# taz.de -- Tony Marshall ist tot: Leutseligkeit in Person
       
       > Er war ausgebildeter Opernsänger, wurde aber wegen seiner Schlager
       > verlacht: Tony Marshall. Am Donnerstag ist er im Alter von 85 Jahren
       > gestorben.
       
 (IMG) Bild: Mit „schöner Maid“ auf die „Pauke gehauen“: Tony Marshall bei einem Auftritt 2017
       
       Sein entscheidendes, das heißt für die Karriere, für den weiteren
       Broterwerb wichtiges Lied gab es: „Schöne Maid“. Der Song war ebenso
       wichtig für sein Familienleben. Und er hat es, so geht die Legende,
       eigentlich nicht singen wollen.
       
       Tony Marshall, geboren 1938 als Herbert Anton Bloeth in einem [1][nicht so
       wohlhabenden Teil] der Couponschneider- und Bourgoisie-Oase Baden-Baden,
       war aber ein verantwortungsbewusster Mensch. Er verzichtete als
       ausgebildeter Opernsänger auf fast jeglichen Kunstwillen und intonierte
       1971 seinen „Schöne Maid“-Raketenschlager ins persönliche Glück.
       
       Das Lied markierte als Tonspur die proletarisch-kleinbürgerlichen Siebziger
       Jahre, es ging bei ihm immer fröhlich zu, so auch in diesem Schlager, der
       im Übrigen vom Produzenten Jack White (Ex-Tennis Borussia-Promi)
       neuseeländischem Kulturgut der Maori entnommen wurde. „Schöne Maid“ war für
       Marshall, ebenso wie die nachfolgenden Hits, darunter „Heute hau'n wir auf
       die Pauke“, die Signatur einer Dekade, die viel weniger Deutscher Herbst
       war, als deutscher Massenwohlstand mit mehr Demokratie und Mitbestimmung,
       mit mehr Tourismus, mehr Feierei und Party jemals werden sollte.
       
       Linke und Volxaufklärer hassten Leute wie Tony Marshall. In ihren Augen war
       er das Falsche, da half es dem Baden-Badener auch nicht, zu bekunden, dass
       er so gern [2][den „Mackie Messer“ gibt] und die [3][„Dreigroschenoper“]
       liebt. Nein, er war die ästhetische Konterrevolution, mindestens ein ewig
       Gutgelaunter. Also hat er sich nie eines anderen Delikts schuldig gemacht
       als dessen, das sich als „Leutseligkeit“ und „Popularität über die eigene
       Bubble hinaus“ charakterisieren lässt.
       
       Marshall konnte über alle Jahre seither von diesen wichtigsten Hits gut
       leben, vor allem mit Live-Performances. Niemand nahm ihm am Ende übel, dass
       er nur weiter auf der Bühne stehen wollte, was ja auch alle
       Musiker*innen aus allen Undergrounds dieser Welt gut verstehen können.
       Marshall nahm immer wieder Alben auf, auch eines, das er „Senioren sind nur
       zu früh geboren“ nannte. Er hatte Familie, Kinder, war ein karitativ
       umtriebiger Mensch. Und alles in allem, was man aus dem German
       Entertainment-Business so hörte, der freundlichste Kumpan unter allen
       [4][ZDF-Hitparadensonnen]: Ein Mann, ein Leben, als sei es dem Frohsinn
       gewidmet.
       
       Am Donnerstag ist Tony Marshall an den Folgen verschiedener Erkrankungen
       kurz nach seinem 85. Geburtstag verstorben.
       
       17 Feb 2023
       
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 (DIR) Jan Feddersen
       
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