach
       Behördenangaben wurden 20 Menschen festgenommen.
       
       ## Tödlicher Polizeischuss in die Brust
       
       Eine Motorradstreife der Polizei hatte das mit drei Personen besetzte Auto
       am Dienstagmorgen gestoppt. Ein vom Sender France Info verifiziertes Video
       zeigt, wie einer der Beamten seine Waffe auf Höhe der Fahrertür in das
       stehende Auto richtet. Die Situation scheint unter Kontrolle, hektische
       Bewegungen sind nicht zu erkennen. Als der 17-Jährige am Steuer plötzlich
       losfährt, feuert der Beamte aus nächster Nähe auf den Jugendlichen und
       trifft ihn tödlich in die Brust.
       
       Achtung: Das folgende Video zeigt die Gewaltszene 
       
       Das Auto fuhr dann noch einige Meter weiter und rammte schließlich eine
       Straßenabsperrung. Ein – ebenfalls minderjähriger – Mitfahrer wurde
       festgenommen und später wieder freigelassen, ein dritter ergriff laut
       Staatsanwaltschaft die Flucht.
       
       Wie France Info berichtete, wurde der Beamte unter Totschlagsverdacht in
       Polizeigewahrsam genommen. Nach Angaben von Innenminister Gérald Darmanin
       nahm die Polizeiaufsicht Ermittlungen auf, um den Vorfall aufzuklären. Für
       den Beamten und seinen Kollegen gelte vorerst die Unschuldsvermutung,
       betonte der Minister.
       
       Laut France Info hatten die Streifenpolizisten zunächst ausgesagt, der
       Jugendliche habe sie überfahren wollen. Später seien sie von dieser Version
       wieder abgerückt und hätten erklärt, er habe ihren Anordnungen keine Folge
       geleistet und dann plötzlich Gas gegeben – von einer Tötungsabsicht war
       keine Rede mehr.
       
       ## Familie des Opfers wirft Polizisten Falschaussage vor
       
       Der Teenager soll wegen früherer Verkehrsdelikte und Widerstands gegen
       Vollstreckungsbeamte polizeibekannt gewesen sein. Innenminister Darmanin
       bezeichnete seinen Tod als „Drama“, wies zugleich aber darauf hin, dass
       Widerstand gegen die Staatsgewalt schon in vielen Fällen zum Tod von
       Polizisten geführt habe.
       
       Die Familie des Jungen kündigte über ihren Anwalt an, sie werde den
       Todesschützen wegen Mordes verklagen und auch wegen Falschaussage, weil
       seine Darstellung der Ereignisse von den Videoaufnahmen eindeutig widerlegt
       werde.
       
       Der tödliche Vorfall löste in Frankreich Empörung aus, angesichts der
       Videoaufnahmen wurde [1][einmal mehr maßlos überzogene Polizeigewalt
       angeprangert]. Immer wieder kommen Menschen in Frankreich bei banalen
       Fahrzeugkontrollen ums Leben, wenn sie sich nicht an Polizeianweisungen
       halten.
       
       ## Zu oft führen Bagatelldelikte zum Tod durch Polizeigewalt
       
       Oft geht es dabei nicht um Schwerkriminelle, sondern wie auch im Fall von
       Nanterre um Menschen, die mit Bagatelldelikten aufgefallen sind. Der
       17-Jährige soll ursprünglich wegen eines Verstoßes gegen die Verkehrsregeln
       angehalten worden sein, wie France Info berichtete.
       
       Auch deshalb löste der jüngste Todesfall bei einem Polizeieinsatz eine
       heftige politische Debatte aus. „Die Todesstrafe gibt es in Frankreich
       nicht mehr. Kein Polizist hat das Recht zu töten, es sei denn, es handelt
       sich um Notwehr“, twitterte Linkspolitiker Jean-Luc Mélenchon. Die Polizei
       bringe die Autorität des Staates in Verruf und müsse von Grund auf
       reformiert werden.
       
       Andere Politiker aus dem linken Spektrum zeigten sich ebenfalls empört und
       betonten, dass Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte noch lange nicht die
       Tötung eines Menschen rechtfertige.
       
       28 Jun 2023
       
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