# taz.de -- Doppel-„Tatort“ aus Berlin: Rechte Umsturzversuche
       
       > Doppelfolge aus Berlin: Der „Tatort“ hat eine neue tolle Ermittlerin und
       > spielt im rechten Milieu von Polizei und Verfassungsschutz. Aber, ach.
       
 (IMG) Bild: Corinna Harfouch als Susanne Bonard ermittelt erstmals an der Seite von Robert Karow (Mark Waschke)
       
       Der zweite [1][Berliner „Tatort“] nach dem Ableben der Ermittlerin Nina
       Rubin (Meret Becker) tischt ziemlich opulent auf. Verdächtige und
       Handlungsort sind Polizei und Verfassungsschutz. Hochbrisant! Der Tatort
       ist eine Doppelfolge mit drei Stunden Platz zum Erzählen. Cool! Mark
       Waschke spielt weiter den Ermittler Karow. Yeah! [2][Seine neue Partnerin
       ist eine der prominentesten deutschen TV-Schauspielerinnen, Corinna
       Harfouch]. Ja, Wahnsinn!
       
       „Es ist größer, als ich dachte“, sagen zwei Polizistinnen im Laufe des
       Films. Beide sterben. Was genau da größer ist, bleibt zunächst
       unausgesprochen, wird aber jedem Zuschauer sofort dämmern: die Kreise und
       Ziele der Rechten in der Polizei.
       
       Man will diesen Tatort gerne gut finden. Aber, ach. Oh Mann. Oh je. Wo
       bisher ein Ermittlerduo war, das immer etwas nach Späti, Drogen, Sex, Club,
       Großstadt gerochen und was Dunkles, Unsauberes, Nicht-Ausdiskutiertes
       hatte, ist jetzt alles spiegelglatt. Die Neue, Spitzname „Heilige Susanne“,
       hat kein dreckiges -ow oder -ic im Namen, sondern klingt nach französischer
       Patisserie: Bonard. Karow hat jetzt längere Haare und entwickelt sich ob
       der Noblesse seiner neuen Kollegin sogar zum Charmeur.
       
       Auch ansonsten scheint alles, was an früher erinnert, aufgegeben. Die
       Farben sind meist in grau, braun und dunkelblau abgetönt. Selbst die
       Buntstifte des kleinen Matti, dessen Mutter vor seinen Augen erschossen
       wird, wirken blass. Die mal durch Elektroklänge, mal durch Panflöte
       inszenierte Hintergrundunheimlichkeit nervt: Ist ja gut, wir haben
       verstanden, es ist ein düsteres Thema und die Abgründe sind tief, sehr
       tief.
       
       So gut wie alles in diesem Tatort wirkt falsch, verstellt, gekünstelt,
       bemüht künstlerisch inszeniert, unglaubwürdig. So sieht man zum Beispiel
       mehrfach Finger in Großaufnahme, wie sie gerade Sim-Karten in Laptops
       stecken. Und so wie die neue Ermittlerin mit ihrem Ehemann spricht bzw. der
       mit ihr, wirkt das nicht wie bei einem echten Alltag solcher Paare
       abgeschaut, sondern als hätte sich der Regisseur bei seiner Recherche von
       Influencerpaaren auf Instagram inspirieren lassen.
       
       Ansonsten sieht man viel Gesicht. Vor allem das von Harfouch. Das guckt man
       natürlich ganz gern an, so wie auch das von Waschke. Aber keine einzige
       Einstellung in den drei Stunden hat Witz oder ist so intensiv, dass man
       vergisst, dass der Rest der Erzählung irre langatmig ist. Dazu gibt es
       ständig unglaubwürdige Entwicklungen, wie der Umstand, dass sich die neue
       Ermittlerin einfach selbst eingesetzt hat, obwohl sie gerade offiziell in
       den Ruhestand geschickt wurde.
       
       Um auch mal etwas zum Thema zu sagen: Ja, auch in echt gibt es
       Rechtsextreme in der Polizei und es gibt den Verfassungsschutz, dessen Chef
       bis vor Kurzem ein Rechtsextremer war. Und es gibt guten Grund, wegen
       Waffen sammelnder und schießender Reichsbürger besorgt zu sein. Aber der
       Tatort tut so, als hätten die Rechtsextremen den deutschen Staat im Prinzip
       schon so gut wie in der Hand.
       
       Was genau will so eine Erzählung erreichen? Dass die Nazis sich diebisch
       freuen, weil hier suggeriert wird, dass sie kurz davor sind, ihr Ziel, ihre
       eigene Zeitenwende, den Umsturz erreicht zu haben? Sicher liefert der
       Tatort Anlass, um den rechten Filz in den Sicherheitsbehörden zu
       thematisieren. Weniger apokalyptische Überinszenierung, mehr glaubwürdigere
       Erzählung hätte trotzdem gutgetan.
       
       9 Apr 2023
       
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