# taz.de -- Ehrenamtliche kritisieren Pastoren: Diskriminierung im Beratungszentrum?
       
       > Ehrenamtliche Mitarbeiter*innen eines evangelischen Hamburger
       > Beratungszentrums klagen über Diskriminierung und Umgang. Der Hauptpastor
       > widerspricht.
       
 (IMG) Bild: Muss nun die Wogen glätten: Hauptpastor Jens-Martin Kruse, hier bei einem Gottesdienst im März 2023
       
       Hamburg taz | Ehrenamtliche des Hamburger Beratungs- und Seelsorgezentrums
       in der Mönckebergstraße sind traurig und wütend: 36 von ihnen haben einen
       offenen Brief an den Kirchengemeinderat der Gemeinde St. Petri, der das
       Zentrum unterstellt ist, geschrieben: Darin klagen sie über
       Altersdiskriminierung, Ausgrenzung von Ratsuchenden und die Auflösung von
       Mitbestimmungsgremien. Doch die Kirche ist sich keiner Schuld bewusst – und
       bestreitet jeden Vorwurf.
       
       Das Beratungs- und Seelsorgezentrum (BSZ) der Hauptkirche St. Petri ist vor
       über 50 Jahren gegründet worden. Es sei dazu da, damit „über das Leben
       gesprochen“ wird, schreibt das BSZ auf seiner [1][Internetseite]. Und
       weiter: Ratsuchende können sich beraten lassen, „unabhängig davon, wer Sie
       sind, woher Sie kommen und woran Sie glauben.“ Die 36 Ehrenamtlichen
       zweifeln dies nun lautstark an – und fühlen sich auch selber vom
       Kirchenvorstand abgewiesen.
       
       So beklagen sie die [2][Altersdiskriminierung] durch die Kirche: Mit 78
       Jahren dürfen die Ehrenamtlichen nun nicht mehr im BSZ beraten. Gisela
       Breyer-Zeller war 20 Jahre als Ehrenamtliche in der offenen Beratung dabei.
       Sie hat die Altersgrenze überschritten, und ist nun nicht mehr in der
       offenen Beratung tätig. „Ich hatte immer das Gefühl, wir Ehrenamtlichen
       sind das Beratungszentrum“, sagt Breyer-Zeller. „In 20 Jahren habe ich es
       nicht erlebt, dass jemand nicht mehr in der Lage war, zu beraten und es
       nicht selbst gemerkt und von selbst aufgehört hat“, sagt sie.
       
       ## Altersgrenze für Berater*innen bei 78 Jahren
       
       Laut Jens-Martin Kruse, Hauptpastor der Kirche, wurde die Altersgrenze von
       ursprünglich 75 – die im Beratungskontext üblich sei – sogar auf 78
       angehoben. „Ich kann gut verstehen, dass für betroffene Menschen eine
       Altersgrenze schmerzlich ist“, sagt Kruse. Dennoch: Wer ehrenamtlich im BSZ
       mit einer Ausbildung beginne, wisse von dieser Grenze.
       
       Dem widersprechen die Unterzeichner*innen. Zuvor soll es keine praktizierte
       Altersgrenze gegeben haben – vielmehr wurde in Supervisionen mit dem alten
       Pastor die Eignung für die offene Beratung überprüft. Außerdem seien in
       einer Schicht immer mehrere Personen gleichzeitig tätig gewesen – es hätte
       sich bemerkbar gemacht, wenn jemand die Gespräche nicht mehr hätte leisten
       können. So berichten es Breyer-Zeller und Christa Reinstorff, die den Brief
       ebenfalls unterschrieben hat.
       
       Ohnehin hadern die Ehrenamtlichen mit dem [3][neuen Leiter des BSZ, Pastor
       Krischan Heinemann]. Er soll Treiber vieler dieser Entwicklungen sein,
       hinzu auch Mitbestimmungsgremien der Ehrenamtlichen aufgelöst haben. Von
       einem „autoritären Führungsstil“ ist die Rede. Heinemann äußert sich nicht
       gegenüber der taz. Hauptpastor Kruse wiederum sagt dazu: „Das Mitwirken und
       Einbringen von Ehrenamtlichen macht die Arbeit im BSZ aus – dies ist auch
       weiterhin so.“
       
       Auch über den Umgang mit Menschen, die wiederkehrend die offene Beratung
       aufsuchen, gibt es Streit. So habe es unterschiedliche Ansichten zwischen
       den Ehrenamtlichen und ihrem Leiter über Behandlungsmethoden bei den
       sogenannten Dauerklient*innen gegeben.
       
       Aus Sicht der Ehrenamtlichen hatte das dramatische Folgen: „Psychotischen
       und suizidalen Menschen wird nicht mehr angstfrei und wertschätzend
       begegnet“, sagt Reinstorff. Dem widerspricht Kruse: „Wer zum BSZ kommt, ist
       immer willkommen und begegnet jemandem, der ihm gern zuhört“. Allerdings
       könne sich zeigen, dass möglicherweise an einem anderen Ort mehr Beratung
       und Unterstützung zu erhalten sei.
       
       Grundsätzlich hat Breyer-Zeller Verständnis dafür, nicht allen Menschen in
       der offenen Beratung helfen zu können, oft hätte sie in der Beratung schon
       Menschen an Psychotherapeut*innen verwiesen. „Natürlich bringt so ein
       Gespräch in dem Moment Entlastung, aber es ist klar, dass wir manchen
       Menschen mit der offenen Beratung nicht nachhaltig helfen können.“
       
       Doch dort hört gegenwärtig das Verständnis zwischen Ehrenamtlichen und der
       Kirchengemeinde auf: Zumindest hat nach Aussage von Reinstorff bereits ein
       großer Teil der Ehrenamtlichen sein Engagement im Zentrum beendet, mehr als
       die Hälfte der zuvor 120 ehrenamtlichen Berater*innen hätten das BSZ
       schon verlassen. Laut Kruse hingegen kann das BSZ mit gut 90 Ehrenamtlichen
       alle Angebote weiter fortführen, sodass die Öffnungszeiten unverändert
       blieben.
       
       12 Jul 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.bsz-hamburg.de/
 (DIR) [2] /Studie-zu-Ageism-in-Deutschland/!5902928
 (DIR) [3] /Pastor-ueber-die-Aktualitaet-der-Seelsorge/!5686124
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Nina Spannuth
       
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