# taz.de -- FDP-Politiker Kemmerich kuschelt mit AfD: Dammbruch-Experte schlägt wieder zu
       
       > Thüringens FDP-Chef Thomas Kemmerich plädiert in einer
       > rechtspopulistischen Talkshow für Mehrheitsbildungen mit der AfD. Er ist
       > Wiederholungstäter.
       
 (IMG) Bild: Wem ein Faschist demütig die Hand schüttelt, der sollte über Fehler nachdenken
       
       Berlin taz | Ups, er hat es schon wieder getan: Der Landesvorsitzende der
       FDP Thüringen, Thomas Kemmerich, der sich 2020 auch mit Stimmen der AfD zum
       thüringischen Ministerpräsidenten wählen ließ und danach dem Rechtsextremen
       Björn Höcke die Hand schüttelte, hat sich für Mehrheitsbildungen mit der
       AfD ausgesprochen: „Wir brauchen politisch gute Ideen aus der Mitte. Und
       wenn die dann eine Mehrheit finden trotz oder mit der AfD, dann ist die
       Mehrheit halt da“, sagte Kemmerich bei einer Talk-Sendung mit
       rechtspopulistischem Sound aus dem Umfeld des Ex-Bild-Chefredakteurs Julian
       Reichelt.
       
       Die FDP widersprach Kemmerich auf taz-Anfrage umgehend: „Die AfD steht für
       Rassismus, Antisemitismus und autoritäre Politik. Sie steht dem liberalen
       Gesellschafts- und Politikverständnis der FDP diametral entgegen. Es gibt
       deshalb für die gesamte FDP keinerlei Zusammenarbeit oder Kooperation mit
       der AfD“, sagte ein Pressereferent der Bundespartei.
       
       Seit der Thüringer Regierungskrise 2020 ist der glatzköpfige Unternehmer
       bundesweit für den damaligen politischen „Dammbruch“ bekannt: Kemmerich,
       damals wie heute Vorsitzender der mit nur knapp über 5 Prozent in den
       Landtag eingezogenen FDP, kandidierte in einer verfahrenen Situation im
       dritten Wahlgang als Ministerpräsident und gewann die Wahl auch mit Stimmen
       der AfD. Die hatten ihren eigenen Kandidaten überraschend nicht gewählt und
       verhalfen Kemmerich so zur Mehrheit mit einer Stimme.
       
       Kemmerich nahm die Wahl trotz der AfD-Stimmen an, was für Schockwellen in
       der Republik sorgte und für parteiübergreifende Kritik: Noch am Abend
       versammelten sich spontan tausende Demonstrierende vor der Berliner
       FDP-Zentrale und protestierten gegen die politisch tabuisierte
       Zusammenarbeit mit der AfD – seitdem kursiert das Schlagwort AFDP.
       
       Die AfD-Fraktion applaudierte nach der Wahl Kemmerichs geschlossen. Höcke
       genoss die Situation sichtlich und gratulierte Kemmerich triumphierend und
       mit gesenktem Haupt per Handschlag. Die Linken-Landesvorsitzende Susanne
       Hennig-Wellsow warf Kemmerich einen Blumenstrauß vor die Füße.
       
       ## Kemmerich denkt offenbar über Neuauflage nach
       
       Nach massiven Protesten und empörten Reaktionen aus der restlichen
       Republik, aber auch der Bundesregierung bis hin zu Bundeskanzlerin Angela
       Merkel (CDU), die sich aus Südafrika einmischte, gab Kemmerich schließlich
       klein bei und trat drei Tage später wieder zurück. Danach kam eine
       Minderheitsregierung von Bodo Ramelow (Linke) zustande. Die AfD schlug noch
       mehr Kapital aus der Affäre und klagte danach gegen Merkels Einmischung
       [1][erfolgreich in einem Organstreitverfahren].
       
       Der Tabubruch, aber auch die Reaktion der demokratischen Parteien und
       Kemmerichs darauf folgender Rücktritt nagt offensichtlich noch immer am
       FDP-Politiker. Der 58-Jährige ruderte im weiteren Gespräch zwar etwas
       zurück und betonte, er wolle keine konstitutionelle Zusammenarbeit mit der
       AfD, aber er verteidigte auch die Annahme der Wahl mit teils absurden
       Argumenten: „Keiner von uns hier am Tisch und in der Welt weiß, wer die 45
       Stimmen am Ende waren, die auf mich gefallen sind.“
       
       Er sei damals mutig gewesen und würde „immer in Erwägung ziehen, in einem
       Parlament, in das ich gewählt werde, auch zu kandidieren“. Einen Fehler
       gesteht Kemmerich nicht ein und inszeniert sich stattdessen als Opfer.
       Seine Familie sei bedroht worden und Merkel habe organisiert, dass niemand
       aus der CDU noch mit ihm habe zusammenarbeiten wollen.
       
       In Thüringen, wo die Mehrheitsverhältnisse weiter kompliziert sind und im
       nächsten Jahr erneut gewählt wird, denkt Kemmerich offenbar schon über eine
       Neuauflage des Dammbruchs nach. Er sagte: „Beim nächsten Mal wären wir
       besser vorbereitet und hätten mehr Pfeile im Köcher.“ Auch wenn er auf eine
       andere Konstellation hoffe.
       
       ## CDU widerspricht nicht
       
       Saskia Ludwig, eine Brandenburger Landtagsabgeordnete der CDU, saß in der
       Talkshow daneben und widersprach Kemmerich nicht. Stattdessen schlug sie in
       eine ähnliche Kerbe: „Ich finde das ziemlich problematisch, dass auch die
       CDU, Angela Merkel, einen linken Ministerpräsidenten da lieber sieht als
       jemanden von der FDP.“ Sie glaube, dass Kemmerich für Thüringen deutlich
       besser gewesen wäre als Ramelow.
       
       Bereits im Oktober 2020 hatte sich das Präsidium der FDP allerdings
       deutlich von dessen eigenwilligen Einordnungen zur Thüringer
       Regierungskrise distanziert. Der jetzige Verkehrsminister [2][Volker
       Wissing sagte damals]: „Die Verantwortung für die Wahl zum
       Ministerpräsidenten von Thüringen am 5. Februar 2020 trägt Thomas
       Kemmerich. Die Wahl kam offenkundig nur durch die geschlossene
       Unterstützung der AfD-Fraktion zustande. Die Annahme der Wahl war ein
       schwerer politischer und persönlicher Fehler.“ Sie stehe in krassem
       Widerspruch zu der liberalen Grundhaltung, so Wissing: „Der Bundesverband
       wird eine Spitzenkandidatur von Thomas Kemmerich bei der nächsten Wahl des
       Landtags von Thüringen nicht unterstützen.“
       
       In der Thüringer FDP weht allerdings ein anderer Wind: Dort wurde der
       Dammbruch keineswegs kritisch aufgearbeitet. Kemmerich wurde im vergangenen
       Oktober [3][weitgehend kritiklos und unangefochten mit 87 Prozent zum
       Vorsitzenden gewählt]. Für eine Spitzenkandidatur bei der Landtagswahl 2024
       hat sich [4][Kemmerich schon 2021 in Stellung gebracht].
       
       22 Mar 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.lto.de/recht/nachrichten/n/bverfg-2bve420-angela-merkel-aeusserungen-thueringen-wahl-2020-verfassungswidrig/
 (DIR) [2] https://www.fdp.de/pressemitteilung/wissing-das-praesidium-der-fdp-distanziert-sich-geschlossen-von-thomas-kemmerich
 (DIR) [3] https://www.mdr.de/nachrichten/thueringen/fdp-landesparteitag-soemmerda-100.html
 (DIR) [4] https://www.spiegel.de/politik/deutschland/thueringen-thomas-kemmerich-will-wieder-fdp-spitzenkandidat-werden-a-e8c1ad2f-2160-4b88-9ec5-e2ac94af4d78
       
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       „unverzeihlich“ genannt. Dafür wurde sie jetzt vom Bundesverfassungsgericht
       gerügt.